Deutsche Staatshilfe führt zu Wut in Brüssel und Misstrauen im eigenen Land

Deutsche Staatshilfe fuehrt zu Wut in Bruessel und Misstrauen im


Fabrikhalle von Eschenbach Porzellan in Triptis.Bild Marcel Wogram für die Volkskrant

„Schauen Sie“, weist Produktionsleiter Frank Meinhardt-Ruppin mit roten Wangen auf den riesigen Glattbackofen von Eschenbach Porzellan hin: „Da geht das ganze Gas hin.“ Dutzende Meter auf dem Weg zum Feuerschein am Ende des Laufbandes, wo sie bei 1.380 Grad Celsius gepökelt werden, geht er auf die Knie und schmunzelt beim Anblick der Frühstücksteller. Die Porzellanfabrik in Triptis bei Leipzig läuft rund. Und doch fährt Meinhardt im gleichen Atemzug fort: „Ende dieses Jahres wird es soweit sein“ schluss. Es bleibt nur noch ein winziges bisschen Hoffnung.“

schluss. Für Meinhardt-Ruppin, für die Brennöfen der Porzellanfabrik und für die hundert Mitarbeiter in diesem Teil des ehemaligen DDR-Gebiets, die zum Teil seit Jahrzehnten an den Maschinen arbeiten. Schande. Denn die Auftragsbücher sind prall gefüllt, die Produktion läuft auf Hochtouren und die 36.000 Quadratmeter große Werkshalle ist vollgestopft mit abtransportiertem Geschirr. Doch nach aktuellen Prognosen wird sich die Stromrechnung im nächsten Jahr von 860 Tausend Euro auf 4,5 Millionen vervierfachen. Und das gefällt einem gesunden Unternehmen auch nicht.

Nach sechs Monaten Ukrainekrieg, Gasknappheit und steigenden Energiepreisen warnt den deutschen Mittelstand vor einer Pleitewelle. In den östlichen Städten haben sich die Proteste in den letzten Wochen intensiviert, zunehmend angeführt von der radikalen Rechten. Das Misstrauen gegenüber der Regierung in Berlin ist hier groß, und die regionale Wirtschaft hinkte nach der Wiedervereinigung immer der im Westen hinterher. Viele hier können sich noch gut an die Massenarbeitslosigkeit der 1990er Jahre erinnern. Und fürchte Wiederholungen. Es ist genau die Art sozialer Unruhen, die Putin mit steigenden Energiepreisen anzuheizen hofft.

Aus Angst vor wirtschaftlichem Schaden und sozialer Zerrüttung hat die Regierung in diesem Monat ein Heilmittel für beide herausgebracht. Das ist die kleine Hoffnung, auf die Produktionsleiter Meinhardt-Ruppin anspielt: 200 Milliarden Euro, um den Gaspreis bis 2024 niedrig zu halten. Die Entscheidung löste Ärger in den südlichen EU-Ländern aus, die Wettbewerbsverzerrungen befürchten, wenn das wohlhabende Deutschland beginnt, seine eigene Industrie mit billigem Kraftstoff zu befeuern. Aber daheim in Deutschland dachte die Regierung: Da geht die Fahne wohl hin. Es konnte manchmal scheitern.

Unsicherheit

Eschenbach Porzellan laufe wie am Schnürchen, sagt Geschäftsführer Rolf Frowein (64) im kleinen Besprechungsraum. An einem der schwarzen Ledersessel hängt ein Spinnennetz – hier wird lieber gearbeitet als getagt. Bis zur Coronakrise erzielte die Porzellanmanufaktur einen Jahresumsatz von 9 Millionen Euro. Nettogewinn über 300.000 Euro. Zahlungsfähigkeit 65 Prozent, für den Enthusiasten. Er sei daher durchaus in der Lage, normale konjunkturelle Schwankungen aufzufangen, sagt Frowein. Aber dieses? Dies ist nicht möglich. Zählen Sie einfach.

„Ich habe meine Kunden, insbesondere Restaurants und Hotels, gefragt, was sie gerne mehr zahlen würden. Eine Preiserhöhung von 20 bis 25 Prozent scheint möglich. Damit kann ich nächstes Jahr 1 bis 1,5 Millionen Euro mehr für den Einkauf von Energie zur Verfügung stellen. Aber nach aktuellen Prognosen ist das bei weitem nicht genug.“

Auf die Frage, ob er jetzt aus dem Gröbsten heraus ist, nachdem die Regierung Gaspreissenkungen verspricht, zeigt seine Antwort, was passiert, wenn der Eindruck entsteht, dass auch die Politik die Kontrolle über die Situation verloren hat. „Die Ukraine-Krise dauert seit sechs Monaten an, und bisher habe ich nur Zusagen von dieser Regierung erhalten. Damit kann ich nicht planen. Unter Merkel hatten wir einen Monat nach Beginn der Coronakrise konkretes Geld auf dem Konto. Erst wenn ich schwarz auf weiß habe, dass der Gaspreis bis mindestens 2024 garantiert niedrig bleibt, kann ich über eine Verschiebung der Schließung nachdenken. Wir arbeiten zwei Monate im Voraus, also sollte das noch in diesem Monat passieren.‘

Ökonomie ist Psychologie, heißt es. Und die Psychologie rund um die Gaspdeckel In Deutschland geht es vor allem darum, Vertrauen zu schaffen, insbesondere unter Unternehmern. Denn mangelndes Vertrauen ist der Weg in die Rezession. Finanzminister Christian Lindner hat sich bei der Übergabe der 200 Milliarden sehr deutlich an die Wirtschaft gewandt. Frei übersetzt: Wir sorgen dafür, dass alles klappt. Hab Vertrauen. Nehmen Sie weiterhin Bestellungen entgegen, halten Sie die Produktion hoch, schließen Sie keine Abteilungen und schicken Sie keine Leute nach Hause.

Vertrauen

Doch die Bundesregierung streitet bisher über die Hilfspakete und über die Gaspdeckel vielleicht die meisten. Es unterstreicht, wie instabil diese Dreiparteienregierung ist, sagt Frowein, und wie unberechenbar ihre Politik ist. Der SPD-Regierungschef will helfen, aber die Grünen und die (Mitte-Rechts-)FDP zögern aus verschiedenen Gründen. Die eine Partei will die „alte“ energieintensive Industrie eigentlich nicht unterstützen, die andere nicht in den freien Markt eingreifen.“

Also nein, sagt Frowein, die Fahne ist nicht raus und die vorgesehene Sperrung steht. Am 26. August kündigte er nach sechs Wochen des Zweifelns und Wachliegens alle Mitarbeiter. Tränen flossen. Aber sie hätten verstanden, sagt der Direktor, und das zeige sich in der Fabrikhalle: Die Leute sehen zu Hause, was mit der Energierechnung passiert. Als Gegenleistung für einen Bonus haben viele Mitarbeiter versprochen, bis zum Jahresende zu warten, bevor sie tatsächlich gehen. Frowein selbst wartet nun auf die Details des Support-Pakets, das voraussichtlich noch an diesem Wochenende bekannt gegeben wird. Im Konferenzraum schiebt er zwei A4-Blätter mit Energiepreisentwicklungen über den Tisch.

Der Gaspreis muss unter 9 Cent pro kWh (etwa 90 Cent pro Kubikmeter, rot.). Erst dann kann er weitermachen. Zumindest, sagt Frowein mit dem Finger zum zweiten A4: Wenn der Strompreis gleichbleibt. Aber auch das kommt nicht in Frage. Alle Berechnungen müssen also wieder von vorne beginnen. „Und dazu hat die Kanzlerin noch kein Wort gesagt.“



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