Die Durchführungsorganisation ist für die höhere Zahl von Asylsuchenden, die in die Niederlande kommen, nicht gerüstet. Dadurch verlängern sich die Wartezeiten. Diese haben zuletzt zu Protesten in mehreren Notunterkünften geführt.
„Es gibt viele Faktoren, die zu den Unruhen beitragen“, sagt Sander Schaap vom niederländischen Flüchtlingsrat. „Aber am wichtigsten ist die Ungewissheit darüber, wann das Asylverfahren beginnt. Die Menschen wissen nicht, wo sie stehen, und erhalten kaum Informationen darüber. Die Zustände in der Notunterkunft sind äußerst ausweglos: Die Menschen dürfen nicht arbeiten, haben wenig zu tun und kaum Privatsphäre. Das mag erträglich sein, wenn man weiß, wie lange man warten muss, aber das ist oft unklar.“
Acht Monate
Im Durchschnitt dauert es drei Monate, bis Asylsuchende ihre erste Anhörung im Asylverfahren haben, berechnete die IND im vergangenen Monat. Davon gibt es jedoch große Ausnahmen, wie aus Geschichten von Bewohnern der Notunterkunft in Zuidbroek, Groningen, hervorgeht de Volkskrant erzählen.
Einige hätten erst diese Woche ihr erstes Vorstellungsgespräch, mehr als acht Monate nach ihrer Ankunft in den Niederlanden. Diese lang erwartete Anhörung wurde einige Tage im Voraus aufgrund eines „Verwaltungsfehlers“ abgesagt, so das Informationsschreiben des IND. Die Asylbewerber wissen nicht, was los ist und sagen, sie hätten keine weiteren Informationen darüber erhalten.
„Die Leute verstehen das System nicht mehr“, sagt Schaap vom Rat für Flüchtlinge. „Sie sehen Bewohner, die später hereingekommen sind, und kommen früher ins Gespräch.“ Ausgangspunkt sei, dass Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs in den Niederlanden bearbeitet würden, betont das IND. Davon kann aber „aus logistischen Gründen“ abgewichen werden.
Die Krise bei der Asylaufnahme führt auch zu organisatorischen Problemen für das IND, stellt Refugee Work fest. Da Asylsuchende oft von Notunterkunft zu Notunterkunft ziehen müssen, ist nicht immer klar, wo sie sich aufhalten. Die Einladung zur Anhörung wird nur per Brief verschickt und kommt nicht an der richtigen Stelle an. „Dann ist das Treffen geplant, aber niemand kommt“, sagt Schaap.
Normalerweise muss das IND innerhalb von sechs Monaten über einen Asylantrag entscheiden. Aufgrund der gestiegenen Zahlen wurde dieser Zeitraum bereits im vergangenen Jahr auf 15 Monate verlängert. Aber auch dies gelingt der durchführenden Organisation nicht immer. Derzeit warten fast dreitausend Asylsuchende und Familienangehörige seit mehr als fünfzehn Monaten auf Klarheit. Vor einem halben Jahr waren es noch tausend.
„Ganzes System aus dem Gleichgewicht“
Bis zu ihrer Entscheidung müssen nun mehr Asylsuchende länger in der Unterkunft leben. „Es gibt bereits eine Aufnahmekrise“, sagt Schaap, „aber allein der Rückstand beim IND wird noch viel länger dauern. So läuft das in der Asylkette: Wenn es an einer Stelle ein Problem gibt, gerät in den Folgejahren das ganze System aus dem Gleichgewicht.“ Gelingt es dem IND, den Rückstand schnell aufzulösen – was nicht zu erwarten ist –, müssen die Kommunen deutlich mehr Genehmigungsinhaber aufnehmen. Und das ist wegen des Mangels an Sozialwohnungen schwierig.
Laut IND ist mehr Personal kurzfristig keine Lösung. Bis ein Mitarbeiter Gespräche führen und selbstständig Entscheidungen treffen kann, vergehen durchschnittlich neun bis zwölf Monate. Sie müssen zudem intensiv von erfahrenen Mitarbeitern betreut werden, die ihre Zeit nun gut für die eigene Arbeit nutzen können. Die steigenden Zahlen erhofft sich die Durchführungsorganisation durch eine effizientere Bearbeitung von Asylanträgen von Menschen aus Ländern wie Syrien und dem Jemen, da diese ohnehin gute Chancen auf Bewilligung haben.
Mehr Asylsuchende
Das Zentralamt für Statistik gab am Dienstag die Asylzahlen für dieses erste Quartal bekannt: Im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Vorjahres kamen 7 Prozent mehr Asylbewerber in die Niederlande. Laut einer Prognose, die Mitte April den Medien zugespielt wurde, werden in diesem Jahr deutlich mehr Menschen erwartet als im Vorjahr: zwischen 67 und 76 Tausend. Das Kabinett arbeitet noch an einer Lösung der Probleme in der Asylkette.