Die Schlussfolgerung, dass der Aufkauf von Viehbetrieben keinen Sinn macht, ist ein Trugschluss

Die Schlussfolgerung dass der Aufkauf von Viehbetrieben keinen Sinn macht


Dutzende Traktoren blockierten am Freitag den Haupteingang des Dämmstoffunternehmens Rockwool in Roermond.Bild Marcel van Hoorn / ANP

Finanzministerin Sigrid Kaag hat am Freitag die mathematische Denkübung ihrer Beamten an das Abgeordnetenhaus gesandt. Das Ergebnis der Berechnung ist, dass auf mehr als 90 Prozent des niederländischen Territoriums keine neuen wirtschaftlichen Aktivitäten stattfinden können, wenn der niederländische Viehbestand (die Hauptursache des Stickstoffüberschusses) auf Null reduziert wird.

Auf den ersten Blick ist das ein Fazit zum Verzweifeln. Schließlich strebt das Kabinett nicht die vollständige Abschaffung der Tierhaltung an. Die Politik geht von einer Reduzierung der Zahl der Nutztiere um etwa 30 Prozent aus. Wenn also der größte Teil des Landes „gesperrt“ bleibt, wenn in den Niederlanden keine Kuh, kein Huhn oder kein Schwein mehr herumläuft, ist eine Verringerung um 30 Prozent natürlich völlig unzureichend. Die Beamten von Kaag stellen zwar fest, dass es für die Erteilung von Genehmigungen kaum einen Unterschied macht, ob das Kabinett keine Stickstoffpolitik verfolgt oder die bestehende Stickstoffpolitik fortsetzt.

Denn die Beamten nehmen eine Bedingung für die Erteilung von Genehmigungen als Richtschnur. Diese Bedingung ist, dass sich im Umkreis von 25 km um das zu genehmigende Bauvorhaben (zB Häuser, Straßen oder Viehställe) kein gefährdetes Naturgebiet befinden darf, das unter den zusätzlichen Stickstoffemissionen leiden könnte. Und in den dicht besiedelten Niederlanden ist ein solches bedrohtes Gebiet fast immer in dieser Entfernung, selbst wenn die aktuelle Stickstoffpolitik das angestrebte Ergebnis im Jahr 2030 erreicht.

Das Rechenergebnis ist Wasser auf die Mühlen unzufriedener Landwirte und ihrer politischen Vertreter PVV, FvD, BVNL, JA21 und BBB. Diese Parteien führen derzeit einen Wahlkampf mit dem Ziel, die Stickstoffreduktionsziele deutlich aufzuweichen. In einem gemeinsamen Stickstoffplan plädieren JA21 und BBB unter anderem für eine Halbierung der Zahl der Naturschutzgebiete und eine Anhebung des Schwellenwerts für Stickstoffemissionen bei der Genehmigungserteilung – ein Weg, den das oberste Verwaltungsgericht bereits geschlossen hat.

Irrtum

Doch wer auf Basis dieser Rechenaufgabe schlussfolgert, dass Aufkäufe und eine nachhaltigere Gestaltung von Nutztierhaltungen keinen Sinn machen, begeht einen Trugschluss. Erstens ist der Zweck der europäischen Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie nicht die Erleichterung von Bautätigkeiten, sondern der Schutz der Natur. Die Natur profitiert sicherlich von der Reduzierung der Massentierhaltung.

Wenn die aktuellen Regierungspläne umgesetzt werden, werden 80 Prozent der niederländischen Natur bis 2030 nicht mehr unter einem Stickstoffüberschuss leiden. Derzeit liegen nur 30 Prozent der sensiblen Natur unterhalb der kritischen Grenze. Vorausgesetzt, dass die Regierungspolitik richtig umgesetzt wird, kann sich ein großer Teil der geschädigten Natur schließlich erholen.

Dass immer noch 20 Prozent der Natur überlastet sind, muss für die Genehmigungserteilung nicht fatal sein. Die Wirtschaftsprüfer erkennen in ihrem Memorandum an, dass es sich um eine rein modellbasierte Berechnung handelt, die die gerichtliche Interessenabwägung nicht berücksichtigt. Es ist unwahrscheinlich, dass ein niederländisches Gericht der Regierung vorschreiben wird, das Unmögliche zu tun. Immerhin zeigt die Berechnung, dass ein kleiner Teil der Natur auch nach extremen Maßnahmen (keine Viehhaltung mehr in den Niederlanden) überlastet bleibt.

Etwa 85 Prozent dieser Überlastung werden durch Stickstoff verursacht, der aus den Nachbarländern eindringt, und durch das mysteriöse „Ammoniak aus dem Meer“, eine noch unbekannte Stickstoffquelle, die an der Küste für Probleme sorgt. Die Regierung hat keinen Einfluss auf Stickstoffemissionen im Ausland und unklarer Herkunft, daher ist es für das Gericht schwierig, die niederländische Regierung für diese Naturschäden verantwortlich zu machen.

Prügel

Dass Gerichte seit 2019 konsequent gegen die nationale Regierung, Provinzen und Kommunen in Stickstofffällen entschieden haben, ist vor allem eine Strafe dafür, dass die Niederlande ihre Naturschutzverpflichtung bisher vollständig verloren haben. Was das europäische Recht verlangt und die Richter sehen wollen, ist, dass die Regierung den Naturschutz endlich ernst nimmt. Das bedeutet eine erhebliche, dauerhafte Verringerung des nationalen Stickstoffeintrags im zweistelligen Prozentbereich, und das ist einfach erreichbar.

In einem weiteren Memorandum stellen die Beamten klar, dass die Reduzierung des Viehbestands auch aus anderen Gründen notwendig ist. Kühe produzieren viel Methan, ein starkes Treibhausgas. Um die gesetzlich geforderten Klimaziele zu erreichen, ist also weniger Vieh nötig. Weniger Tierdung zu produzieren und weniger Kunstdünger zu verwenden ist notwendig, um die ebenso verbindlichen europäischen Vorschriften für die Wasserqualität einzuhalten.

Bauernverbände und politische Parteien, die sich der intensiven Landwirtschaft verschrieben haben, weisen oft darauf hin, dass die Wiederherstellung der Natur nicht allein von der Stickstoffreduzierung abhängt. Dies erfordert oft auch andere politische Maßnahmen. Das stimmt, mindert aber nicht die Notwendigkeit einer landwirtschaftlichen Umstellung.

Andererseits. Auch die Natur leidet unter der Austrocknung durch den Klimawandel. Intensive Landwirtschaft verbraucht in trockenen Sommern viel Grund- und Oberflächenwasser und lässt weniger für durstige Pflanzen übrig. In vielen Regionen halten Wasserverbände den Grundwasserspiegel für die Landwirtschaft auf Kosten der angrenzenden Natur niedrig.

Darüber hinaus wird in zahlreichen politischen Memoranden festgestellt, dass die niederländische Natur zu fragmentiert ist. Naturräume würden robuster, wenn sie erweitert und miteinander verbunden würden. Das geht aber nur, wenn landwirtschaftliche Flächen geopfert werden, denn die Grundstücke neben den zu erweiternden Naturgebieten sind in der Regel landwirtschaftliche Grundstücke. Und zu guter Letzt Ist die Massentierhaltung ein Risiko für die öffentliche Gesundheit? Denken Sie an Q-Fieber und die Vogelgrippe, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können. Kurz gesagt, Stickstoff ist nur eines der Probleme, mit denen die intensive Landwirtschaft in den Niederlanden zu kämpfen hat.



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