Vor den Verhandlungen zum Frühjahrsmemorandum hatte Finanzministerin Sigrid Kaag eine klare Botschaft: Die Zeit der ungedeckten Ausgaben ist vorbei, die Haushaltsdisziplin muss zurückkehren. Die gestiegenen Zinskosten für die Staatsschulden, die teilweise ungedeckte Preisobergrenze bei der Energierechnung, ein unerwartet hoher Zustrom von Asylbewerbern und Entschädigungen für die Groninger Bevölkerung – schließlich sind dies alles Haushaltseinbußen, für die die Koalition Finanzmittel finden musste Abdeckung.
Doch die zwischenzeitliche Anpassung des Staatshaushalts zeigt einmal mehr, dass die Suppe nicht so heiß gegessen wird. Kürzungen und Steuererhöhungen sind unpopulär, daher gehen Politiker diesen Schritt nur, wenn es wirklich nicht anders geht. Problemweitergabe ist immer eine verlockende Perspektive. Dies gilt umso mehr, wenn die Koalitionsparteien darüber streiten, welche Kürzungen und Steuererhöhungen akzeptabel sind.
Die Folge ist ein steigendes Haushaltsdefizit. Laut Budgetmemorandum hatte die Regierung in den Haushaltsjahren 2023-2027 ein durchschnittliches Defizit von 2,3 Prozent. Im neuen Frühjahrsmemorandum sind es 3,1 Prozent. Dadurch wird die Staatsverschuldung schneller steigen und die ohnehin schon gestiegenen Zinskosten werden die Haushalte der nachfolgenden Kabinette noch mehr belasten.
Preisausgleich
Hohe Inflation hilft nicht. Die Tariflöhne für Beamte und Beschäftigte im Gesundheitswesen werden als Preisausgleich deutlich angehoben. Dadurch steigen die staatlichen Arbeitgeberbeiträge jährlich um Milliarden Euro. 2028 rechnet die Regierung mit 7,1 Milliarden Euro mehr für Lohn- und Preiserhöhungen als im Budgetmemorandum veranschlagt.
Die Regierung muss sich nach eigenen Haushaltsregeln nicht sofort um finanzielle Deckung für höhere Lohnkosten bemühen. Die Mehrausgaben werden der Staatsverschuldung hinzugerechnet. Dies gilt auch für einmalige Kosten wie die 4 Milliarden Euro „Ehrenschuld“-Entschädigung an Groningen und die höher als geschätzten Aufnahmekosten für ukrainische Flüchtlinge (1,1 Milliarden Euro extra). Auch diese Ausgaben schreibt die Regierung der Staatsverschuldung zu.
Die (vorerst) ebenfalls einmalige Preisobergrenze für die Energierechnung der Haushalte ist im Frühjahrsmemorandum geregelt. Die Regierung beziffert die Kosten dafür auf 10,7 Milliarden Euro. Knapp die Hälfte davon wurde durch die bereits im Herbst angekündigte Aufhebung der Energiesteuersenkung finanziert. Durch die Abschaffung dieses Steuervorteils spart die Staatskasse 5,4 Milliarden Euro. Die restlichen 5 Milliarden Euro erhält der Staat aus dem Fördertopf für nachhaltige Energie (SDE).
Dieses Kabinett wird nur für wenige Jahre die Rechnung für die gestiegenen Asylaufnahmekosten bezahlen. Die mit dem höher als erwarteten Zustrom verbundenen Asylmehrausgaben (insgesamt 5 Milliarden Euro) sind bis einschließlich 2026 gedeckt. Ab 2027 wurden keine zusätzlichen Gelder reserviert, während es keinen Grund zu der Annahme gibt, dass die Zahl der Asylbewerber sinkt Suchende werden dann abnehmen. Das nächste Kabinett erhält daher von Rutte IV ein zusätzliches finanzielles Risiko.
Höheres Interesse
Die Niederlande zahlen mehr Zinsen auf ihre Staatsschulden, seit die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht hat. Die Regierung schätzt, dass die Zinskosten im Jahr 2028 um 7,4 Milliarden Euro höher sein werden als bisher geschätzt, hat aber nur den Teil (2,5 Milliarden Euro) finanziell gedeckt, der noch in die Amtszeit dieser Regierung fällt. Es ist daher Sache des nächsten Kabinetts, die verbleibenden 5 Milliarden Euro strukturell zu finanzieren. Das finanzielle Bild für die Amtszeit dieser Regierung wurde weiter aufpoliert, indem die Einführung einer fast kostenlosen Kinderbetreuung um zwei Jahre verschoben wurde. Dadurch spart der Staat in den Jahren 2025 und 2026 mehr als 3 Milliarden Euro ein.
Allen Ausgabensteigerungen steht eine strukturelle Ausgabenkürzung in Höhe von 2,1 Milliarden Euro gegenüber. Mindestens eine Milliarde Euro davon ist nicht auf Kürzungen, sondern auf Glück zurückzuführen. So kann das Bildungsministerium einen Geldsegen von 490 Millionen Euro verbuchen, weil die Schüler- und Studentenzahlen künftig geringer ausfallen als geschätzt. Die auch nach Corona anhaltende mysteriöse Übersterblichkeit spart dem Staat jährlich 270 Millionen Euro an AOW-Leistungen.