Gedichte in Gebärdensprache: „Viele Hörende wissen nicht, dass es das gibt“

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Sam Onclin stellt ein Gedicht dar.Bild Renée de Groot

Gehörlos / aber innerlich stark
Leise bewegend / ohne Sätze
Zugänglichkeit als unser ewiges Streben
In der Stille finden wir unser eigenes Leben

Dieses Kurzgedicht kann als vierzeiliger Text gelesen werden, doch auf den Fotos oben wird Sam Onclins Gedicht so rezitiert, wie es eigentlich gedacht war, nämlich in Gebärdensprache. Sam Onclin ist ein gehörloser Dichter, der Gedichte in niederländischer Gebärdensprache verfasst, die seit 2021 als Amtssprache anerkannt ist.

Onclin ist Mitglied des Kollektivs Kitchens Light, mit dem sie das Poesiefestival Poetry International bei der Zusammenstellung eines Tages für gehörlose und schwerhörige Dichter beriet. Dichter aus den Niederlanden und dem Ausland werden am Sonntag, den 11. Juni, in Rotterdam zusammenkommen, um aufzutreten, es wird Vorträge und öffentliche Interviews geben, alles in Gebärdensprache.

„Publikumsseitig richtet sich der Tag an Gehörlose und Schwerhörige, aber auch an Hörende.“ Onclin sitzt auf einer sonnigen Terrasse in Woerden, wo sie das Interview mit einem Dolmetscher für niederländische Gebärdensprache gibt. Sie betont, dass der Tag in Rotterdam für alle zugänglich sei: „Viele hörende Menschen wissen nicht, dass es so etwas gibt.“ Wir wollen diese Form der Leistung sichtbarer machen. Dass die Leute anfangen zu denken: Oh, gehörlose Menschen können auf der Bühne stehen, sie können auftreten, ihre Gedichte vortragen. Und dann in einer anderen Sprache, nämlich der Gebärdensprache.‘

Über den Autor

Joris Henquet ist ein Theaterkritiker aus de Volkskrant. Er schreibt über Kabarett, Stand-up-Comedy und Musical.

Kitchens Light ist ein Kollektiv gehörloser und schwerhöriger Dichter, zu dem der 31-jährige Sam Onclin seit seiner Gründung im Jahr 2019 gehört. „Es entstand, weil es in den Niederlanden keine Bühne gab, auf der gehörlose Menschen auftreten und der Öffentlichkeit etwas zeigen konnten.“ Zu Beginn wurden wir von der Spoken-Word-Künstlerin Elten Kiene gecoacht. Elten ist hörend und wusste nichts über Taubheit oder Gebärdensprache. Doch gemeinsam mit Elten begannen die Mitglieder von Kitchens Light zu untersuchen, wie man als gehörloser Mensch sein Talent auf der Bühne einsetzen kann. Wir haben unseren ersten gemeinsamen Auftritt gemacht. Es war so ein Erfolg, dass wir seitdem gebeten wurden, aufzutreten.“

Am Küchentisch

Der Name Kitchens Light beziehe sich auf ein Stück Gehörlosenkultur, sagt Sam. „Gehörlose sind gerne im Licht, denn das braucht man für die Kommunikation.“ Auf Partys zum Beispiel muss man nur in der Nähe des Lichts sitzen, um sich sehen zu können. „In der Küche brennt oft Licht, da sieht man, dass auf Partys die Gehörlosen oft in der Küche am Küchentisch sitzen.“

Für den Tag bei Poetry International wurden auf Anraten von Onclin große Namen aus dem Ausland auf dem Gebiet eingeladen visuelle Umgangssprache, eine besondere Form des Geschichtenerzählens, die aus besonderen Handgesten und Gesichtsausdrücken besteht. Gäste sind die Amerikaner Justin Perez und das Die gehörlosen Zwillinge, oder die schwedischen Schwestern Amina und Jamila Ouahid. Sam: „Justin ist ein großes Talent, ein virtuoser Interpret der visuellen Umgangssprache.“ „Er kann mit seinen Händen, seiner Mimik, seinem Körper eine ganze Geschichte erzählen.“

„Genau wie die Deaf Twins sind sie gehörlose Künstler, die eine Duo-Show geben.“ Sie haben eine wundervolle Zusammenarbeit, in dem, was sie mit ihren Händen machen, in ihrer Geschichte, in ihrer visuellen Leistung. Während man in der gesprochenen Sprache viel mit Intonation, Rhythmus und Reim machen kann, zeigen The Deaf Twins, was man mit Handformen machen kann: sehr schnell oder langsam, sehr groß oder klein. Hinzu kommt ihre Mimikry, mit der Sie die Emotion, zum Beispiel glücklich oder traurig, zeigen können. „Bei The Deaf Twins steckt oft eine Botschaft drin.“

Poesie in GebärdenspracheSonntag, 11. Juni beim Poetry International Festival im Theater Lantaren/Venster, Rotterdam.

Große Namen in Rotterdam

Zur 53. Ausgabe des Poetry International Festival vom 9. bis 11. Juni in Rotterdam kommen Dichter aus den Niederlanden und dem Ausland zusammen, um Gedichte in ihrer eigenen Sprache vorzutragen. Ein großer Name ist in diesem Jahr die Amerikanerin Claudia Rankine, bekannt für ihre Anti-Rassismus-Klassiker. Zu den weiteren Auftritten zählen der Pole Radoslaw Jurczak, die Amerikanerin Ada Limón und der vietnamesisch-amerikanische Transgender-Dichter Paul Tran. Zu Gast sind auch die niederländischen Dichter Ingmar Heytze und Simone Atangana Bekono.



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