Deutschland führt ein bahnbrechendes Gesetz ein, das die Arbeitsmigration erheblich erleichtert

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Ein syrischer Schneider in einer Werkstatt in Berlin.Bild Tobias Schwarz / ANP / AFP

Elektrotechniker, Maschinenbauer, IKT-Fachkräfte, Krankenpfleger, Köche, Kinderbetreuer: Wenn es nach Berlin geht, können gut ausgebildete Fachkräfte von außerhalb der Europäischen Union bald leichter ein One-Way-Ticket nach Deutschland bekommen. Ihre Familien dürfen vorbeikommen, auch unterhaltsberechtigte Eltern. Auch der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird einfacher. Auch bereits anwesende Asylbewerber können – in begrenztem Umfang – Rechtsmittel einlegen.

Das neue „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“, das mit hoher Wahrscheinlichkeit heute vom Bundestag verabschiedet wird, ist nach Angaben der Regierung eine wesentliche Waffe im Kampf gegen den enormen Fachkräftemangel. Andere westeuropäische Länder, darunter auch die Niederlande, beobachten das deutsche Experiment mit Interesse. Auch sie kämpfen mit zunehmendem Arbeitskräftemangel aufgrund einer alternden Bevölkerung und einem starken Rückgang der Beliebtheit praktischer Berufe. Aber es gibt auch Bedenken: Sobald Sie in Deutschland sind, können Sie in andere EU-Länder weiterreisen.

Über den Autor
Remco Andersen ist Deutschlandkorrespondent für de Volkskrant. Er lebt in Berlin. Als Nahost-Korrespondent gewann er 2015 den Lira-Preis für Auslandsjournalismus für seine Arbeit in Syrien und im Irak.

Nach Angaben der deutschen Arbeitsagentur, vergleichbar mit der UWV, muss das Land jedes Jahr 400.000 zusätzliche Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt bringen, um das Industrieland Deutschland am Laufen zu halten. Der Fachkräftemangel ist auch ein Hindernis für den Übergang zu einer klimaneutralen Gesellschaft, den die aktuelle Bundesregierung vorantreiben will. Schließlich müssen all diese Solarpaneele, Windkraftanlagen und Wärmepumpen von erfahrenen Händen installiert werden.

Punkte System

Das neue Gesetz, Fachkräfteeinwanderungsgesetz getauft wurde, ist bisher einzigartig in Europa. Showpiece ist ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild. Potenzielle Migranten werden auf der Grundlage von Bildung, Erfahrung, Sprachkenntnissen, Alter, Bindung zu Deutschland und dem „Potenzial“ der mitreisenden Familienmitglieder beurteilt. Überschreitet der Bewerber die Schwelle, kann er für maximal ein Jahr zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen – ohne dass ein konkretes Stellenangebot vorliegt.

Neu ist auch, dass Einwanderer, die bereits aus der Ferne Arbeit gefunden haben, nicht mehr vorab eine von Deutschland anerkannte Ausbildung benötigen. Zwei Jahre einschlägige Berufserfahrung und ein Stellenangebot eines deutschen Arbeitgebers können ausreichen. Die Anerkennung und eventuelle Zusatzausbildungen können dann in Deutschland erfolgen.

„Das bedeutet, dass nicht mehr die Behörden entscheiden, wer für die Arbeit in meinem Unternehmen geeignet ist, sondern ich selbst“, sagte Andreas Leo-Schnatalle (61), Geschäftsführer eines Leipziger Schaltanlagenbauunternehmens, im vergangenen Jahr zu de Volkskrant. „Ich finde das gut so, schließlich suche ich einen Mitarbeiter, nicht die Behörden.“

Lockere Anforderungen

Auch die Voraussetzungen für eine Blue Card, die deutsche Variante des niederländischen Systems für hochqualifizierte Einwanderer, werden gelockert. In einigen Branchen, beispielsweise im IKT-Bereich, gelten weniger strenge Anforderungen an die Beherrschung der deutschen Sprache. In anderen Branchen werden die Einkommensgrenzen gesenkt. In Notsituationen, etwa bei akutem Personalmangel auf Flughäfen, wird es einen reibungslosen Weg für die vorübergehende Ankunft ungelernter Arbeitskräfte geben. Asylbewerber, die sich bereits vor dem 29. März 2023 in Deutschland aufgehalten haben und die Kriterien erfüllen, können „die Spur wechseln“.

„Die Sicherung ausreichender Fachkräfte ist eine der größten wirtschaftlichen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte“, hatte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zuvor gesagt. „Mit diesem Gesetz legen wir den Grundstein für ein modernes Einwanderungsland, das qualifizierte Einwanderung nicht nur akzeptiert, sondern auch will.“

Die rechten Oppositionsparteien CDU/CSU und rechtsradikale AfD befürchten, dass das neue Gesetz die Zuwanderung „weniger qualifizierter Arbeitskräfte“ fördern wird. Die Koalition verspricht außerdem, noch in diesem Monat einen Gesetzentwurf zur Stärkung des „inländischen Potenzials“ vorzulegen. Dazu soll es Zuschüsse für Kleinbetriebe geben, die ihr vorhandenes Personal besser ausbilden wollen.



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