EZB erhöht erneut Zinsen, doch Sparer merken es kaum

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EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat im vergangenen Jahr acht Mal die Zinsen angehoben.Bild REUTERS

Mit der Anhebung des Einlagenzinses setzt Frankfurt seinen Kampf gegen die übermäßige Inflation, die im vergangenen Monat in der Eurozone bei 6,1 Prozent lag, entschlossen fort. Analysten gehen davon aus, dass die Geldpolitiker die Zinsen im Juli erneut auf 3,75 Prozent erhöhen werden.

Durch die Unterbindung der Kreditaufnahme und die Förderung des Sparens wollen EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihre Kollegen die Wirtschaft abkühlen. Wenn dadurch weniger Wettbewerb um Waren, Dienstleistungen und Personal entsteht, werden die Preise weniger steigen, so die Idee.

Über den Autor
Daan Balleer ist Wirtschaftsreporter von de Volkskrant. Er schreibt unter anderem über Finanzmärkte und Zentralbanken.

In der Praxis scheint vor allem ein angestrebtes Ziel erreicht zu sein: Die Kreditaufnahme ist für Bürger und Unternehmen deutlich teurer geworden. So liegt der durchschnittliche Hypothekarzins bei über 4 Prozent, während Anfang letzten Jahres viele Eigenheimkäufer noch eine Hypothek für weniger als 1,5 Prozent aufnehmen konnten.

Dies steht im krassen Gegensatz zum begrenzten Anstieg der Zinsen auf Sparkonten. Für sofort abhebbare Guthaben beträgt sie bei den großen niederländischen Banken 1 Prozent. Und das, während die Banken selbst begonnen haben, deutlich mehr Zinsen auf ihre bei der EZB gelagerten Guthaben zu erhalten.

Finanzministerin Sigrid Kaag sagte vor einem Monat im Repräsentantenhaus, sie wünsche sich von den Banken eine Erklärung zu den niedrigen Sparzinsen. „Wir werden ihr in aller Ruhe erklären, was los ist“, antwortet Medy van der Laan, Vorsitzender des niederländischen Bankenverbandes (NVB). „Die Situation ist je nach Bank unterschiedlich und hängt von der Art des Geschäfts ab, das sie betreibt.“ Dies bestimmt letztlich, wie schnell und wie stark eine Bank die Sparzinsen erhöhen möchte. Es ist immer eine individuelle geschäftliche Überlegung.“

Die Niederländer sind es nicht gewohnt, zu wechseln

Andernorts in Europa drohen Politiker mit einem Eingreifen. In Belgien forderte Premierminister Alexander De Croo kürzlich, dass die Banken ihre Sparzinsen kurzfristig erhöhen sollten, andernfalls werde die Regierung Maßnahmen ergreifen. Eine der Ideen der Koalitionsparteien ist, dass der Sparzins nicht mehr als 2 Prozentpunkte unter dem EZB-Zinssatz liegen soll. Jetzt läge dieses Minimum bei 1,5 Prozent.

Unzufriedene Kunden seien nicht verpflichtet, bei ihrer Bank zu bleiben, betont Van der Laan. „Nur die Niederländer sind es nicht gewohnt, die Bank zu wechseln.“ Ich habe es selbst ein paar Mal in meinem Leben gemacht. Es ist ganz einfach, man muss sich nur trauen und es tun. Es gibt Plattformen, auf denen man mit wenigen Klicks ein Konto bei einer europäischen Bank eröffnen kann, die einen deutlich höheren Zinssatz bietet. Bis zu 100.000 Euro fallen Sie unter die Einlagensicherung des jeweiligen Landes.“

„Sie können jetzt 2,3 Prozent Zinsen auf ein frei abhebbares Sparkonto bei Renault Bank und Scalable Capital erhalten“, sagt Amanda Bulthuis von der Vergleichsseite Geld.nl. „Wer bereit ist, sein Erspartes für drei Jahre auf eine Einlage zu legen, kann bei der Haitong Bank aus Portugal sogar 4,05 Prozent Zinsen bekommen.“

Bemerkenswert entspannt

Es ist eine bemerkenswert entspannte Haltung des Branchenverbandes NVB, dass die großen niederländischen Banken problemlos mit weniger Ersparnissen auskommen könnten. „Für die Verbraucher ist es gut, dass es Preiskämpfer gibt, die höhere Zinsen anbieten, aber solange sie nicht massenhaft Kunden übernehmen, werden die Großbanken tatsächlich nicht in Panik geraten“, sagt ING-Ökonom Teunis Brosens.

Die Banken hätten derzeit genug Ersparnisse, um ihre ausstehenden Kredite zu finanzieren, erklärt er. „Für jeden Euro an Bankguthaben hat der niederländische Bankensektor einen Euro an ausstehenden Krediten.“ Wenn man fünfzehn Jahre zurückblickt, waren das eineinhalb Euro an Krediten. Der Sparbedarf war damals also größer, und das konnte man auch an den Zinsen ablesen.“

Allerdings möchte Brosens einschränken, dass die Banken die Hypothekenzinsen schnell an die geänderte EZB-Politik angepasst hätten, nicht aber die Sparzinsen. „Der höhere Zinssatz gilt für neue Hypotheken, während sich für die meisten bestehenden Hypothekendarlehen nichts geändert hat.“ Somit stiegen die Erträge der Banken nur bei einem Teil des Kreditportfolios. Eine Erhöhung des Sparzinses hingegen gilt sofort für alle Ersparnisse bei einer Bank.



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