Brüssel setzt extremen Gaspreisen eine Grenze von 275 Euro pro Megawattstunde

Bruessel setzt extremen Gaspreisen eine Grenze von 275 Euro pro


Der „Marktkorrekturmechanismus“ der Europäischen Kommission soll den Gaspreis nicht auf ein künstlich niedriges Niveau drücken.Bild Kacper Pempel / Reuters

Der lang erwartete Vorschlag, der heute von Kommissarin Kadri Simson (Energie) vorgelegt wurde, ist politisch und technisch ein mühsamer Kompromiss. Sie weigerte sich, die Frage zu beantworten, ob der Mechanismus – hätte die EU ihn schon gehabt – wegen der stark gestiegenen Energiepreise in diesem Jahr aktiviert worden wäre. Die europäischen Energieminister werden den Vorschlag am Donnerstag erörtern. EU-Beamte und Diplomaten erwarten eine harte Debatte.

Etwa fünfzehn EU-Staaten fordern seit sechs Monaten eine Preisbegrenzung für Gas. Bürger und Unternehmen in Europa zahlen jetzt deutlich mehr für ihre Energie, da die russischen Gasimporte weniger als ein Viertel des früheren Wertes betragen. Vor der russischen Invasion in der Ukraine schwankte der Gaspreis um 20 Euro pro Megawattstunde, im vergangenen Sommer lag er bei über 300 Euro. Der Marktpreis wird derzeit auf 120 Euro pro Megawattstunde geschätzt.

Automatisch

Simson betonte, dass der „Marktkorrekturmechanismus“ nicht dazu gedacht sei, den Gaspreis auf ein künstlich niedriges Niveau zu drücken. Sie nannte den Mechanismus „einen letzten Ausweg“, um „Perioden extrem hoher Preise“ zu vermeiden. Damit reagiert die Kommission auf die Befürchtungen der Niederlande und Deutschlands, dass eine strikte Preisobergrenze zu Gasknappheit führen wird, weil Gasproduzenten ihre begehrte Ware woanders günstiger verkaufen.

In ihrem Vorschlag wird der Abschluss der gängigsten Gasverträge untersagt, wenn der Gaspreis zwei Wochen lang über 275 Euro pro Megawattstunde liegt. Eine weitere Bedingung ist, dass der Gaspreis an zehn aufeinanderfolgenden Tagen ebenfalls mindestens 58 Euro über dem globalen Referenzpreis für LNG (Flüssiggas) liegen muss. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, wird der Korrekturmechanismus automatisch aktiviert. Sinkt der Kurs wieder, folgt die Deaktivierung. Die Kommission will, dass der Korrekturmechanismus zum 1. Januar greift und rechnet mit Preiserhöhungen im kommenden Frühjahr, wenn die Mitgliedstaaten ihre Gasvorräte auffüllen müssen.

Wichtig für Den Haag und Berlin ist, dass die Kommission beschließen kann, den Mechanismus nicht zu aktivieren oder ihn auszusetzen, wenn Gasknappheit droht. Es wird auch weiterhin möglich sein, Gas außerhalb des Marktes (über bilaterale Vereinbarungen) einzukaufen. Während des letzten EU-Gipfels im Oktober haben Ministerpräsident Mark Rutte und Bundeskanzler Olaf Scholz solche Schutzmaßnahmen in den frühen Morgenstunden durchgesetzt.

Viele südliche Länder wollen eine niedrige Preisobergrenze für den Gaspreis. Diesen Ländern fehlt oft das Geld, um Bürgern und Unternehmen mit nationalen Förderpaketen bei ihren hohen Energierechnungen zu helfen.

Politischer Druck

Händler lehnen eine Gaspreisbegrenzung entschieden ab. Sie prognostizieren Verknappungen und weitere düstere bilaterale Verkaufsverträge und glauben, dass eine Obergrenze von 275 Euro pro Megawattstunde den derzeit niedrigeren Gaspreis tatsächlich erhöhen wird. Auch die Kommission war lange Zeit nicht von einer Preisobergrenze überzeugt, kam aber dennoch unter großem politischen Druck der Mitgliedstaaten zu einem Vorschlag.

Der Korrekturmechanismus gilt als letztes Stück zur Beruhigung der Energiemärkte. Zuvor hatten die Mitgliedsstaaten bereits Gasvorratspflichten, Energieeinsparung, die Abschöpfung der Megaprofite der Energiekonzerne, den Import von deutlich mehr LNG und zusätzliche Energiegewinnung aus Sonne, Wind und Wasserstoff beschlossen. Die EU-Staaten diskutieren außerdem über einen gemeinsamen Gaseinkauf (der den Preis senkt), schnellere Genehmigungen für den Bau von Wind- und Solarparks und einen völlig neuen Preismechanismus für Gas.



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