Die Forderung nach einem totalen Visaverbot für Russen ist verständlich, aber nicht klug

Die Forderung nach einem totalen Visaverbot fuer Russen ist verstaendlich


Der Strand von Ayia Napa, einem der Touristen-Hotspots Zyperns, wo sich russische Touristen bereits massenhaft aufhalten.Bild AFP

„Europa zu besuchen ist ein Privileg, kein Menschenrecht.“ Mit dieser nüchternen Feststellung schloss sich Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas dem Plädoyer des ukrainischen Präsidenten Selenskyj an, die EU möge ein Visumsverbot für russische Touristen einführen.

Auch Lettland, Litauen, Polen und Finnland drängen darauf, als Strafe für den verheerenden Krieg gegen die Ukraine ihre Grenzen für Besucher aus Russland zu schließen. Sie hoffen, dass die Maßnahme auf den Kreml abzielt.

Der Vorschlag hat eine Kluft innerhalb der EU offengelegt zwischen Ländern, die sich besonders für die Wahrung europäischer Werte einsetzen, und jenen EU-Ländern, die im Schatten Russlands leben. Die Folgen davon haben sie in der Vergangenheit schmerzlich erfahren müssen. Kurz gesagt, ein Aufeinanderprallen von Idealen und Praxis.

Vor allem die westeuropäischen Länder glauben, dass die Sperrung russischer Bürger eine „Kollektivstrafe“ darstellt, was gegen die Prinzipien der Europäischen Union verstößt. „Das ist nicht der Krieg der Russen, das ist Putins Krieg“, begründete Bundeskanzler Olaf Scholz seine Einwände gegen den Vorschlag.

Ohne Putin hätte Russland den Krieg wahrscheinlich nicht begonnen, aber es ist zu einfach zu sagen, dass die Russen daher nicht mitverantwortlich für die von russischen Streitkräften in der Ukraine begangenen Gräueltaten sind. Russland ist keine Demokratie, das stimmt, aber das haben die Russen selbst gewählt, indem sie Putin immer wieder gewählt haben. Auch Meinungsumfragen der unabhängigen russischen Forschungsagentur Levada zeigen, dass die Mehrheit der Russen den Krieg unterstützt.

Es ist jedoch unklug, ein totales Visaverbot für russische Touristen einzuführen. Die Frage ist, ob das den gewünschten Effekt bringt. Es wird wahrscheinlich nur Putins Mythos nähren, dass der Westen darauf aus ist, Russland und die Russen zu demütigen. Es würde den Russen auch die Chance nehmen, einen Blick auf die demokratische Seite der neuen „Mauer“ zu werfen, die Putin zwischen Ost und West errichtet hat.

Doch das Hauptargument gegen ein Visumverbot ist, dass es Putins Gegnern schwerer fallen wird, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Anstatt allen Visa zu verweigern, sollten die EU-Länder strenger bei der Auswahl der Russen sein, die, wie Kallas es ausdrückte, das „Privileg“ verdienen, Europa zu besuchen.

Die Position der Zeitung wird im Volkskrant Commentaar zum Ausdruck gebracht. Es entsteht nach einer Diskussion zwischen den Kommentatoren und dem Chefredakteur.



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