Auch der Dorfschreier kämpft mit seinen ramponierten Lautsprechern gegen den Zeitgeist

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Margaret Oostveen

Der einzige Dorfschreier in den Niederlanden mit lebenslanger Lizenz heißt Willem Boele, ist 75 Jahre alt und muss anerkennen, dass er „in Sachen Social Media“ überflüssig ist. Trotzdem wird sich auch dieser Mann bis zum Umfallen Gehör verschaffen.

Seit mehr als 50 Jahren brüllt er durch seine Lautsprecher, was zu tun ist. Inzwischen sind nur noch Königstag und Tag der Befreiung übrig, Dorfvereine arrangieren lieber alles selbst über Facebook. Aber diese Stimme wird schließlich zu einer Gewohnheit, die schwer zu brechen ist.

Rufen Sie ihn wegen eines Termins an und der ehemalige Bankangestellte beginnt zu brüllen: „ICH SCHICKE IHNEN MEINE SELBSTGESCHRIEBENE PRESSEMITTEILUNG PER E-MAIL!“

Seine Frau Alie kümmert sich um den Versand dieser E-Mail. Erster Satz der Pressemitteilung: „Was macht ein Dorfschreier, darf man fragen.“

Sein Soundauto ist ein grauer Citroën Picasso, der im alten Dorfkern von Kockengen vor dem Fenster seines Wohnzimmers steht, wo sich in 48 Jahren kaum etwas verändert hat. Alie selbst dreht mit einer modernen Kamera als Reporterin für RTV Stichtse Vecht durch Dorf und Umgebung. Alie hat auch ein Handy (Willem nicht) und kümmert sich als unbezahlte Sekretärin um Willems Post, App-Traffic und Telefonate. „Kurz gesagt, es prallt hier auf schreckliche Weise aufeinander“, sagt Alie. Willem sitzt neben ihr und nickt resigniert.

Alie wollte schon lange die riesige Schrankwand im Wohnzimmer loswerden. Sie will auch frisches Laminat statt braunem Teppich. Für Willem lässt sich davon gar nichts sagen: „Ich komme von einem Bauernhof in Portengen. Daran hat sich nie etwas geändert.«

Seine Rundfunkkarriere begann mit der Ankündigung der jährlichen Modemesse des Fußballvereins. Auf das Dach des Picasso legt Willem noch zwei Kissen seiner Gartenmöbel, darauf ein Regal und darauf zwei ramponierte Lautsprecher von 1974. Das alles festzurrt er mit einem Spanngurt. Willem startet das Auto und macht seine Musik an. Auch dies seit Jahrzehnten in der gleichen Reihenfolge: zuerst die Heide Melodie van de Heikrekels (1979), dann die Vogeltanz (1980). Und wieder.

Als ich eines Morgens mitfahre, dreht Willem um 8 Uhr den Lautstärkeregler ganz auf: „KINGSDAY 2022! AUF DER SPORTSTRASSE WIEDER VIEL ZU TUN! ALLE KOMMEN AUF DIE SPORTSTRASSE!

Heide Melodie. Vogeltanz.

Kockengen hat viele Sackgassenwohngebiete. Willem bringt sie alle zum Loch. Und dann noch einmal rückwärts fahren: „WARTE NICHT MEHR! ZIEHEN SIE SICH AN, UNTER DIE DUSCHE UND GEHEN!‘

Ja, es gibt manchmal Reklamationen, besonders von Neubauten. Und dann sagen ältere Nachbarn, dass sie nichts dagegen tun können. „WENN DU NICHT BEREITS ERWACHT BIST, DANN BIST DU ES JETZT. ALLE RAUS AUS DEM BETT!‘

Hier und da winken oder filmen Leute Willem mit einem Telefon: „Das haben sie auf Facebook gestellt. Das ist mittlerweile auch Tradition.“

Ich: ‚Du lässt die Zeit für einen Moment stillstehen‘.

Er: „Ja. Das wird geschätzt.“

Beim ersten Corona-Lockdown hatte das Dorfkomitee gedacht, dass Bedürftige eine leere Klorolle als Zeichen vor ihr Fenster stellen könnten. Willem fuhr dann durch das Dorf, um das zu verkünden. Und dann? „Dann würden die Nachbarn an der Tür einer dieser Toilettenpapierrollen klingeln, um zu helfen.“

Willem war Vorstandsmitglied in der Oranjevereniging, dem Dorfkomitee, der Stiftung 4. und 5. Mai und hat sein eigenes Seniorenprogramm im Lokalradio, das Der geheime Kanal heiß, genau wie früher seine Piratenstation. Er macht immer noch genau das Gleiche jeden Samstag. Alie sehnt sich nach Urlaub im Ausland, aber auch das geht nicht, denn Willem fährt auch in den Ferien samstags für sein Programm nach Hause. Alie: ‚Hier kratzt es wirklich.‘

„WAS FÜR EINE PARTY, KOMM ZUR SPORTSTRASSE!“ Eine Schafherde auf einer Wiese hebt ab. Dann schauen Sie sich an, wie der Bau der Feierlichkeiten am Sportweg voranschreitet. Aus den Lautsprechern: „GOOD WORK GUYS.“

Wieder zu Hause beginnt Alie wieder über das Interieur zu sprechen.

Ich: ‚Es ist in der Tat etwas, eh …‘

Allie: ‚Altmodisch. Und er will wirklich nichts ändern. Er ist völlig zum Stillstand gekommen.‘

Willem: ‚Klar.‘

Sie waren einmal auf Teneriffa. Danach wollte Willem nicht mehr fliegen.



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