Es klingt fast verzweifelt. „Seit letztem Sommer führen wir die gleiche Debatte mit dem Außenminister“, seufzt PvdA-Abgeordnete Kati Piri. Am Mittwochmorgen geht es im Repräsentantenhaus erneut um die Frage, wie Eric van der Burg (Asyl und Migration, VVD) verhindern will, dass Asylsuchende auch in diesem Sommer wieder im Gras schlafen müssen.
Die ehrliche Antwort lautet: Er weiß es noch nicht. Er hat dem Bürgermeister der Gemeinde Westerwolde, zu der auch Ter Apel gehört, versprochen, dass sich die Szenen des letzten Jahres nicht wiederholen werden. Sollte das Antragszentrum in Ter Apel seine Kapazität von 2.000 Plätzen zu überschreiten drohen, werden Asylsuchende an einen anderen Ort verlegt.
Letztes Jahr handelte es sich nach vielen Bitten um eine inzwischen abgerissene Notunterkunft in Zoutkamp. Im Moment sind das 500 Plätze in einer Veranstaltungshalle in Breda. Sie bleiben aber sechs Wochen lang bestehen und können nach dem 23. Mai aufgehoben werden. Van Burg rechnet damit, sich bis Mitte Juni retten zu können. „Danach fehlen mir die Plätze. Wir sind weiter als letztes Jahr, denn dann blieben am 10. Mai die ersten Menschen draußen. Aber wir sind nicht mehr viel weiter.“
Prognosen
In der Debatte stellt sich also in vielen Varianten die Frage: Was wird der Staatssekretär tun? Vor allem jetzt, da Van der Burg am 28. April neue Prognosen an das Repräsentantenhaus geschickt hat. In diesem Jahr rechnet er mit mindestens 70.000 Asylbewerbern, rund 20.000 mehr als im Vorjahr. Und das, während nur rund die Hälfte der 342 Gemeinden etwas für die Aufnahme unternimmt und das Verteilungsgesetz, das eine gerechte Verteilung der Asylbewerber in den Niederlanden regeln muss, frühestens am 1. Januar 2024 in Kraft treten wird.
Der linke Teil des Repräsentantenhauses befragt den Staatssekretär aus Sorge um die Qualität der Aufnahme und ist der Ansicht, dass die Lösungen der Rechten (Grenzen schließen, Asylstopp) nicht in einen demokratischen Rechtsstaat passen. Der rechte Teil des Repräsentantenhauses fragt Van der Burg, ob er sieht, dass der Sozialstaat unter dem Druck des hohen Zustroms „nachgibt“. „Unsere öffentliche Infrastruktur kann damit nicht umgehen“, sagt PVV-Abgeordneter Gidi Markuszower. Es ist der sprichwörtliche Dialog der Gehörlosen.
Irgendwo in der Mitte der beiden Denkrichtungen muss sich die Koalition aus VVD, D66, CDA und ChristenUnie behaupten. Die Lösung sollte europäisch sein, wo die vier Regierungsparteien zueinander finden. Doch noch fehlt es an europäischer Solidarität. Die CDA befürwortet eine Rückkehr zur Situation vor dem Ausländergesetz von 2000, das zwischen „echten“ Flüchtlingen und Menschen, die vorübergehenden Schutz erhielten, unterschied. Diese „subsidiär geschützten Personen“ hatten keinen Anspruch auf Familienzusammenführung. Dafür bedarf es aber einer zeitaufwändigen Gesetzesänderung.
Engpass
Das Problem besteht also weiterhin. „Sie arbeiten hart, aber ohne Ergebnisse“, sagt JA21-Abgeordneter Joost Eerdmans dem Staatssekretär. Der Abgeordnete der ChristenUnie, Don Ceder, wirft erneut die Frage auf, dass der Engpass in Ter Apel eine politische Entscheidung sei. Es ist der einzige Ort, an dem jemand, der in den Niederlanden angekommen ist, einen Asylantrag stellen kann. Doch die Eröffnung eines zweiten Standortes ist noch immer nicht gelungen.
Für die Qualität des Empfangs sieht Van der Burg noch eine mögliche Lösung. Aufgrund der sogenannten „Zielgruppenbeschränkung“ stellen viele Kommunen mittlerweile Notunterkünfte (Krisenunterkünfte) für Familien, Frauen und Kinder zur Verfügung. Sie wollen keine alleinstehenden Männer. So landen sie in den besser ausgestatteten Asylbewerberunterkünften, während gerade die schutzbedürftigeren Menschen mit den Sport- und Veranstaltungshallen auskommen müssen. „Eine bizarre Situation“, sagt Van der Burg. Aber auch hier gilt: Er ist verantwortlich, aber er braucht die Kommunen, um Politik machen zu können.
Die Debatte endet wie schon seit Ewigkeiten. Nach vier Stunden blieben aus Zeitmangel viele Fragen des Repräsentantenhauses unbeantwortet. Eine schriftliche Antwort folgt später. Nicht, dass es sich viel auszahlen würde. „Wir leben in einer kaputten Welt“, schließt Ceder düster.
Immer noch Geld für Unterkünfte für diejenigen, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben
Während der parlamentarischen Asyldebatte sprach Van der Burg am Mittwoch auch über die Neuigkeiten über die Bereitstellung von Schlaf-, Bade- und Brotmöglichkeiten für Asylbewerber, die alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben. Unter Rutte II wurden diese in ein Pilotprojekt mit nationalen Einwanderungsbehörden (LVVs) in fünf Gemeinden umgewandelt. Der Koalitionsvertrag Rutte IV sieht vor, dass die Einrichtungen zu einem „bundesweiten Netzwerk“ werden.
Aber am Montagabend wurde berichtet de Volkskrant dass die Finanzierung der LVVs ab Januar 2024 fehlt. Laut Van der Burg war die Finanzierung auch im Jahr 2023 nebensächlich und das Kabinett hat kürzlich beschlossen, sie im Frühjahrsmemorandum nicht strukturell zu gestalten. Das bedeutet, dass er rund 30 Millionen Euro aus seinem eigenen Asylhaushalt aufbringen muss. Wie, weiß er noch nicht.
„Ich habe dies Ende letzter Woche dem nationalen Koordinator beim Verband niederländischer Gemeinden gemeldet“, sagte Van der Burg. Das ist der Amsterdamer Stadtrat Rutger Groot Wassink (GroenLinks). „Wir haben einen Termin vereinbart, um darüber zu sprechen, aber er fügte hinzu: Ich werde mich um Werbung bemühen.“
Da am Dienstag das Bild entstand, dass Van der Burg die LVVs loswerden wollte, D66 und CU ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck brachten und sich auf den Koalitionsvertrag beriefen, bat D66-Parteichef Jan Paternotte um ein Treffen. „In meinem Verein herrscht Unruhe“, sagte Paternotte. Van der Burg schickte daraufhin am Dienstagabend einen beruhigenden Brief an das Repräsentantenhaus. „Der Koalitionsvertrag ist mir heilig“, sagte er in der Debatte.