Die unblutigste Form eines dreifachen Beifalls, den Sie je gehört haben

Die unblutigste Form eines dreifachen Beifalls den Sie je gehoert
Aaf Brandt Corstius

Es ist Budgettag und das Königliche Theater Den Haag wurde in einen Ridderzaal umgewandelt, da der echte Ridderzaal gerade renoviert wird. Jemand erzählt mir, dass auf den regulären Theatersitzen ein Dielenboden verlegt wurde, damit alles genauso arrangiert werden konnte wie im Ridderzaal. Auf dem erhöhten Boden sind Ritterstühle und Ritterthrone aufgestellt, außerdem hängen Rittervorhänge.

Das Einzige, was nicht ritterlich ist, ist, dass jedes pompöse Kommen und Gehen – und davon gibt es einige – einen extrem lauten Lärm macht. Beim Einzug der königlichen Familie schweigt das Publikum. Doch dann hört man das laute „Klimpern, Klirren, Klirren“ von Absätzen und ledernen Herrenschuhen auf dem provisorischen, hohlen Boden, unter dem Theatersitze versteckt sind.

Das andere, was mir klanglich plötzlich auffällt, ist das „Hurra, hurra, hurra“, das nach der Rede des Königs folgt. Wenn man live dabei ist, klingt es wie die blutleerste Form eines Drei-Prost-Rufes, die man je gehört hat. Wie ein depressiver Mensch, der von seiner Familie gezwungen wird, einen Geburtstag zu feiern. ‚Hurra. Hurra. Hurra.‘

Ich sitze neben einem Journalisten, der mir sagt, dass er herkommt Top-Haar Ist. Da nur zehn schreibende Journalisten im Raum sind, muss ich ihn falsch verstanden haben. Vielleicht ist er etwas Zu paaren wird genannt? Oder Topmanager? Ein Magazin über Spitzenleute?

Wenn ich kurz vor der Zeremonie feststelle, dass ich keinen Stift dabei habe („Du hattest einen Job,Brandt Corstius‘, murmele ich), kann ich mir eines vom Journalisten ausleihen? Top-Haar. Oder Zu paaren. „Aber dann muss das Wort ‚Friseur‘ in Ihrer Kolumne mindestens einmal vorkommen“, sagt er.

Er ist also wirklich von der Friseurzeitschrift Top-Haar. Der Grund: Jedes Jahr am Budget Day schneiden MBO-Friseurstudenten Abgeordneten und Ministern die Haare, und das gibt es Top-Haar etwas melden.

„Robbert Dijkgraaf hat sich heute auch die Haare schneiden lassen“, sagt der Journalist Top-Haar. „Ich sagte zu ihm: ‚Dann schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe: Dir werden die Haare zum Budget Day geschnitten und du triffst MBO-Studenten!‘“

Ich stimme zu, dass man damit definitiv zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Zugegebenermaßen zwei sehr konkrete Fliegen, die eigentlich nur für Robbert Dijkgraaf einen wirklich guten Schlag darstellen, aber dennoch.

Der König spricht. Über seine königliche Lesebrille wurde in den letzten 24 Stunden viel geschrieben, getwittert und natürlich wurde auch ein Hema-Werbespot gedreht. Besonders wundert mich, dass er (56) erst jetzt eine Lesebrille braucht.

„Vielleicht konnten sie die Buchstaben für ihn wirklich nicht noch größer drucken“, sagt der Journalist Top-Haar. Der König hofft, dass wir bis 2040 eine rauchfreie Generation haben werden – ich weiß nicht, ob das auch für das Königshaus gilt – und er sagt, wir hätten „ein auf den ersten Blick attraktives Land“.

Dann ist es geschafft und alle – Abgeordnete, Minister, Familie – gehen zum Repräsentantenhaus. Zwei Männer stehen an der Rolltreppe, die zur Kammer führt, und beobachten die Outfits. Ein paar lustige Hüte. Gott sei Dank. „Unholländisch“, sagt einer zum anderen. „Das ist gut“, fügt er sicherheitshalber hinzu.

Sigrid Kaag (D66) überreicht das Haushaltsmemorandum an Kammerpräsidentin Vera Bergkamp. Sie sind alle da Haftnotizen auf dem dicken Blatt Papier, und Kaag legt beim Überreichen noch schnell ein paar zusätzliche A4-Seiten darauf, wie eine Studentin, die gerade noch rechtzeitig ihre Hausarbeit abgibt, noch warm von der Copyrette.

Vera Bergkamp zeigt dem Repräsentantenhaus das Buch. „Wow“, sagt ein Abgeordneter zutiefst ironisch. „Ich habe nicht gesehen, wer das war, aber ich werde es herausfinden“, sagt Bergkamp.

Die Rituale sind vorbei, die Drinks im fluoreszierenden Saal können fast beginnen. Lisa van Ginniken (D66) läuft in Strumpfhosenfüßen durch die Kammer. Ihre Schuhe sind nirgends zu sehen. Ein anderer Abgeordneter deutet auf ihre Füße. „Koteletts“, erklärt Van Ginniken.

Ich finde ein Land, in dem ein Transgender-Abgeordneter am Budget Day in Strumpfhosen durch das Repräsentantenhaus läuft, ein attraktives Land. Nicht einmal auf den ersten Blick.

Aaf Brandt Corstius berichtet einmal pro Woche auf seine ganz eigene Art über eine politische Debatte in Den Haag.



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