Die niederländische Bildung ist zu einem harten Hamsterrad geworden, einem von Gewinnern und Verlierern

Wir kuemmern uns lieber um die Lieblingshunde einer verstorbenen Koenigin
Merel van Vronhoven

„Vergessen Sie nicht, die WM-Gruppe vor dem Spiel auszufüllen?“, schreibt mein Sohn. „Sonst landest du wieder ganz unten.“ Ich wage es kaum zu sagen, aber das WM-Virus kursiert auch zu Hause. Es ist ein vorhersehbares Ritual. Zuerst eine Erinnerungs-App von meinem Sohn. Danach füllt sich der vordere Raum mit Männern (und ein paar Frauen) in orangefarbenen T-Shirts, die das Match fachmännisch kommentieren. Dezibel voller Einzeiler über „idiotische“ Schiedsrichterentscheidungen, „unverständliche“ Auswechslungen und „echte“ Flanken. Dann folgt unweigerlich die Traurigkeit oder die Freude über die neue Platzierung aller in der Rangliste.

Ob Spieler oder Zuschauer, Sport bleibt für viele eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Entweder du gewinnst oder du verlierst. Genau das ist es NullsummenspielCharakter – wie Sportprofessor Nico van Yperen es nennt – der sportliche Wettkämpfe so attraktiv macht. Laut Van Yperen sind „nur 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung motiviert, besser sein zu wollen als andere“. Doch dank des jahrzehntelang gepredigten neoliberalen Mythos, dass Wettbewerb zu besseren Leistungen führt, sind Rivalität und Wettbewerbsfähigkeit in den Kapillaren unserer Gesellschaft verankert.

Leider auch in unserer Erziehung. Das Ergebnis ist ein unnötig fragmentiertes, ausgemergeltes Bildungssystem, in dem Institutionen miteinander konkurrieren, anstatt zu kooperieren. So kann es passieren, dass eine Schule mit einem Überschuss an Lehrern in einem wohlhabenden Viertel nicht einmal daran denkt, diese Lehrer an eine fünf Minuten entfernte Schule in einem armen Viertel mit schreiendem Mangel zu leihen. Oder dass es mittlerweile 384 konkurrierende Ausbildungswege zum Lehramt gibt. Währenddessen gerät der Lehrermangel außer Kontrolle, die Qualität der Bildung sinkt seit Jahren und die Chancenungleichheit nimmt zu.

Auch unsere Kinder kämpfen miteinander um den begehrten Podiumsplatz in der Ruhmeshalle der Torschützenkönige. Sobald man als 4-Jähriger in die Grundschule kommt, beginnt der intensive Wettkampf. Wir vergleichen die Leistung von Kindern über standardisierte Tests mit nur Multiple-Choice-Fragen in einer sehr begrenzten Anzahl von Themenbereichen, hauptsächlich vom kommerziellen Testhersteller Cito. Nicht inwieweit Sie den Stoff beherrschen, sondern wie Sie im Vergleich zur „Normgruppe“ der Peers abschneiden. Sobald Sie in Gruppe 8 sind, folgt ein weiterer Auswahltest dem gleichen Muster, das Ihre Eintrittskarte zur Weiterbildung ist. Nirgendwo auf der Welt findet die Selektion in einem so jungen Alter statt. Kein Wunder, dass Eva in meiner 7. Klasse regelmäßig Albträume hat. „Ich habe solche Angst, dass ich beim Mathetest einen Fehler mache“, flüsterte das Mädchen, als ich sie nach der Ursache ihrer Alpträume fragte. „Und dann kann ich niemals Meeresbiologe werden.“

Diplome sind wichtig in unserer individualistischen Leistungsgesellschaft. Dass wohlhabende Eltern ihre Kinder massenhaft zur Nachhilfe schicken, um die Testergebnisse ihres Nachwuchses zu steigern, ist zwar unerwünscht, aber leicht erklärbar. Gerade jetzt, wo der Lehrermangel so groß ist. Genauso wie die große Gruppe Jugendlicher, die durch den schulischen Leistungsdruck unter psychischen Problemen leidet. Bildung ist zu einem harten Hamsterrad geworden.

Am Mittwoch diskutierte das Repräsentantenhaus über das Bildungsbudget. Nach Jahren des Wilderns und Sabberns zückt das Kabinett endlich seine Brieftasche. Nicht weniger als 53 Milliarden Euro, 10 Prozent mehr als in den Vorjahren, für ein Gesamtpaket. Ich bezweifle, dass mit all dem Geld die großen Bildungsprobleme bald der Vergangenheit angehören werden. So erschreckend hoch die Summe auch ist und so begrüßenswert das Vorgehen dieser Regierung ist, die eigentliche Ursache aller Probleme bleibt unangetastet: ein dezentrales, auf Wettbewerb basierendes Bildungssystem. Solange Politiker und Bildungsverwalter es nicht wagen, dies in Frage zu stellen, wird das niederländische Bildungswesen ein sportlicher Wettbewerb bleiben Nullsummenspiel von Gewinnern und Verlierern.



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