„Die Deutschen wollen sich mit diesem Megaplan im russischen Energiekrieg wehren“

Die Deutschen wollen sich mit diesem Megaplan im russischen Energiekrieg


Auf der Baustelle des Uniper LNG-Terminals in Wilhelmshaven radelt ein Mitarbeiter an einem Rohr entlang über das Gelände.Bild AFP

Hallo Remco, mit dem Paket hilft die Bundesregierung Bürgern und Unternehmen. Wie ernst ist die Lage dort?

„Es ist in gewisser Weise vergleichbar mit dem, was in den Niederlanden vor sich geht. Auch hier ist der Benzinpreis durch die Decke gegangen. Sie zahlen jetzt 35 Cent pro kWh Gas, vor einem Jahr waren es nur 6 Cent.

„Auch hier haben die Leute unbefristete Verträge, die jetzt auslaufen und variabel werden. Ich habe kürzlich mit jemandem gesprochen, der von einer Gasrechnung von 120 Euro auf über 400 Euro pro Monat gestiegen ist. Hinzu kommt, dass Deutschland eine energieintensive Industrie hat, die stark von steigenden Preisen betroffen ist.‘

Was genau will die Bundesregierung mit den 200 Milliarden Euro machen?

„Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass es nicht so ist, dass sie 200 Milliarden Euro Hilfe an die Bevölkerung überweisen. Es ist ein maximales Budget, das sie reserviert haben, um die Preiserhöhungen bis 2024 auszugleichen.

„Das wollen sie mit einer Preisobergrenze erreichen. Seine genaue Höhe und Form ist noch unbekannt. Darüber werden sie in den kommenden Wochen sprechen. Aber es könnte gut sein, dass die Deutschen das niederländische Modell wählen und sowohl auf einen Höchstpreis als auch auf eine Verbrauchsobergrenze setzen.

„Diese Obergrenze muss dann bis zum Winter 2024 gelten. Damit will die Bundesregierung langfristig Sicherheit schaffen. Bis dahin sollen Deutschland und Europa weitgehend unabhängig von russischem Gas sein. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat betont, dass natürlich auch andere Spartipps wie das Absenken des Thermostats weiterhin gelten.‘

Woher nimmt die für ihre Haushaltsdisziplin bekannte Bundesregierung dieses Geld?

„Die Deutschen haben in der Tat einen sogenannten Schelde Bremse (Schuldenbremse, rot.), was bedeutet, dass das Haushaltsdefizit 0,35 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten sollte. Sie muss verhindern, dass die Staatsverschuldung zu stark ansteigt. Der Staat muss die 200 Milliarden Euro leihen, was höhere Schulden bedeutet.

„Um diese Regel zu umgehen, steckt die Regierung diese 200 Milliarden in einen Notfallfonds, der wegen der Corona-Krise früher eingerichtet wurde. Dieser Fonds ist vom ordentlichen Haushalt getrennt, wodurch die Schuldenbremse nicht greift. Ein weiterer Vorteil ist, dass vom Corona-Geld noch 67 Milliarden übrig sind. Dadurch werden nur noch 130 Milliarden benötigt, was natürlich immer noch eine beachtliche Summe ist.

„Die Ausgaben liegen im Trend. In letzter Zeit hat die Regierung bereits mehrere kostspielige Maßnahmen ergriffen. Es gebe eine Verbrauchsteuersenkung auf Sprit, im Sommer gebe es das bekannte 9-Euro-Ticket für den ÖPNV und ab dem 1. Oktober solle zur Lastenverteilung eine Benzinabgabe erhoben werden. Der letztgenannte Plan wird nun storniert und durch das Support-Paket ersetzt.‘

Warum wird der Plan zur Energiesteuer plötzlich ad acta gelegt?

„In den letzten Monaten ging es in Deutschland um kaum etwas anderes als um diese Umlage. Die Verbraucher würden eine Abgabe von 2,4 Cent pro kWh Gas zahlen, um Gasimporteuren entgegenzukommen, die höhere Einkaufspreise haben. Die Idee dahinter war, die Lasten gerecht zu verteilen.

„Da gab es viel Kritik. Es gibt auch Energieunternehmen, die aufgrund steigender Preise erhebliche Gewinne erzielen, die Bürger würden diese Gewinne mit der Umlage mitfinanzieren. Das größte Problem war jedoch, dass der Plan bereits vor der Umsetzung veraltet war. Die Preise sind in die Höhe geschnellt, die 2,4-Prozent-Umlage reichte nicht mehr aus, und die Popularität des zuständigen Ministers Habeck brach ein. Dieser neue Plan muss eine Lösung bieten, die nicht sofort durch Preiserhöhungen obsolet wird.‘

Kann Deutschland mit diesem Plan die Energiekrise bewältigen?

„Es ist sehr interessant zu sehen, mit welchen Worten die Bundesregierung für dieses Vorhaben wirbt. Es ist eine klare Sprache: Es gibt einen Energiekrieg, wir wehren uns. Die Regierung betont, wie wirtschaftlich stark Deutschland sei. Sie wollen also nicht nur die Energiekrise angehen, sie ist auch eine Antwort auf die russische Invasion in der Ukraine und Russlands Vorgehen gegen Deutschland.

„Alles ist auf Vertrauen ausgerichtet. Auch in dieser Hinsicht ist es ein kluger Plan, denn durch die langfristige Reservierung eines erheblichen Betrags machen Sie deutlich, dass der Staat Industrie und Verbraucher weiterhin unterstützen wird. Das ist auch die Botschaft von Finanzminister Lindner. Er sagt vor allem der Wirtschaft: Vertrauen haben, keine Leute feuern und vor allem weiter produzieren. Wir sorgen dafür, dass alles in Ordnung ist.«



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