Trotz des Ausbleibens groß angelegter Angriffe von ukrainischer Seite ist das Land für die lang erwartete Frühjahrsoffensive bereit. So sagt der ukrainische Präsident Wolodomir Selenskyj in einem Interview mit Das Wall Street Journal. Er fügte hinzu: „Um ehrlich zu sein, könnte es unterschiedlich verlaufen. Aber wir werden es schaffen und wir sind bereit.“
Mit seinen Äußerungen scheint Selenskyj den Druck auf die Russen aufrechterhalten zu wollen. Gleichzeitig mit seinem Interview mit der Washington Post sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Wolodymyr Hawrylow gegenüber Reuters, dass die Pläne für die Frühjahrsoffensive „auf dem richtigen Weg“ seien.
Die Aussagen erfolgen, während Russland seit Wochen fast ununterbrochen große ukrainische Städte wie Kiew angreift. Auch andernorts richteten die russischen Luftangriffe Schäden an. Ein großes Munitionsdepot wurde vermutlich teilweise zerstört. Auch ein Militärflughafen in der Westukraine wurde angegriffen. Dabei seien fünf Flugzeuge zerstört worden, räumte Kiew ein.
Die Frage, wann und wie die Ukraine wie erwartet massenhaft zurückschlagen wird, schwebt seit Wochen über dem Markt. Ende April sagte Nato-Chef Jens Stoltenberg, dass „98 Prozent“ aller Kampffahrzeuge, darunter 230 Panzer und „riesige Mengen“ Munition, in die Ukraine verschifft worden seien. Die Russen wissen das: Es wurden großflächige Verteidigungslinien mit Schützengräben und Minenfeldern errichtet.
Aus den strategischen Luftangriffen, die Kiew durchführt, ist nicht klar, wo sie angreifen werden. Das ist in Kombination mit den wiederholten Ankündigungen einer Frühjahrsoffensive wohl Teil der Taktik: Wenn sich der Angreifer nicht auf einen Punkt konzentriert, kann es auch der Verteidiger nicht.
„Die Idee besteht darin, viele Dilemmata für die russische Befehlskette zu schaffen“, sagte der britische Verteidigungsexperte Mike Martin Financial Times. „Probleme, wie etwa ein feindlicher Durchbruch in einer Frontlinie, konzentrieren die Aufmerksamkeit.“ Dilemmata lähmen sie.‘
Abel Bormans