Die Experten sind gespannt auf die Zukunft: die Niederlande als Testfeld für die Neue Welt

Schlechte Recherche und die Hast der Politiker etwas darueber zu
Bert Wagendorf

Die Niederlande versinken in Stickstoff, Elend in Groningen, Asylbewerberströmen, unüberbrückbaren Lücken, Kindern, die nicht mehr lesen und zählen können, Straßensperren, Versorgungsengpässen und einer Affäre nach der anderen. Es sieht so aus, als würde das Land bald untergehen und niemand weiß, was wir dagegen tun können. Gar niemand? Ja, Mittwoch war der Bericht Ausblick Energiesystem 2050 präsentiert und plötzlich klarte der Himmel auf. Keinerlei Pessimismus, der Bericht ist voller Sinn für die Zukunft.

Zehn Experten widmeten sich ein Jahr lang der komplexen Materie des Energiesystems. Vorsitzender war Bernard ter Haar, der hohe Beamte, der einst unser Bankensystem gerettet hatte, indem er ABN Amro kaufte – auch kein einfacher Job. Dem Expertengremium gehörten Energieprofessoren und -planer an, die bei der niederländischen Umweltprüfungsbehörde gelernt haben, Jahrzehnte in die Zukunft zu blicken, Rens van Tilburg vom Utrecht Sustainable Finance Lab war dabei und die junge Klimaaktivistin Aniek Moonen.

In de Volkskrant Bard van de Weijer sprach von „Visionären“, und das war nicht übertrieben. „Optimistische Propheten“ wäre noch besser gewesen. Klima- und Energieminister Rob Jetten war begeistert: Die Experten malten einen Punkt an den Horizont, der verdächtig wie ein Diamant aussah. Was erwartet uns?

Dies: 2050 – in 25 Jahren ist es fast so weit – werden die Niederlande gerechter, grüner, nachhaltiger, angenehmer und leiser sein. Gibt es noch Gegner? Nicht? Dachte ich mir: 2050 werden wir alles recyceln, pflanzlich essen, klimaneutral sein und ein faires und robustes Energiesystem haben.

„Gerechtigkeit muss an erster Stelle stehen“, sagte der Vorsitzende Ter Haar – Gerechtigkeit ist ein Wort, das man in einem Bericht über das Energiesystem nicht sofort erwarten würde. Das ist auch das Schöne an dem Bericht. Die Experten haben gesehen, dass alles in unserer Gesellschaft miteinander verbunden ist und dass ohne ein robustes Energiesystem die Dinge zusammenbrechen und Unruhen ausbrechen – das haben Sie bereits gesehen, als die Gaspreise in die Höhe schossen.

Der revolutionäre Übergang zu einem neuen Energiesystem ist kein isoliertes Ereignis. Du kannst ein paar Höchstspannungskabel verlegen, die Nordsee in einen Windpark verwandeln und ein Atomkraftwerk eröffnen – für die Technokraten arbeiten. Aber der Wandel ist so radikal, dass er mit einem Fokus auf Gesundheit, Bildung, sozialem Zusammenhalt und Sicherheit einhergehen muss, sonst ist er zum Scheitern verurteilt oder läuft auf den Barrikaden auf.

Die Experten sagen tatsächlich: Wenn man dem Niederländer nicht deutlich machen kann, dass sich sein Leben dank der Energiewende verbessert, wird es nicht funktionieren. Der Bericht präsentiert den Niederländern ein Zuckerbrot: Es wird schwierig und teuer, aber wenn es gelingt, wird dies ein besseres Land. Die Niederlande werden bald zum Testfeld der Neuen Welt, Jetten muss nur noch die Ideen der Experten in die Politik umsetzen.

Am Ende von Kapitel 1 skizziert der Bericht „einen Tag im Jahr 2050“. Jemand hat gerade die maximal fünf Minuten in seinem hochwertig isolierten Haus geduscht und läuft durch die Grünzone in seiner ruhigen Wohngegend zu seinem gemeinsamen Arbeitsbüro, weil seine Frau mal wieder das Elektro-Sharing-Auto mitgebracht hat. Zu Hause wartet die smarte Waschmaschine mit dem Laufen, bis der Wind weht und der Strom günstiger wird. Bald wird er mit dem Hochgeschwindigkeitszug nach Rom fahren.

Die Zukunft ist hell und voller Verheißungen.



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