Fast alle haben es der Ukraine zugesprochen, aber Gareth Bales Wales fährt zur Weltmeisterschaft

Fast alle haben es der Ukraine zugesprochen aber Gareth Bales


Harry Wilson schießt auf das ukrainische Ziel.Bild AP

Natürlich flossen Tränen. Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner aus Wales. Aber die der Verlierer machten etwas mehr Eindruck. Viel mehr als Trauer stand in den Gesichtern der ukrainischen Spieler, die es natürlich bereuten, nicht zur WM nach Katar gegangen zu sein, aber auch um alles andere geweint haben.

Vor allem der ukrainische Kapitän Andrej Jarmolenko wirkte im strömenden Regen in Cardiff untröstlich. Es war sein souveräner, unglücklicher Kopfball ins eigene Tor, der die Ukraine mit 1:0 zurückließ. Er hatte eine weitere Chance zum Ausgleich, aber der Ball ging einfach nicht rein. Dabei blieb es beim 1:0 und damit wird Wales zum ersten Mal seit 64 Jahren wieder bei einer Weltmeisterschaft dabei sein.

Das ist nicht unverdient. Obwohl die Waliser Glück mit dem Tor hatten, das nach einem Freistoß von Kapitän Gareth Bale fiel, hätte die Ukraine einen Elfmeter bekommen müssen. Denn es war zwar ein Unfall, aber Jarmolenko – wieder er – wurde tatsächlich im Strafraum getroffen. Aber auch Wales hatte große Chancen, schoss an den Pfosten und war gegen die Ukrainer einfach nur wagemutig.

Unnachgiebigkeit

Natürlich verdienten sie ihrerseits mehr, viel mehr. Zwar gab es zu Hause auch Kritik an der Entscheidung, in Kriegszeiten Fußball zu spielen, aber diese Mannschaft sorgte vor allem für ein bisschen Hoffnung und Ablenkung. Ermutigt durch Berichte von Frontsoldaten entwickelte sie sich zu einem weiteren Symbol für die Unnachgiebigkeit der Ukraine.

Und das, während ein Großteil der Auswahl dieses Jahr kaum gespielt hat. Nach dem Einmarsch der Russen in das Land musste der Wettbewerb eingestellt werden und Klubs wie Schachtar Donezk und Dynamo Kyiv waren nicht mehr im Einsatz. Die Nationalspieler, die nicht in Westeuropa spielen, trainieren seit dem 30. April auf Einladung von UEFA-Präsident Aleksander Ceferin in Slowenien. Sie hatten nicht mehr als ein paar Trainingsspiele gegen Klubs hinter sich, bevor sie am Mittwoch im ersten Playoff-Spiel gegen Schottland antreten mussten.

Niederlage auf dem Platz in Cardiff.  Bild ANP / EPA

Niederlage auf dem Platz in Cardiff.Bild ANP / EPA

Dieses Spiel wurde trotzdem gewonnen, danach wuchsen nur noch Hoffnungen, aber für Wales stand auch etwas auf dem Spiel. Im Vorfeld des Spiels sagte der große Star Bale, dass zwar alle große Sympathie für die Ukrainer empfanden, es aber am Sonntagabend wirklich ein Fußballspiel gewesen sei. „Wir wollen gewinnen“, fügte er zur Verdeutlichung hinzu.

Waffenfaktor

Unter normalen Umständen wäre der Waffenfaktor wahrscheinlich zugunsten von Wales ausgefallen. Das kleine Fußballland mit rund 3 Millionen Einwohnern steht ebenso wie Schottland und Nordirland fast immer im Schatten des großen britischen Bruders England.

Von den drei britischen Kleinen war Wales am unwahrscheinlichsten, sich für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren: nur einmal zuvor, und das war vor mehr als sechzig Jahren. 1958 war Wales in Schweden dabei, und das allein war schon ein kleines Wunder.

Nach dem Ausscheiden aus der Qualifikationsgruppe bot ein Krieg eine zweite Chance. Aufgrund der Suez-Krise wollten Ägypten, Sudan und Indonesien nicht gegen Israel spielen. Die FIFA erklärte daraufhin Israel zum Sieger ihrer Gruppe, entschied aber auch, dass das Land noch ein Play-off gegen eine der Nummer zwei aus Europa spielen muss. Wales hatte Glück und besiegte Israel.

In Schweden angekommen, erreichte auch Wales das Viertelfinale, wo es gegen den späteren Sieger Brasilien ausschied. Es war 1:0, von Pelé, der sein erstes Länderspieltor im Alter von 17 Jahren erzielte.

Gareth Bale

Damals nahmen nur sechzehn Länder teil, seit 1998 waren es 32, aber Wales konnte sich über all die Jahrzehnte nicht qualifizieren. Großartige Spieler wie Ryan Giggs, Mark Hughes und Ian Rush wurden daher noch nie bei einer Weltmeisterschaft bewundert.

Wenn sich Gareth Bale, der im Juli 33 Jahre alt wird, nicht verletzt, wird er es tun. Mit Real Madrid hat der Angreifer seit 2013 so ziemlich alles gewonnen, darunter fünf Champions Leagues, aber in den letzten Jahren hat er sich vor allem einen Ruf als verwöhnter Star aufgebaut, für den Millionen weit wichtiger waren als Minuten auf dem Platz.

Bale ist zum Symbol für alles geworden, dass zu viel Geld im Fußball nicht stimmt. Dass er zur ärmeren WM nach Katar fährt, passt vollkommen in dieses Bild. Gleichzeitig ist er aber auch der Junge, der für Wales immer aus dem Bett gestiegen ist und sein Land beinahe selbst zur WM geschossen hätte. Gerade wenn es um wenig mehr als Ehre geht, ist Bale in Bestform.



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