Das digitale Leben lässt die Straßenzeitung kalt: „Eigentlich hat kaum jemand Bargeld in der Tasche“

Das digitale Leben laesst die Strassenzeitung kalt „Eigentlich hat kaum


Riepe-Verkäufer René an seiner Stammverkaufsstelle in Groningen.Bild Harry Cock / de Volkskrant

„Anstecknadeln sind hier möglich“, steht auf seinem Abzeichen. „Ich muss mal schauen, ob ich WLAN habe“, sagt er Der ReifeVerkäufer René. Früher war es vielleicht eine Ausrede. „Aber Bargeld hat heute kaum noch jemand in der Tasche.“

„Hallo, Ria“, begrüßt er einen Passanten. Nach sechs Jahren an seinem festen Platz für den Jumbo im Groninger Oosterparkwijk weiß René: Niemals drängen. „Menschen, die eine Straßenzeitung kaufen wollen, tun das freiwillig.“ Häufiger reichen Käufer ihm etwas. Lebensmittel besonders. „Letztes Jahr habe ich fünf Rouladen zu Weihnachten bekommen.“

Der Reife (Gronings für ‚Pflaster‘) besteht seit 25 Jahren. Die Straßenzeitung der nördlichen Niederlande wurde gegründet, um Obdachlosen dabei zu helfen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und das Bild, das die Menschen von ihnen haben, zu korrigieren, sagt Chefredakteur Dominique Krauts. Das Magazin konzentriert sich nun in einem weiteren Sinne auf die unterbelichtete, weniger glückliche Seite der Gesellschaft.

Weniger Verkäufer, kleinere Auflage

Doch die Zahl der Verkäufer ist rückläufig. Früher waren es 120, jetzt etwa siebzig. Einige wechseln zu einer reguläreren Arbeit. Doch gerade die jüngere Generation steht nicht gerne mit der Zeitung in der Hand vor einem Supermarkt. Krauts: „So will nicht mehr jeder auf der Straße gesehen werden.“ Auch die Auflage ist rückläufig. Früher wurden in regelmäßigen Monaten teilweise mehr als 10.000 Exemplare pro Ausgabe verkauft, heute sind es meist um die 6.000.

Verkäufer kaufen Exemplare von „De Riepe“ für den Straßenverkauf.  Links zwei Roma, rechts Willem.  Bild Harry Cock / de Volkskrant

Verkäufer kaufen Exemplare von „De Riepe“ für den Straßenverkauf. Links zwei Roma, rechts Willem.Bild Harry Cock / de Volkskrant

Die Stimme von Tony Grootenhuis übertönt kaum das Rattern der Geldzählmaschine. ‚293,20 Euro, 195 Riepes“, rechnet der Projektleiter auf seinem Handy vor. Die Verteilung der Weihnachtsausgabe hat heute Morgen im Büro des Aufnahmezentrums Het Twaalfde Huis begonnen: eine dicke Ausgabe mit einer fast doppelten Auflage von 14.000 Exemplaren.

„Ein Hexenkessel“, sagt Grootenhuis. Nur heute erhalten Verkäufer drei kostenlose Exemplare. Sie zahlen dann 1,50 Euro pro Zeitschrift, die sie für 3 Euro verkaufen. Alle wollen früh da sein. ‚Jeder weiß: Im Dezember laufen die Verkäufe viel besser.‘

Bekannte Gesichter

Einige Straßenzeitungsverkäufer sind bekannte Gesichter in der Groninger Innenstadt. Wie das Limburger Jos, oft vor dem Groninger Museum zu finden. Er wird vierzig Riepes in. „Ich werde diesen Monat selbst dabei sein. Das muss sich gut verkaufen.“

Aber im Büro überwiegen Rumänisch und Bulgarisch. Roma sind seit Jahren die größte Verkaufsgruppe. Fünf Personen laden zwanzig Kisten Straßenzeitungen (1.000 Exemplare) in den Kofferraum eines Kombis. Ihr Arbeitsgebiet erstreckt sich von Uithuizen bis Meppel.

Anbieter Willem Bild Harry Cock / de Volkskrant

Verkäufer WilhelmBild Harry Cock / de Volkskrant

Willem (52) beobachtet die Szene missbilligend. Er hat gerade zwei Kisten mit Protestaufklebern auf die Rückseite seines Elektrofahrrads geklebt. Er macht den Job seit 18 Jahren. „Ich hatte aufgehört, aber dann fragten sie mich zurück, weil es so wenige niederländischsprachige Verkäufer gab.“

„Sie sind eine Art Familienunternehmen“, sagt Projektleiter Grootenhuis über die Roma. Er winkt das Murren ab. „Ich habe nie etwas Schlimmes mit ihnen erlebt. Und vergiss nicht: Sie bekommen keine Sozialleistungen, davon müssen sie leben.“ Außerdem ist die Abhängigkeit gegenseitig. Wir brauchen dringend ihre Verkäufe Der Reife weiter zu machen.‘

Heute hat Grootenhuis in knapp zwei Stunden mehr als 3.000 Exemplare verloren. „Aber die Leute kaufen es nicht mehr“, seufzt der fünfzigjährige Milko, ein Rumäne. Auch für Willem läuft es nicht rund. „Manchmal steht man den ganzen Tag und hat Glück, wenn man vier Zeitungen verkauft.“

QR-Code

Der Durchschnitt ReifAuch der Käufer ist laut einer aktuellen Leserbefragung über 50 Jahre alt. „Wir müssen innovativ sein“, sagt Chefredakteur Krauts. Beispielsweise wird geprüft, ob ein QR-Code eine Option ist. Und Der Reife wird mit einem Vlogger zusammenarbeiten. Er ist nach eigenen Angaben obdachlos. „Aber junge Leute konzentrieren sich mehr auf Bilder.“

Eine besondere Gefahr sieht Projektleiter Grootenhuis im Verschwinden von Münzen. Ein mobiles PIN-Gerät, wie es René und Willem haben, ist nicht für alle Verkäufer eine Option. Dafür benötigen Sie ein eigenes Bankkonto. Und Gerrit (62) will mit „dieser digitalen Misere“ nichts zu tun haben.,

Das brauche er auch nicht, sagt der ehemalige Matrose mit Cowboystiefeln und langen Haaren. „Du verkaufst nicht so viel Der Reife, du verkaufst dich hauptsächlich selbst.“ Er passt auf einen Hund auf oder stellt ein Fahrrad zur Seite. „Serviceorientierung, darum geht es.“

Auch er bekommt regelmäßig die Frage: Bist du wirklich obdachlos? Das war er über sechs Jahre lang. Aber jetzt hat er sein eigenes Haus. „Seit September 2019“, sagt er feierlich.

‚Betrüger‘

Er ist keine Ausnahme, im Gegenteil. René kennt noch einen ReifVerkäufer, der wirklich kein Dach über dem Kopf hat. Er selbst geriet nach Arbeitsunfähigkeit und Scheidung an den Rand der Gesellschaft. „Als sie mich gefragt haben Der Reife Um mit dem Verkaufen anzufangen, dachte ich: Darf man das? Ich war nicht süchtig und hatte ein Haus.‘ Auch Willem, der im betreuten Wohnen lebt, wird manchmal „Betrug“ vorgeworfen. „Aber wenn ich Der Reife Hätte ich das nicht getan, wäre es für mich ganz anders gekommen.“

Auf ihren Lohn können sich die niederländischsprachigen Verkäufer seit Jahren nicht verlassen. Die Tipps sind gut, gerade in den dunklen Monaten. Wilhelm ist besorgt Riepes sogar, in einen Umschlag gesteckt, mit „Abonnenten“ wie dem Floristen und dem Friseur neben seinem Stand für das Plus.

René legt auch Wert auf ein gutes Verhältnis zur Umwelt. Er kann sich immer drinnen verstecken. „Sonst wird der Kundenmanager dafür gescholten, dass er mich im Regen stehen lässt.“ Letztes Jahr war der Straßenzeitungsverkäufer sogar beim Jumbo-Mitarbeiterfoto dabei. Und ich bekomme jedes Jahr ein Weihnachtsgeschenk.



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