Der Star lag halb auf dem Rücken, eine Flügelschulter hochgezogen, den Schnabel weit geöffnet

Dies ist die letzte Nachricht uber Frau De B die
Peter Middendorf

Mit einem gewaltigen Knall flog ein Star in ein hohes Fenster der Nachbarn. Durch die Fensterbank fiel das Tier einige Meter in die Tiefe, sprang vom Dach eines Anbaus hoch und fiel dann mit einem neuen Schlag auf die Steine ​​in unserem Garten, woraufhin der Körper eine Weile hüpfte, mit dem Geräusch einer Hühnerbrust, etwas trockener vielleicht.

Der Star lag halb auf dem Rücken, eine Flügelschulter hochgezogen, den Schnabel weit geöffnet. Das Herz schlug gewaltig, das Tier atmete sehr schnell. Waren das seine letzten Atemzüge? Was soll ich machen? Was könnte ich tuen? Da half kein Wasserkrug oder eine Mitgliedschaft beim Vogelschutz.

Ich mag Stare, sie sind meine Lieblingsvögel. Sie machen diese schönen Formen in der Luft, wirbeln und spiralen. Ich dachte, sie würden inzwischen neue Federn haben, um sich auf die Reise in wärmere Gebiete vorzubereiten, aber vielleicht war dieses hier gerade aus kälteren Regionen angekommen, da es noch ganz weiß gesprenkelt war von der Abnutzung der Federn.

Die Schwärme werden kleiner. Es fällt mir auf, wenn ich durch die Provinz radle oder fahre, neuerdings auch bei einer längeren Reise in den Osten Deutschlands – überall kleine Schwärme, radikal ausgedünnt, den Namen Schwarm nicht mehr wert, einer anständigen Flugshow nicht mehr fähig. Was ist los? Ist es die Vogelgrippe? Ist es der Mist, das Gift, sind es wieder die Bauern?

Hinter unserem Haus, zweihundert Meter entfernt, steht eine hohe Kiefer, die ständige Ruhestätte eines Schwarms. Als wir vor acht Jahren hierher gezogen sind, konnte man den Baum schon von weitem hören. Als der Schwarm in den Garten stürzte, waren die Pflanzen und Sträucher in drei Sekunden kahl. Aber jedes Jahr werden es weniger, vor lauter Armut essen wir die Trauben heute selbst.

Die Frau von der Tierrettung sagte am Telefon, ich könnte den Star vor anderen Tieren schützen und ihn in Ruhe lassen. Man glaubte es nicht, als man das Knallen gegen das Fenster gehört hatte, aber nachdem man eine Stunde lang auf die scheinbar irreparabel angegriffene Tür gestarrt hatte, folgte oft eine wundersame Genesung. Die Frau sprach in klaren Standardsätzen, denen ich entnehmen konnte, dass ich an diesem Tag nicht der Erste war, der mit einem Fensterstar anrief, und auch nicht der Letzte.

So kommt es öfter vor, dachte ich, als ich nachsehen wollte, wie es meinem Star ging – er war wieder aufgestanden und unter den Efeu gekrochen. Sie flogen immer noch überall gegen die Fenster, alle riefen die Animal Ambulance. Den Staren geht es nicht gut, aber solange sie der Animal Ambulance zusätzliche Arbeit geben könnten, wären sie vielleicht nicht für immer verloren.

Hier und da ein flacher Schlag gegen ein Fenster, ein gebrochener Hals – wir mussten es genießen, solange wir konnten.



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