Die Wähler halten Migration für ein großes Problem, misstrauen jedoch der möglichen Lösung

Die Waehler halten Migration fuer ein grosses Problem misstrauen jedoch

Das „Country First“-Gefühl erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Dies wirft ein schlechtes Licht auf die Mehrausgaben der EU.

Pieter Klok

Jetzt, wo die Zinsen steigen und die Kreditaufnahme nicht mehr kostenlos ist, kommt es bei den Verhandlungen über den EU-Haushalt zu den klassischen Spannungen zwischen Nord- und Südeuropa. Die Europäische Kommission will für die nächsten vier Jahre 99 Milliarden Euro zusätzlich, was jedoch auf heftigen Protest stößt. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte die Kommissionsvorschläge „eine schlechte Karikatur“ und drohte, keinen Beitrag zu leisten.

Die Meinungsverschiedenheit weckt Erinnerungen an die frühen Jahre des vergangenen Jahrzehnts. Griechenland geriet daraufhin in große finanzielle Probleme und benötigte die Unterstützung anderer Mitgliedstaaten. Sie überquerten die Brücke sehr langsam. Die nördlichen Mitgliedstaaten empfanden es als ungerecht, für das Leid der ihrer Meinung nach verschwenderischen südlichen Länder aufkommen zu müssen.

Griechenland war erst wirklich gerettet, als EZB-Präsident Mario Draghi sagte, er werde alles tun, um den Euro zu retten. Er öffnete den Geldhahn weit, was dazu führte, dass die Zinsen schnell sanken und bis zum Sommer 2022 niedrig blieben.

Die Position der Zeitung wird im Volkskrant-Kommentar zum Ausdruck gebracht. Es ist das Ergebnis einer Diskussion zwischen den Kommentatoren und dem Chefredakteur.

Dieser niedrige Zinssatz machte es Nord- und Südeuropa in den folgenden Jahren plötzlich viel einfacher, eine Einigung zu erzielen. Mit der Verabschiedung des europäischen Mehrjahreshaushalts (2021-2027) im Jahr 2020 beschloss die EU gleichzeitig – als Reaktion auf die Corona-Pandemie – die Schaffung eines Konjunkturfonds in Höhe von 750 Milliarden Euro. Zu diesem Zweck wurde gemeinsam Geld am Kapitalmarkt geliehen. Ein historischer Schritt.

Die Mitgliedstaaten beschlossen, den Haushalt in der Zwischenzeit nicht neu zu verhandeln. Das ging zwei Jahre lang gut, doch diesen Sommer zeigte sich, dass die EU mehr Geld braucht. Aufgrund der Zinserhöhungen in den letzten anderthalb Jahren sind auch die Zinskosten für die Sanierungsmilliarden rasant gestiegen. Allein dafür sind fast 20 Milliarden Euro zusätzlich nötig. Allerdings ist der überwiegende Teil der benötigten 99 Milliarden Euro für die Ukraine bestimmt (50 Milliarden). Für die Bekämpfung der Migration werden laut Kommission weitere 15 Milliarden Euro benötigt.

Die Mitgliedstaaten waren unangenehm überrascht. Aufgrund der steigenden Zinsen müssen sie auch selbst den Gürtel enger schnallen – unter anderem, um Brüssel freundlich zu halten – was die Mehrausgaben unangenehm macht. Warum fängt die Kommission die Rückschläge nicht auch im eigenen Haushalt auf? Die Niederlande und Deutschland führen den Widerstand an, unterstützt von Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland.

Die EU sieht wenig Spielraum. Zwei Drittel des Budgets werden für Agrarsubventionen und Subventionen für arme Regionen ausgegeben. Die meisten Zusagen wurden bereits gemacht. Auch in Süd- und Osteuropa ist die Kürzung dieser Subventionen eine schlechte Nachricht.

Es hilft auch nicht, dass die Anti-EU-Stimmung zunimmt, wofür die Ergebnisse der niederländischen Parlamentswahlen der jüngste Beweis sind. Das „Land zuerst“ und „Menschen zuerst“-Gedanke erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Dies wirft ein schlechtes Licht auf die Mehrausgaben der EU.

Gerade in der Migrationspolitik ist das sicherlich schmerzhaft. Die niederländischen Wähler halten Migration für das größte Problem. Gleichzeitig misstrauen sie der notwendigen europäischen Zusammenarbeit zur Bewältigung dieses Problems: einer besseren Überwachung der europäischen Grenzen und Vereinbarungen mit den Nachbarländern über die Aufnahme in der Region. Dieser EU-Ansatz kostet zwar Geld, viele Milliarden, ist aber billiger als die Aufnahme von Migranten hier.

Nun droht auch die Hilfe für die Ukraine in Gefahr zu geraten, während wirtschaftliche Unterstützung und ein möglicher schneller Wiederaufbau vor allem im Interesse Europas selbst liegen. Das sehen zwar fast alle Mitgliedsstaaten, aber es wäre nicht das erste Mal, dass gegenseitige Widersprüche einer vernünftigen Politik im Wege stehen.



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