Die Pläne für vierspurige Autobahnen in Innenstädten zeigen die Gefahr des Sehens

Die Plaene fuer vierspurige Autobahnen in Innenstaedten zeigen die Gefahr


Denkfehler im zeitgenössischen Design, filetiert vom Designwissenschaftler Jasper van Kuijk. Diese Woche: Innenstädte.

Jaspis van Kuijk

Einen Moment lang dachte ich, dass etwas schief läuft, als ich in meiner Podcast-App am American Design-Podcast vorbeiscrollte 99 % unsichtbar gescrollt und als Titel gesehen: ‚Das Fahrrad ist nichts‚. Es stellte sich heraus, dass es sich nicht um einen Fehler handelte, sondern um eine Episode, in der diskutiert wurde, wie die weltberühmte niederländische Infrastruktur und Kultur entstanden ist. Und wie wir beinahe ein riesiges Autoland geworden wären.

In den fünfziger und sechziger Jahren war man in den Niederlanden damit beschäftigt, die Städte auf das Fortbewegungsmittel der Zukunft vorzubereiten: das Auto. Zur Erschließung der historischen Innenstädte wurden modernistische Zukunftsvisionen entwickelt. Alte Viertel mussten dem Erdboden gleichgemacht, Kanäle zugeschüttet und vierspurige Autobahnen quer durch alte Stadtzentren gebaut werden. Entwickelt hat der von der Autolobby eingeflogene amerikanische Stadtplaner Jokinen Pläne für Den Haag und Amsterdam. Delft hatte es Komplan und Utrecht Plan 2entwickelt vom deutschen Verkehrsingenieur Feuchtinger, von dem sich Utrecht, besonders um Hoog Catharijne, noch erholt.

Aber es regte sich Widerstand. Eine bemerkenswerte Allianz aus Anarchisten, Naturschützern, besorgten Eltern (wegen in einem Auto getöteter Kinder), Provos und Fahrradaktivisten half dabei, die Automobilpläne zu stoppen.

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Der Podcast interviewt auch „Radsportprofessor“ Marco te Brömmelstroet, der diese Geschichte zuvor zusammen mit der Journalistin Thalia Verkade in ihrem erzählt hat Preisgekröntes und lesenswertes Buch Das Recht des Schnellsten. Darin zeigen sie, wie die autofokussierten Zukunftspläne von einer mächtigen Lobby der Automobilindustrie vorangetrieben wurden. Und wie sich Politiker, Beamte und Stadtplaner von Zukunftsvisionen der neuen Technik und der Moderne mitreißen ließen.

Eine Vision ist eine Skizze einer gewünschten oder geträumten zukünftigen Situation. Ein Visionär zu sein, wird fast per Definition als etwas Positives angesehen. Die Fähigkeit, nach vorne zu schauen, Schritte zu wagen, eine Zukunft malen zu können, die viel verspricht. Wir verlangen es von unseren Führern. Aber ein Visionär zu sein hat auch eine andere Seite. Der des Größenwahns, ein Überglauben an neue (technologische) Lösungen und das Zurückstellen stichhaltiger Gegenargumente unter dem Deckmantel des „alten Denkens“. Das Bijlmer, zunächst als Wohngebiet gescheitert: Weitblick. Hinter der dramatischen Dezentralisierung der Jugendfürsorge: eine ganz klare Vision.

Auf der Südseite des Zentrums von Delft befindet sich die bemerkenswert breite Sint-Sebastian-Brücke. Auf der mittleren Seite angekommen, dreht es sich sofort um 90 Grad nach links um die Ecke. Denn die Autobahn direkt ins Zentrum zum Markt wurde schließlich gestrichen. Ein Denkmal für die Aktivisten jener Zeit, die nichts dagegen hatten, als Gegner der Moderne bekannt zu sein. Aber sie hatten insgeheim auch eine Vision. Eine bescheidenere. Eine Vision von einer Welt, in der der öffentliche Raum ein sicherer und angenehmer Ort des Aufenthalts und der Begegnung ist, nicht nur um schnellstmöglich durchzuhetzen. Nicht sehr technologisch fortgeschritten, aber mindestens genauso revolutionär in einer Zeit, in der Autos zunehmend den öffentlichen Raum besetzten.

Jasper van Kuijk ist Designwissenschaftler. Er forscht, lehrt und kommuniziert über (nutzerorientiertes) Design. @[email protected]



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