Der Arthouse-Film ist sicherlich nicht spießig, finden sie bei Cineville, einem Kollektiv niederländischer Filmhäuser

Der Arthouse Film ist sicherlich nicht spiessig finden sie bei Cineville


Nienke Smeets (Mitte) und Jente Buskes (links) von Cineville beschäftigen sich mit Filmplakaten.Bild Raymond Rutting / Volkskrant

Binge endlos auf Netflix, HBO Max oder Disney+? In Cineville ist es sicherlich nicht das Fluchen in der Kirche. Das Büro ist zwar in einem alten Kloster an den Amsterdamer Grachten untergebracht, aber die rund 25 Cineville-Mitarbeiter sind sehr aufgeschlossen. „Beim Mittagessen geht es oft um die Serie, die wir uns ansehen“, sagt Regisseur Thomas Hosman.

Warum sollte sich der 36-jährige Mitgründer auch um Streaming-Dienste kümmern? Immerhin läuft es ganz gut mit den niederländischen Kinos und dem Geschäft von Cineville. Die Zahl der Mitglieder ist höher als vor der Corona-Krise und dank der kalten Wintertage gehen die Passinhaber langsam aber sicher wieder ins Kino. Eine Bestätigung dessen, was Hosman schon dachte: „Die Leute gehen immer noch gerne ins Kino.“

In dieser wöchentlichen Kolumne erzählen Unternehmer über ihr Unternehmen. Heute: Cineville, gegründet 2009, mit 25 Mitarbeitern und einem Umsatz von 1,5 Millionen Euro (Gesamtjahresumsatz des Vereins beträgt 11 Millionen Euro)

Bildproblem

Wie anders war das vor vierzehn Jahren, als Hosman und seine drei Mitgründer noch beim Studentenkino Kriterion arbeiteten. Während das Barpersonal im angrenzenden Café allabendlich ausrastete, blieben die Kinosäle weitgehend leer.

Als Filmfanatiker verstanden sie davon sowieso nicht viel, aber die Argumente, nicht zu gehen, waren geradezu umwerfend. „Die Filme, die Sie hier zeigen? Das sind komplizierte Filme“, hieß es. „Mehr etwas für meine Eltern.“ Nach einem Rundgang durch die anderen Amsterdamer Kinos stellte sich heraus, dass das Imageproblem nicht nur Kriterion betraf. „Alle Kinos sahen, wie ihr Publikum Jahr für Jahr älter wurde“, sagt Hosman.

Die Lösung musste also größer sein als nur Kriterion. Ein Pass, der unbegrenzten Zugang zu den angeschlossenen Kinos gewährt, würde die Filmwelt zugänglicher machen. Ein gemeinsamer „Name“ würde das Marketing vereinfachen und eine gemeinsame Website wäre der Ort, an dem alles über Film zu finden ist. „Das klingt jetzt nicht sehr spannend, aber damals gab es keinen Ort, an dem man ein Filmprogramm für alle Kinos finden konnte.“

Nicht alle Kinos waren sofort begeistert. Sie sind gewissermaßen Konkurrenten. Dann ist es seltsam, plötzlich zusammenzuarbeiten.“ Frühere Versuche waren bereits umsonst gescheitert. Warum waren Hosman und seine Freunde erfolgreich? Vielleicht hat es geholfen, dass sie bereits einen Fuß in der Branche hatten. „Obwohl wir erst zwanzig Jahre alt waren“, sagt Hosman, „haben wir wirklich nur etwas gemacht.“ Aber mit dieser Naivität und jungen Begeisterung gelang es ihnen, dreizehn Filmhäuser zu überzeugen.

Netflix und Corona

Dreizehn Jahre später haben sich 58 Filmhäuser in den Niederlanden dem Kollektiv angeschlossen. Eigentlich gehört ihnen Cineville. Jedenfalls alle Daten und fast 90 Prozent aller Einnahmen. Die rund 60.000 Pass-Besitzer zahlen je nach Alter etwa 17 bis 21 Euro im Monat, die sich die Kinos nach Besucherzahlen untereinander aufteilen.

Es ist auch möglich, dass ein zu fanatischer Karteninhaber einen Verlust erleidet – manche gehen bis zu zwanzig Mal im Monat. „Aber bei 30 Kinobesuchen im Jahresdurchschnitt ist der Pass für alle Seiten günstiger.“ Letztlich sei es eine gute Nachricht, wenn mehr Leute im Kino seien, sagt Hosman. Cineville leistet dazu einen wichtigen Beitrag. „Unsere Passinhaber sind abenteuerlustiger. Sie gehen auch zu den kleineren Titeln, weil es sich so anfühlt, als wäre es kostenlos.“

Mitgründer Thomas Hosmann.  Bild Raymond Rutting / Volkskrant

Mitgründer Thomas Hosmann.Bild Raymond Rutting / Volkskrant

Natürlich gibt es Konkurrenz, aber das ist eher wie ein Abend in der Kneipe oder im Restaurant, denkt Hosman. Schließlich ist das Kino ein Ausflug. Der Aufstieg der unzähligen Streaming-Dienste spiegelt sich daher kaum in den Zahlen wider. „Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer Menschen geben wird, die Filme im Kino sehen wollen. Nicht alle, aber die Züchter, auf die wir uns konzentrieren.“

Die Treue des Cineville-Publikums zeigte sich während des Corona-Lockdowns einmal mehr: 70 Prozent der Mitglieder entschieden sich für eine Weiterzahlung. Jetzt, wo sie wieder geöffnet sind, stellt Hosman fest, dass die Leute den Kinobesuch verpasst haben. Obwohl die Gesamtzahl der Besucher hinterherhinkt, wächst die Zahl der Passinhaber stetig. Obwohl früher oder später eine gläserne Decke unvermeidlich sein wird. „100.000 Mitglieder wären schön, aber letztendlich ist die Zahl der Kinos und Enthusiasten in den Niederlanden begrenzt.“

Grenzüberschreitend

Eine Million Mitglieder mag in den Niederlanden unmöglich sein, aber es gibt noch viel Filmpublikum zu gewinnen. Seit letztem Sommer können belgische Filmbegeisterte mit Cineville in Brüssel ins Kino gehen. Ein österreichischer Pass wird bald folgen, wenn auch unter anderem Namen. „Zum Glück haben wir nicht den Ehrgeiz, ein Großer zu werden Cinemaville Europa werden.‘ Möchten Sie mit einem Pass in ganz Europa ins Kino gehen? Das ist ein Traum. „Aber das geht mit hundert verschiedenen Namen.“

Bis so ein Europapass Fakt ist, wird wohl noch einige Zeit vergehen, denn trotz des bewährten Konzepts bedarf es noch einmal einiger Überzeugungsarbeit, um die Kinos zum Mitmachen zu bewegen. Außerdem sind die Kinos regelmäßig in den Händen von Enthusiasten. „Einige haben nicht einmal eine Website“, sagt Hosman. „Schauen Sie sich an, wie Sie das in einem Buchungssystem zusammenfassen können.“

Ein weiteres Déjà-vu-Erlebnis während der internationalen Expansion: die junge Zielgruppe, die als erste den belgischen Cineville-Pass annimmt. „2009 sahen auch die älteren Filmfans zuerst die Katze vom Baum“, sagt Hosman. In den Niederlanden sind immer noch mehr als die Hälfte aller Passinhaber unter 35 Jahre alt.

Neue Generation

In dieser Hinsicht ist die Mission von Cineville erfüllt. „Aber ja, wir konzentrieren uns auf ein junges Publikum. Man muss jeden Nachwuchs davon überzeugen, dass Kino nicht nur den Eltern Spaß macht.“ Deshalb setzt sich das Unternehmen nach wie vor aktiv dafür ein, ein möglichst vielfältiges Sortiment anzubieten. „In den Kinos geht es um das Programm, aber wir versuchen, in unseren Kampagnen so vielen Stimmen wie möglich Gehör zu verschaffen.“

Die Botschaft sollte klar sein: Film ist für alle da. Obwohl Hosmans eigener Lieblingsfilmer ein bisschen ist Hafermilch-Elite, er lacht quasi verlegen. Mit Apichatpong Weerasethakul, einem thailändischen Regisseur mit Vorliebe für magisch-realistische Filme, kann er junge Kinogänger vielleicht nicht überzeugen. Zum Glück zeigen jetzt auch Kinos die Neuen Top Gun.



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