Das Europäische Parlament hat normalerweise das Image, grüne Vorschläge mit noch höheren Ambitionen zu übertrumpfen, aber bizarre Energiepreise und eine explodierende Inflation treiben die Volksvertreter auf die Bremse. Sie erkennen, dass die Bürger keine Steuererhöhungen mehr dulden können.
Letzten Sommer hat EU-Kommissar Frans Timmermans den Mega-Klimaplan Fit for 55 auf den Weg gebracht. Der größte Schmerzpunkt ist der Plan, Öl- und Gasproduzenten für CO2-Emissionsrechte bezahlen zu lassen. Infolgedessen werden Autofahrer mit einer Steuererhöhung von 12 bis 14 Eurocent pro Liter an der Zapfsäule belastet, erwartet die niederländische Umweltprüfungsbehörde in einer Berechnung. Hausbesitzer müssten 2030 mit einer Erhöhung um 10 Cent pro Kubikmeter Gas rechnen.
Ausnahme für Haushalte
Ganz gegen den Willen von Timmermans will nun eine große Mehrheit des Europäischen Parlaments Haushalte ausnehmen. „Wenn die Leute schon 2,59 Euro für einen Liter an der Zapfsäule bezahlen müssen, dann sind 5 Cent aus Europa schon zu viel verlangt“, sagt CDA-Abgeordnete und Klimachefin Esther de Lange. Obwohl es technisch nicht möglich ist, Haushalte und nicht Unternehmen zu verschonen, würde dies dem Parlament ein wichtiges Signal für die Verhandlungen mit Brüssel und den Mitgliedstaaten senden.
Dieses Signal kommt vorerst noch nicht. Am Mittwoch, mitten in der Abstimmung, gab es in Straßburg eine seltene politische Intrige. Normalerweise verabreden sich Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale im Hinterzimmer. Doch trotz monatelanger Verhandlungen war die Einheit plötzlich schwer zu finden. Ein Frontalangriff auf die Industrie ging der rechten Parlamentsflanke zu weit. Konkret geht es um einen Vorschlag der Linken, die kostenlose Entnahme von Emissionsrechten unter anderem von Stahlherstellern zu beschleunigen. Eine Mehrheit stimmte dagegen.
Krisenberatung zu den Klimaplänen
Nach minutenlangen Krisenberatungen revanchierten sich Sozialdemokraten und Grüne emotional, indem sie den gesamten Emissionsplan ablehnten. „Besser kein Vorschlag als ein schlechter Vorschlag“, niest PvdA-Abgeordneter und Protagonist Mohammed Chahim. „So erreichen wir die Klimaziele nicht.“ Das Parlament muss nun an einem neuen Kompromiss arbeiten. Wegen der Korrelation liegen derzeit drei Klimadossiers „ihrer“ Timmermans auf Eis: die CO2-Grenzabgabe, der Ausbau von Emissionsrechten und die Einführung eines Klimafonds.
Aus allen großen politischen Familien ist zu hören, dass die Idee der Haushaltsschonung intakt bleiben wird. Das Parlament hat am Mittwoch über die Zukunft von Neuwagen abgestimmt: Ab 2035 dürfen nur noch emissionsfreie Elektro- und Wasserstoffautos verkauft werden. Für Fans von lautem Motorenlärm gibt es gute Nachrichten: Das Parlament will vorerst eine Ausnahme für Kleinwagenhersteller wie Lamborghini und Ferrari.
Verhandlungsführer und VVD-Abgeordneter Jan Huitema erwartet, dass diese Verpflichtung für die Autoindustrie den Verbrauchern hilft: „Der Kaufpreis ist derzeit oft noch zu hoch. Als Folge dieser Gesetzgebung werden die Preise für Elektroautos und Wasserstoffautos sinken und ein Gebrauchtwagenmarkt wird sich schneller öffnen.“
Unterstützung gab es in Straßburg auch für den Plan, ab 2025 den Fluggesellschaften den Kauf von CO2-Emissionsrechten für alle Flüge zu ermöglichen. Derzeit ist ein Großteil dieser Rechte noch frei. Die Chancen stehen gut, dass die Steuererhöhung über teurere Flugtickets weitergegeben wird.
Die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und Brüssel können erst beginnen, wenn das Parlament Stellung bezogen hat. Stimmen sie dann zu, können die Klimapläne eingebracht werden.