Deutsche Schuldenbremse „zu starr“, sagen Regierungsberater

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Die Wirtschaftsberater der Bundesregierung haben eine weitreichende Reform der sogenannten Schuldenbremse des Landes vorgeschlagen und könnten damit Druck auf Politiker aus dem gesamten Parteienspektrum ausüben, die verfassungsmäßige Beschränkung der Neuverschuldung zu lockern.

„Die Schuldenbremse ist in ihrer jetzigen Form rigider als nötig“, sagte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage in einem am Dienstag veröffentlichten Policy Brief. „Es schränkt den fiskalischen Spielraum für zukunftsorientierte Ausgaben ein.“

Die Empfehlungen werden Musik in den Ohren linker und bürgerlicher Politiker in Deutschland sein, die seit langem argumentieren, dass die Schuldenbremse eine unnötig restriktive „Zwangsjacke“ der Finanzpolitik sei.

Die seit 2016 in der deutschen Verfassung verankerte Regelung begrenzt das strukturelle Defizit des Landes konjunkturbereinigt auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Während der Covid-19-Pandemie und erneut nach der umfassenden Invasion Russlands in der Ukraine wurde es ausgesetzt, dieses Jahr jedoch wieder eingeführt.

Sie bleibt jedoch ein großer Streitpunkt zwischen der Linken und der Rechten in der deutschen Politik und hat zu einer gewaltigen Kluft in der fragilen Koalitionsregierung von Bundeskanzler Olaf Scholz geführt.

Die Sozialdemokraten von Scholz und ihre Partner, die Grünen, wollen die Kreditobergrenze reformieren und sagen, sie behindere die massiven Investitionen in Infrastruktur und grüne Technologie, die die deutsche Wirtschaft so dringend braucht.

Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck verglich Deutschland kürzlich mit einem „Boxer, der mit auf dem Rücken gefesselten Händen in den Ring steigt“.

Doch die dritte Partei in Scholz‘ Koalition, die liberalen Freien Demokraten (FDP), hält an der Regelung fest und sagt, sie schütze künftige Generationen davor, einen immer größer werdenden Haufen Staatsschulden schultern zu müssen. Auch die oppositionellen Christdemokraten (CDU) lehnen eine Lockerung der Bremse ab.

Die Debatte über die Regelung verschärfte sich, nachdem das Bundesverfassungsgericht im November mit einem Bombenurteil die Verwendung von außerbudgetären Mitteln zur Umgehung der Schuldenbremse durch die Regierung untersagte und die Ausgabenpläne Berlins durcheinander brachte.

In ihrem Policy Brief plädieren die fünf Wirtschaftsberater dafür, dass der Übergang zwischen der Aussetzung und dem Wiederinkrafttreten der Schuldenbremse sanfter gestaltet werden sollte. Sie sagten, diese Übergangsphase würde strukturelle Defizite ermöglichen, die „über der normalen Grenze liegen“, obwohl sie „von Jahr zu Jahr abgebaut werden müssen“.

Die Ökonomen schlugen außerdem vor, dass die Defizitgrenzen von der Gesamtschuldenquote Deutschlands abhängen sollten. Bei einem Unterschreiten von 60 Prozent sollte die Obergrenze des strukturellen Defizits 1 Prozent des BIP betragen. Bei einem Defizit zwischen 60 und 90 Prozent soll ein Defizit von 0,5 Prozent des BIP zulässig sein. Die bestehende Obergrenze von 0,35 Prozent des BIP soll nur dann gelten, wenn die Schuldenquote 90 Prozent oder mehr erreicht .

„Defizitgrenzen, die eine höhere Kreditaufnahme als bisher bei niedrigen Schuldenquoten ermöglichen, erweitern den fiskalischen Spielraum moderat, ohne die Nachhaltigkeit zu gefährden“, sagte Ratsmitglied Veronika Grimm, Professorin für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Die Reformidee entstand, nachdem der Rat Simulationen durchgeführt hatte, wie sich die Schuldenquote Deutschlands unter den bestehenden Regeln künftig entwickeln würde. Diese zeigten, dass die Schuldenquote kontinuierlich sinken würde, selbst wenn die Regierung ihre Nettoverschuldungsgrenzen ausschöpfen würde und selbst wenn es regelmäßig zu Krisen mit Aussetzung der Schuldenbremse käme.

Die Simulationen zeigen: Selbst wenn die Schuldenbremse wie von den Ökonomen vorgeschlagen reformiert würde, würde die Schuldenquote Deutschlands bis zum Jahr 2070 auf 59 Prozent sinken – und damit unter den EU-Grenzwert. Aktuelle Regierungsprognosen zeigen, dass die Verschuldung im Verhältnis zum BIP in diesem Jahr auf 64 Prozent sinken wird, was niedriger ist als in anderen großen EU-Volkswirtschaften.

Allerdings ist unklar, wie die Vorschläge der Experten umgesetzt werden können. Für eine Änderung der Schuldenbremse wäre eine Zweidrittelmehrheit im Parlament zur Verfassungsänderung erforderlich – doch FDP und CDU lehnen jede Reform bisher ab.



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