Das erneuerte Schuhmuseum in Waalwijk ist eine Party für Schuhfreaks

Das erneuerte Schuhmuseum in Waalwijk ist eine Party fuer Schuhfreaks


Das renovierte Schuhmuseum, Schuhviertel in Waalwijk.Statue Annabel Miedema

Sie waren ein bisschen abstoßend, Agnethas Stiefel. Mindestens einer: der linke, ein cremeweißer, kniehoher Stiefel mit schönem Blockabsatz und Satinschleifen drumherum. Manchen Abba-Fan kennt sie: Es sind die Majoretten-Stiefel, die Sängerin Agnetha Faltskög wie Kollegin Anni-Frid Lyngstad unter einer weißen Tunika mit Katze drauf trug. 1975, zur Zeit ihres Monsterhits SOS† Der linke Stiefel fiel in der größten Vitrine der Ausstellung immer wieder um Zieh deine roten Schuhe an im Schuhviertel in Waalwijk.

Das ist eine Vitrine zum Aufsetzen der Nase, denn hier stehen Stepper von weltberühmten Popstars brüderlich Seite an Seite. Elvis-Loafer stehen Kopf an Fuß mit Lady Gaga-Stiefeln. Plateauschuhe mit Glitzersohlen von Elton John glänzen neben roten Plateaustiefeln von David Bowie. Und dann gibt es Turnschuhe, Pumps, Wallabys, Timberlands, Wathosen und Dr. Marder von Prominenten wie Madonna, Beyoncé, Katy Perry, De la Soul, Run DMC und vielen anderen.

Diese Ausstellung, die die Beziehung zwischen Schuhen, Musik und Identität untersucht, soll die Hauptattraktion des renovierten Schuhviertels in Waalwijk werden. Smart natürlich, denn mit so vielen verschiedenen Schuhen von so vielen verschiedenen Weltstars unter einem Dach gibt es für jeden Musikfan einen triftigen Grund, nach Waalwijk zu reisen. Das Museum befindet sich jetzt im Herzen der Gemeinde, am Raadhuisplein 1. Am 28. Juni öffnen sich nach 5,5 Jahren Vorbereitung, Umzug und Renovierung endlich die Türen für die Öffentlichkeit.

Plateauschuhe von Elton John.  Statue Bata Schuhmuseum

Plateauschuhe von Elton John.Statue Bata Schuhmuseum

Drei Wochen vor der Eröffnung liegt Inge Specht mit dem Kippstiefel noch etwas im Magen, weshalb das Ding in ihrem Arbeitszimmer wie eine Patientin auf einem weißen Tisch liegt, während das Team über eine Lösung grübelt ihn aufrecht. Specht ist seit langem Kuratorin des Schuhmuseums und eine der Gestalterinnen der Ausstellung, für die sie und die stellvertretende Kuratorin Fleur Dingen sich unter anderem Schuhe aus dem Bata Shoe Museum in Toronto, den David Bowie Archives und dem Abbas Museum ausgeliehen haben.

Zwölftausend Schuhe auf dreitausend Quadratmetern

Nicht, dass Specht schon immer ein Schuhexperte gewesen wäre. Bevor sie 1996 mehr oder weniger zufällig als Teilzeitkraft im Niederländischen Leder- und Schuhmuseum landete, hatte sie die Modeakademie absolviert und sich zur Textilrestauratorin ausbilden lassen. Einmal im Dienst, stürzte sie sich in das Inventar von etwa siebentausend Schuhen (Anmerkung: nicht nur Paare) und technischen Gegenständen.

Der Schwerpunkt des 1953 vom Lehrer und Schuhsammler Antoon Hendriks als „Stichting Oudheidkundig Museum voor de Schoenen Lederindustrie“ gegründeten Altschuhmuseums lag auf der internationalen Geschichte des Schuhhandwerks. Deshalb gab es vor allem ethnographische Exemplare wie afrikanische Sandalen, japanische Tabi-Pantoffeln, Opan-Heels vom Balkan und Inuit-Stiefel. Im Laufe der Jahre kamen Schuhe niederländischer Marken und Designer wie Lola Pagola, Hester Vlamings, Ilona Koudijs und René van den Berg hinzu.

Das Shoe Quarter mit roten Stiefeln von David Bowie rechts in der Wechselausstellung „Put on your red shoes“.  Statue Annabel Miedema

Das Shoe Quarter mit roten Stiefeln von David Bowie rechts in der Wechselausstellung „Put on your red shoes“.Statue Annabel Miedema

Früher sei das Museum längst nicht mehr so ​​schön, weitläufig und zentral gewesen, sagt Specht. Nach einigen vorübergehenden Unterkünften in Häusern zog es 1983 an einen Standort am Rande der Stadt, im Industriegebiet Zanddonk, in die alte Schuhfabrik Pinocchio. Bereits 2007 war ein Umzug an den jetzigen Standort, in den bereits im Jahr 2000 sanierten Westflügel des denkmalgeschützten Kropholler-Komplexes, im Gespräch. Aufgrund der Krise wurden die Pläne auf Eis gelegt.

2021 konnte trotz Corona-Pandemie endlich mit dem Umbau begonnen werden. Und nun ist es endlich, endlich fertig und Kuratorin Specht sitzt stolz im großzügigen, hellen Museumscafé neben dem Museumsshop und erzählt, was gerade passiert ist. Und um zu erklären, wie sich das neue, dreitausend Quadratmeter große Schuhquartier mit einer Sammlung von zwölftausend Schuhen vom alten Schuhmuseum unterscheidet.

Im ersten Stock steht nicht der Schuh an sich im Fokus, sondern die gesamte Branche.  Statue Annabel Miedema

Im ersten Stock steht nicht der Schuh an sich im Fokus, sondern die gesamte Branche.Statue Annabel Miedema

„Im alten Museum gab es wenig Interaktion“, sagt sie, „außer bei Schuhen konnte man höchstens eine Vorführung eines ehemaligen Schuhmachers sehen. Het Kwartier ist viel mehr als ein Ausstellungsraum. Wir haben zwei öffentliche Labore, eines für die Schuhsohlen, das andere für den Schaft, die ebenso wie der Museumsshop und das Café für jedermann zugänglich sind. Im unterirdischen Labor, wo die Arbeit gefährlich sein kann, kann unter Aufsicht gearbeitet werden. Im oberen Labor können Macher selbst hinter die Maschinen steigen und interessierte Besucher können Workshops zuschauen oder verfolgen.

Elvis Presley Schuhe aus den 1970er Jahren.  Statue Bata Schuhmuseum

Elvis Presley Schuhe aus den 1970er Jahren.Statue Bata Schuhmuseum

„Wir haben auch ein Pop-up-Labor für Künstler, die mit Leder arbeiten möchten und nach bestimmten Maschinen und Kenntnissen suchen. Für das Design haben wir uns vom Textilmuseum in Tilburg inspirieren lassen. Und genau wie sie haben wir auch ein Wissenszentrum mit Materialschränken und allen möglichen Büchern zu unserem Thema.‘

Im Erdgeschoss, vorbei am Museumsshop, erklärt eine umfangreiche Installation mit Maschinen, Materialmustern, Videos, Fotos und Leisten anschaulich die Schritte, die nötig sind, um aus einem Stück Leder oder Stoff einen Schuh zu machen. Specht: „Wir haben den gesamten Prozess vom Gerben bis zum Schnüren in 27 Schritte unterteilt – eine tolle Vereinfachung des eigentlichen Prozesses, aber man bekommt eine Vorstellung davon, was es braucht, um einen Schuh zu machen.“ Eine Etage höher steht nicht der Schuh selbst im Mittelpunkt, sondern die gesamte Branche, insbesondere die in der Langstraat, der Region, deren Herz Waalwijk ist.

Plateau-Sneaker, getragen von Geri Halliwell (Ginger Spice), 1990er.  Statue Bata Schuhmuseum

Plateau-Sneaker, getragen von Geri Halliwell (Ginger Spice), 1990er.Statue Bata Schuhmuseum

Chunky Farmboots und raffinierte Damenpumps

Kurze Geschichte: Die Langstraat hat ihren Namen von einem Deich aus dem 15. Jahrhundert, der von Geertruidenberg bis Den Bosch durch den Sumpf zwischen der Oude Maas und den Sandböden von Brabant verlief. Dank der Verfügbarkeit von Wasser (notwendig für das Gerbbad), Viehzucht (Häutelieferant) und Eichen (Rohstoff für das Gerbgut) entwickelte sich ein reger Lederhandel. Im 19. Jahrhundert blühte die Region auf, doch in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ging es langsam bergab. Auch die Zahl der Schuhfabriken ging stetig zurück. Von den 227 im Jahr 1960 waren 2001 nur noch etwa zwanzig übrig.

Gute und schlechte Zeiten werden im ersten Obergeschoss des Schuhquartiers auch für Kinder und Erwachsene mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne ansprechend und zugänglich präsentiert. Durch die Fokussierung auf vier Mitarbeiter, die jeweils einen anderen Zweig der Schuhindustrie repräsentieren, zeichnen Objekte, Bilder und Tonfragmente ein vielschichtiges Bild von harter Arbeit, technischem Fortschritt und sich rasant verändernder Fußmode.

Die „Insta-Wand“ in der Sonderausstellung „Zieh deine roten Schuhe an“.  Statue Annabel Miedema

Die „Insta-Wand“ in der Sonderausstellung „Zieh deine roten Schuhe an“.Statue Annabel Miedema

Bescheiden in Wandvitrinen ausgestellt sind historische Schuhe, die von klobigen Bauernstiefeln bis hin zu eleganten Seidenpumps für Damen reichen. Specht hilft bei der Diskussion, räumt aber sofort mit einem hartnäckigen Missverständnis auf: „Es ist Unsinn, dass die Menschen früher so kleine Füße hatten. Erwachsene zogen ihre Schuhe aus und warfen sie weg. Die Schuhe, die sie aufbewahrten, waren, wie wir es heute noch tun, teure Spezialschuhe, unverkäufliche kleine Größen und Kinderschuhe.‘ Voilà, das Geheimnis der kleinen Füße ist gelöst.

Im zweiten Stock, unter den Hahnenbalken, befindet sich die umfangreiche historisch-ethnographische Sammlung, die Antoon Hendriks einst angelegt hat. Ein Fest für Schuhfreaks, das von schmuddeligen, heruntergekommenen Clogs bis hin zu schneeweißen Turnschuhen reicht und in der Ausstellung endet, wo – neben den Pantoffeln ihres Ex Benny – Agnethas Stiefel am Tag des Schuhquartiers zweifellos stolz sein werden öffnet sich endlich und endlich wieder.

Zieh deine roten Schuhe an, 28. Juni bis 5. Februar 2023, Schuhviertel in Waalwijk.

Offenes Haus

Das Amsterdamer Architekturbüro Civic Urban Architects war für den Entwurf des neuen Schoenenkwartier verantwortlich, das sich für eine offene und leichte Struktur entschied. Planemos war für den Bau verantwortlich. Der ehemalige Innenhof des 1929 von Alexander Kropholler entworfenen Gebäudes wurde in ein überdachtes und helles Atrium mit einem Fischgrätenziegelboden umgewandelt, der dem Gehweg des Raadhuisplein entspricht. Das Museumsdesign wurde von der Utrechter Agentur Tinker Imagineers in Zusammenarbeit mit Kloosterboer Decor aus Purmerend und Yipp Interactive aus Amsterdam entworfen.

Das Schuhviertel am Raadhuisplein in Waalwijk.  Bild Jeroen Pulls

Das Schuhviertel am Raadhuisplein in Waalwijk.Bild Jeroen Pulls

Versteck spiel

In den Vitrinen des Schoenenkwartiers befinden sich ein uralter Schuh und ein kaputter Holzschuh, die beim Abriss historischer Gebäude gefunden wurden. Gebrauchte Schuhe einmauern in Mauern und Schornsteinen ist eine uralte Tradition zur Abwehr von Hexen, bösen Geistern und anderem Unglück. Seit den 1950er Jahren wurden fast 2.000 versteckte Schuhe in Häusern, Kirchen und Schlössern in Nordeuropa gefunden. Eine freundliche Alternative zum Einmauern toter Katzen (angeblich sogar effektiver).



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