Manchmal braucht es wenig für eine wirtschaftliche Wende. In einem Land wie Griechenland kann es schon mit einem Zugunglück losgehen, bei dem in der vergangenen Woche mindestens 57 Menschen ums Leben kamen. Ursache war ein Fehler eines Bahnhofsvorstehers, der falsch geschaltet hat. Der Mann wurde festgenommen und der Verkehrsminister ist zurückgetreten.
Aber die Griechen glauben nicht, dass das reicht. Die Gewerkschaften haben zu massiven Streiks aufgerufen, weil die eigentliche Ursache die von der EU verhängten Bahnprivatisierungen sein sollen. Sie müssen rückgängig gemacht werden. Oder die EU muss ein neues Sicherheitssystem finanzieren.
Es ist mehr als zehn Jahre her, seit Griechenland die Eurozone beinahe in die Luft gesprengt hätte. Das Land erlag riesigen Schulden, einem himmelhohen Zinssatz von 20 Prozent und einer Bank, die von den Griechen geführt wurde, die ihre Ersparnisse an ausländische Banken überwiesen.
Das Land geriet unter die Schirmherrschaft der sogenannten Troika: EU, EZB und IWF. Als Gegenleistung für Hilfen zwang sie Griechenland zu drastischen Einschnitten und weitreichenden Reformen, etwa der Privatisierung staatlicher Dienstleistungen wie der Eisenbahn. Aber das Volk revoltierte massenhaft und beschleunigte den wirtschaftlichen Zusammenbruch. Kurz gesagt, Griechenland war verzweifelt, sinnlos und hilflos.
Populisten unter Führung von Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis – eine Kombination aus griechischer BBB und SP – wandten sich gegen die auferlegten Reformen und gewannen die Wahlen. Ein Grexit schien das einzig realistische Ergebnis: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Es gab sogar einen geheimen Troika-Plan, Plan Z, zur Wiedereinführung der Drachme, Griechenlands alter Währung.
Oder Griechenland müsste mit den anderen Pigs (Portugal, Italien und Spanien) in eine separate Zeuro-Zone gestellt werden – eine Währungsunion mit einem butterweichen Euro. Es musste von einer starken Neurozone mit den Niederlanden und Deutschland getrennt werden.
Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und sein niederländischer Kollege Jeroen Dijsselbloem als Präsident der Eurogruppe fanden eine Lösung. Griechenland durfte im Austausch für Reformen die Hälfte seiner Schulden an private Investoren abschreiben. Tsipras stimmte zu, was viele Griechen als Verrat ansahen.
Griechenland kämpfte noch lange. Doch unbemerkt hat sich das Land in den vergangenen Jahren aus dem tiefen Tal gekrochen: Seit dem 30. Juni 2015 wurde das Rating der griechischen Schulden sechsmal angehoben – von CC auf BB+.
Griechenland ist am Finanzmarkt wieder ein kreditwürdiges Land, trotz neuer Rückschläge wie dem Flüchtlingszustrom und der Energiekrise. Das griechische Geschäftsklima ist eines der besten in der OECD. Griechenland wird von der Zinserhöhung nicht betroffen sein, weil 55 Prozent der Schulden beim EU-Notfallfonds European Stability Mechanism ausstehen, zu extrem niedrigen Zinsen.
Das griechische Comeback bzw remontada ist eine Art Wirtschaftswunder. Das Land nimmt sogar an den Aufstiegswettbewerben von der imaginären Zeurozone zur Neurozone teil. Eine Lehre von vor zehn Jahren lautet: Schreiben Sie den Euro nie zu schnell ab. Die andere: In keinem anderen Euro-Land ist der Weg von der tiefen Krise zum überbordenden Wohlstand und umgekehrt so kurz wie in Griechenland.