Nächste Woche findet in Brüssel ein europäischer Gipfel statt, bei dem es unter anderem um die EU-Mitgliedschaft und die finanzielle Unterstützung der Ukraine geht. Kann Kiew noch auf die EU zählen?
Die russische Invasion in der Ukraine führte im Jahr 2022 zu einer Wiederbelebung des Westens. Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten wussten wieder, wofür sie standen: für Demokratie und Menschenrechte, gegen die Aggression und Autokratie von Wladimir Putins Russland.
Jetzt, mehr als eineinhalb Jahre später, ist alles ganz anders. Die Unterstützung der Ukraine ist sowohl in den USA als auch in der Europäischen Union in Gefahr. In Washington sind die Republikaner obstruktiv, in der EU lehnt Ungarn sowohl eine erneute Unterstützung der Ukraine als auch die Aufnahme von Verhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft ab.
Die Position der Zeitung wird im Volkskrant-Kommentar zum Ausdruck gebracht. Es ist das Ergebnis einer Diskussion zwischen den Kommentatoren und dem Chefredakteur.
Auf beiden Seiten des Atlantiks gibt es immer noch reichlich Unterstützung für die Ukraine. In der EU unterstützen 25 der 27 Mitgliedstaaten Kiew. Lediglich die Slowakei und insbesondere Ungarn sind hinderlich. Dennoch sind die Probleme ernst. In Amerika und Europa nagt der Populismus an der Unterstützung für finanzielle und militärische Hilfe für die Ukraine. Und in beiden Fällen bedeutet die politische Konstellation, dass eine populistische Minderheit eine Blockade errichten kann.
Der ungarische Premierminister Viktor Orbán ist seit Jahren ein Problem für die EU. Während er in vollem Umfang von europäischen Subventionen profitiert, missachtet er die europäischen Werte der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Nun droht er auch damit, die Außenpolitik der Union zu sabotieren. Kürzlich stattete er Putin in Moskau einen Freundschaftsbesuch ab.
Leider scheinen auch die großen Mitgliedsstaaten es nicht zu schaffen, Orbán zu disziplinieren. Ein Abendessen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron brachte am Donnerstag keinen Erfolg. Von Bundeskanzler Olaf Scholz ist hierzu nichts zu hören. Nun wird es wohl zum europäischen Gipfel kommen, nächsten Donnerstag und Freitag in Brüssel. Ein doppeltes „Nein“ zu Kiew – zur finanziellen Unterstützung und zur Aufnahme von Verhandlungen – wäre ein historisches Fiasko.
An sich ist eine Verzögerung der Verhandlungen nicht katastrophal, denn der Beitritt ist ein Prozess, der durchaus zehn Jahre dauern kann. Darüber hinaus werden 25 Mitgliedsstaaten Wege finden, die Ukraine über die Slowakei und Ungarn hinaus weiterhin finanziell und militärisch zu unterstützen.
Doch der politische Schaden eines doppelten „Neins“ ist enorm. Die Aufnahme von Verhandlungen ist ein wichtiger symbolischer Schritt, der zeigt, dass die Ukraine zu Europa gehört. Das Fehlen einer Einigung über finanzielle und militärische Hilfe sorgt für Unsicherheit in Kiew und bestärkt Putin in seiner Überzeugung, dass Russland die längste Chance hat.
Für die Europäische Union ist ein doppeltes „Nein“ eine politische Schande. Jeder Anspruch, ein geopolitischer Akteur zu werden, könnte aufgegeben werden, wenn es nicht zu einer Einigung in dieser für Frieden und Sicherheit in Europa so wichtigen Frage kommt.
Moralisch gesehen haben die USA und die EU bereits Schaden erlitten. Die Unterstützung eines Landes, das um sein Überleben kämpft, darf nicht zur Grundlage für politischen Kuhhandel auf beiden Seiten des Ozeans werden. Dafür ist der Moment zu ernst.