Für diejenigen, die nicht an das Märchen von Bitcoin glauben, gibt es jetzt die Zeitmünze

Fuer diejenigen die nicht an das Maerchen von Bitcoin glauben
Peter Wert

Die Schweiz ist das Eldorado der Bankerschaft, auch wenn ihr Image zuletzt durch die Skandale um Schweizer Grossbanken etwas angegriffen wurde. Aber sei nicht traurig. Die Schweizer bauen ein völlig neues Bankensystem auf, in dem nicht Geld, sondern Zeit das Tauschmittel ist.

Wer nicht an das Märchen von Bitcoin oder anderen virtuellen Währungen glaubt, aber auch befürchtet, dass das aktuelle Finanzsystem durch die Anhäufung von Schulden und die bizarren Kaufaktionen der Zentralbanken zusammenbrechen wird, kann dorthin gehen.

Die Bank heißt TimeRepublik und handelt Zeiteinheiten online bzw Zeitmünzen – Zeitmünzen. Zeit kann nicht wie Geld gedruckt werden. Und es hat keine Inflation. Die Website und jetzt auch die App arbeiten seit elf Jahren daran und haben mittlerweile mehr als 100.000 Nutzer in hundert Ländern. Es gibt Niederlassungen in New York und Lugano, Schweiz.

Mit Hilfe von timecoins tauschen Menschen Dienstleistungen untereinander aus, die über das Internet erledigt werden können. Jemand in Österreich bietet vier 15-Minuten-Zeitmünzen an, um Geige zu unterrichten. Jemand in Indien ohne Geld will diesen Unterricht und gibt dafür vier Zeitmünzen von 15 Minuten mit einem Yogakurs.

Es ist eine Form des altmodischen Tauschhandels, aber hauptsächlich für Online-Dienste. Die Vereinbarungen müssen gegenseitig nicht sofort getroffen werden. TimeRepublik versteht sich als ein „zweckorientiertes“ soziales Netzwerk und als eine Bank, die Zeit als Währung betrachtet. Wer eine Leistung erbringt, für die eine andere Person nicht sofort eine Gegenleistung erbringen kann, kann eine Zeitgutschrift erhalten.

TimeRepublik wurde 2012 von den Schweizer Unternehmern Gabriele Donati und Karim Varini gegründet. Der weltweite Durchbruch kam aber erst in den letzten Jahren, als das Phänomen auch in den USA entdeckt wurde und seinen Siegeszug antrat.

Die BBC brachte kürzlich einen Bericht darüber, in dem eine buddhistische Nonne in Malaysia von einer Stylistin in New York den Rat erhielt, sich im Austausch für Meditationsunterricht nach der neuesten Mode zu kleiden. Und wenn der britische öffentlich-rechtliche Sender darauf achtet, wird es schnell zum Hype.

Jeder, der sich anmeldet, erhält ein Guthaben von neun 15-Minuten-Zeitmünzen. Diese können lokal für ganz praktische Jobs wie Nachbars Auto waschen oder ein Dach reparieren, aber auch international für Online-Dienste wie Tanz- oder Matheunterricht vom anderen Ende der Welt ausgegeben werden.

Die Registrierung auf der Website ist kostenlos. Geld verdient TimeRepublik unter anderem dadurch, dass Unternehmen Anzeigen und Übersichten über verfügbare Dienste anbieten, die sie dann über interne Websites ihren Mitarbeitern anbieten können. Nutzer können Dienste einzeln, aber auch als Kollektiv anbieten. Menschen bauen Portfolios auf, starten Projekte und finanzieren Zeit. In Schweizer Augen ist das die Sharing Economy, wie sie sein soll.

Man muss ihm vertrauen, wie allem Geld. Aber der Timecoin ist ohnehin weniger spekulativ als der Bitcoin.



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