Barbie ist rollenbejahender Mädchenkitsch, ironisches Augenzwinkern und feministisches Manifest in einem

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Barbie (Margot Robbie) greift in ein Gespräch zwischen zwei Kens ein: Simu Liu links, Ryan Gosling rechts.Bild

Ja, heute wird ein weiterer wundervoller Tag im Barbieland! Wachen Sie fröhlich in Ihrem Herzbett auf, die Frisur ist sofort perfekt – und los geht’s zu einer fröhlichen Rollschuh-Party oder einer fröhlichen Beachvolleyball-Party. Heute Abend wieder Mädelsabend, wie jeden Abend, mit rosa Glitzerkugeln und perfekt synchronisiertem Tanz, immer gut gekleidet und immer – stets – mit einem strahlenden Lächeln und spitzen Zehen. „Das ist der beste Tag aller Zeiten“, strahlt Margot Robbie als „stereotypische Barbie“ auf der Tanzfläche, umgeben von ebenso glücklichen anderen Barbies und Ken. „Genau wie gestern und morgen und jeden Tag von jetzt an bis in alle Ewigkeit!“

Barbieland ist die Heimat der berühmten Plastikpuppe und Regisseurin Greta Gerwig verleiht diesem rasanten, zuckersüßen Spielzeugparadies eine angenehme Schicht Selbstironie. Da ist das Barbie-Traumhaus, mit einer rosa Rutsche zum künstlichen Swimmingpool, die motorlose rosa Corvette flitzt lautlos dahin; Es gibt Plastikeis, rosa Regenschirme, rosa Sand und Pappwellen – Fantasie und Spiel stehen hier im Vordergrund. Und Utopie: Für Gerwig ist Barbieland nicht nur ein bonbonfarbenes Wunderland, sondern auch ein gelungenes Matriarchat, in dem Barbies alle gesellschaftlichen Funktionen einnehmen. Sie sind Bauarbeiter, Journalisten, Ärzte, Richter, Nobelpreisträger und sogar Präsidenten. Ken spielt auf dieser Welt nur eine Nebenrolle. Seine Stellenbeschreibung lautet einfach: „Strand“.

Über den Autor
Herien Wensink ist künstlerischer Leiter von de Volkskrant und Theaterkritiker. Sie schreibt über Theater, Film, Serien und Popkultur im weiteren Sinne.

Ja, Barbies Leben ist strahlende, selbstbewusste Perfektion, bis der bonbonrosa Fondant in Risse platzt. Die stereotype Barbie muss sich auf eine epische Mission begeben, um unerwünschte menschliche Unvollkommenheiten wie Cellulite und Plattfüße zu bekämpfen. Denn von einem Tag auf den anderen passiert das Unvorstellbare: Barbies Absätze fallen plötzlich auf den Boden. Markantes Zitat: „Wenn meine Füße so geformt wären, würde ich nie Absätze tragen!“

Dass Greta Gerwig nach eigenwilligen, subtil feministischen Filmen sucht Lady Bird (2017) und Kleine Frau (2019) würde sich um Barbie kümmern schien für Fans und Skeptiker gleichermaßen eine gute Nachricht zu sein. Gerwigs Engagement (zusammen mit Partner und Co-Drehbuchautor Noah Baumbach) würde in jedem Fall eine warmblütige Herangehensweise, intelligenten Humor und die nötige Systemkritik garantieren. Geschickt spielt die Regisseurin mit dem feministischen Unbehagen rund um die Puppe: Ist sie nun eine Garderobe für Mädchenambitionen oder ein Plakat für ein unerreichbares Schönheitsideal? Ihre Antwort: beides. Gerwigs Barbie ist ein cleverer Balanceakt: rollenbejahender Mädchenkitsch, ironisches Augenzwinkern und feministisches Manifest in einem.

Der Regisseur versteht es, aus diesem fröhlichen Spielzeugschmaus einen echten Ideenfilm zu machen, der hier und da unter der (pseudo-)intellektuellen Last nachgibt, aber immer durch einen weiteren auffälligen Fund oder einen tollen Witz rechtzeitig gerettet wird. Auf jeden Fall ist jede Szene, in der Ken leiden muss, urkomisch – Ryan Gosling ist großartig als der hohlköpfige, sonnengebräunte König der Selbstironie.

Manchmal scheint die Abfolge von witzigen Einzeilern und eingängigen Tänzen ausschließlich für TikTok konzipiert worden zu sein. Doch in der Zwischenzeit spricht Gerwig knifflige Themen an, etwa den Kontrast zwischen Barbieland und der patriarchalischen „realen Welt“, der den frustrierten Ken zu einer Trump-Männerrevolte inspiriert. Nebenbei webt sie in dieser Geschichte rund um eine seelenlose Plastikpuppe bewegende Erkenntnisse über das Menschsein.

Der Balance-Trick hat nicht ganz geklappt; manchmal Barbie ein unausgeglichener, kurioser Film, der sich bewusst und unbewusst allen Filmgesetzen widersetzt. Und dann ist da noch die unbehagliche Rolle von Mattel, dem Barbie-Produzenten, der vielleicht ein bisschen Neckerei verträgt, aber irgendwann kommerziell glorreich triumphieren wird. Erwarten Sie jede Menge Fortsetzungen, die sich um jede niedliche Barbie drehen, die jetzt vorgestellt wird, und dazu passende hysterische Merchandise-Artikel. Ein unendliches Barbie-Multiversum ist geboren, wir müssen damit leben. Aber genießen Sie diesen Moment, denn trotz der Mega-Marketingkampagne ist dieser Film immer noch unschuldig und aufrichtig. Genau wie Barbie selbst.

Barbie

Komödie

★★★★☆

Regie: Greta Gerwig
Mit Margot Robbie, Ryan Gosling, Dua Lipa, Simu Liu, Kate McKinnon und anderen
114 Min., in 161 Räumen



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