Dammbruch in der Ukraine ist „Ökozid“: verrottende Bäume, ertrunkene Tiere und eine neue Wüste

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Der Boden des trockengelegten Stausees Kachovka ist mit toten Fischen übersät.Bild Sergiy Chalyi / Reuters

Massenevakuierungen, überschwemmte Farmen, schwimmende Minen, die noch über Jahre hinweg eine Bedrohung darstellen könnten. Die Explosion des Kachovkadam ist eine humanitäre Katastrophe. Auch Umweltschützer fürchten die Schäden für die Natur durch die Wassermassen, die inzwischen eine Fläche von Hunderten Quadratkilometern überschwemmen, und den flussaufwärts rapide sinkenden Wasserspiegel.

Zudem droht eine Ölpest. Nach Angaben des Umweltschutzministeriums sind aufgrund der Schäden am Wasserkraftwerk Kachovka mindestens 150 Tonnen Öl in den Fluss Dnipro gelangt. Gelangt es bis zum Schwarzen Meer, sind auch dort Tier- und Pflanzenarten gefährdet.

Lyudmyla Tsyhanok, Präsidentin des Verbands der Ökologen in der Ukraine, spricht in einer Erklärung von einem „Akt des Ökozids“. Die Ukraine ist überzeugt, dass der Dammbruch das Ergebnis einer Sabotage durch Russland ist, das wiederum behauptet, die Ukraine habe den Damm selbst gesprengt.

Tsyhanok sagt, dass mehr als 3.000 Quadratkilometer Land überflutet werden, in einem Naturgebiet, das mehr als 330 verschiedene Tier- und Pflanzenarten beheimatet.

Geschütztes Naturgebiet

Der Stausee selbst ist auch für sein Ökosystem mit 62 verschiedenen Vogelarten bekannt, die für ihre Nahrung auf dieses Biotop angewiesen sind. Sowohl der Stausee als auch das Gebiet entlang des Flusses Dnipro stehen auf der Liste des Emerald Network, einem europäischen Äquivalent der UNESCO-Liste der Naturschutzgebiete.

Es sei immer noch schwierig, den genauen Schaden zu ermitteln, sagt Tsyhanok, auch weil Ökologen keinen Zugang zu den besetzten Gebieten hätten. Dennoch kann sie eine Schätzung abgeben. Beispielsweise ist das linke Ufer des Flusses Dnipro mit Nadelbäumen bepflanzt, die unter relativ trockenen Bedingungen gut gedeihen. Bleibt die Fläche aufgrund des Hochwassers über einen längeren Zeitraum unter Wasser, kommt es zu Holzfäule. „Die Bäume können absterben, wenn sie 20 Tage oder länger unter Wasser bleiben, und das ist zu erwarten.“

Fons Smolders, Professor für angewandte Biogeochemie an der Radboud-Universität, stimmt diesem Risiko zu. „Selbst ein 100 Jahre alter Baum ist anfällig, denn wenn so viel Wasser über dem Boden ist, gibt es keinen Sauerstoff mehr im Boden und die Wurzeln sterben ab.“ Auch gegen das Wasser hatten viele Tiere keine Chance. Ein Vogel fliegt vielleicht immer noch weg, aber viele andere Säugetiere wie Mäuse und Maulwürfe sind ertrunken.

Trocknung

Oberhalb des Staudamms sinkt der Wasserspiegel rapide, mit ganz anderen Folgen beispielsweise für Wasserpflanzen und Fische. Smolders: „Dieser Bereich wird jetzt austrocknen.“

Auch auf 584 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in der Region lauert die Austrocknung. Nach Angaben des ukrainischen Landwirtschaftsministeriums wurden die Bewässerungssysteme der Bauern hier durch das Wasser zerstört. Im Jahr 2021 sollen hier rund 4 Millionen Tonnen Getreide und Rapsöl produziert werden, so das Ministerium, das davon ausgeht, dass sich das Gebiet in eine Wüste verwandeln wird.



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