ASSISEN. „Führerbefehl? Das soll lustig sein, nicht wahr, Herr Vorsitzender“: Angeklagter „Tom Spier“ spricht im Prozess

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„Marie-Jeanne, hab keine Angst. Hier wird nichts passieren.“ Mit dieser beruhigenden Botschaft an die treue Haushälterin seines Vaters feierte Tom „Spier“ Debaillie Anfang 2017 sein Comeback auf dem Familienanwesen Hoog Mosscher. Es kam anders, erklärten die Ermittler heute beim Schwurgerichtsverfahren in Brügge.



ANGEKLAGTER: Tom Debaillie (59)

OPFER: Frans Debaillie (°1929)

FAKTEN: Vatermord. In der Nacht von Samstag, 4. auf Sonntag, 5. April 2020 trat Tom Debaillie im Wohnzimmer ihres Schlosshofes Hoog Mosscher seinen Vater Frans mit ungesehener Gewalt zu Tode. Der ehemalige Bodybuilder rief selbst den Notdienst, behauptete aber monatelang, mit dem Tod des pensionierten Arztes nichts zu tun zu haben. Am Ende machte er sehr kurze Geständnisse.

VERTEIDIGER: Kris Vincke

ANWÄLTE ZIVILPARTEI: Luc Arnou, Anke Platteau, Jan Leysen, Sarah Leysen

ANKLÄGER: Francis Clarysse

Tom Debaillie betritt mit einer Fußfessel die imposante Schlossvilla hinter dem Bahnhof Kortrijk. Trotz aller bisherigen „Possen“ des gewalttätigen Tom holt Vater Frans – seit rund sechs Jahren Witwer – den verlorenen Sohn zurück. Er verschafft ihm sogar ein Einkommen als „Dienstmädchen“. Es geht tatsächlich eine Zeit lang gut. Allerdings nicht mehr lange, so die Aussage der Ermittler heute Nachmittag.


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Ich stehle nicht. Ich räume auf

Tom Debaillie

Während ihres Verhörs bei der Polizei nannte die Haushälterin eine Reihe von Vorfällen, sagte Inspektorin Valerie Deblaere aus. Besonders ein Vorfall vom 26. Dezember 2017 hat Marie-Jeanne tief beeindruckt.

Die Detectives der VLAS-Polizeizone, die den Fall Debaillie untersucht haben, von links nach rechts. Martijn Coucke, Steven Vandesompele und Valerie Deblaere © Fotonachrichten

„Frans, Tom und sie waren an diesem Tag in der Küche. Frans antwortete auf etwas, das sein Sohn gesagt hatte. Tom geriet in Wut und zerrte den Arzt von seinem Stuhl. Er warf es in die Küchenecke und begann mit den Fäusten darauf zu hämmern. Als die Haushälterin eingreifen wollte, wurde auch sie geschlagen. Frans Debaillie flüchtete in die Dienstwohnung seiner Freundin. Als er einen Tag später zurückkam, fand er sich ausgesperrt wieder. Tom hatte Dinge zertrümmert und seinen Computer und seine Dateien ins Wasser des Kanals geworfen.“ Zweieinhalb Jahre später – im Nachhinein – werden sie mit anderen Beweisen herausgefischt.

Das Schloss Hochmoosscher.
Das Schloss Hochmoosscher. ©Maxime Petit

Nach über 40 Dienstjahren verlässt Marie-Jeanne das Schloss. Offiziell aus medizinischen Gründen, in Wirklichkeit, weil sie mit der Situation nicht mehr umgehen kann. Von da an ist Tom Debaillie Herr und Herr auf Hoog Mosscher. Er verkauft einige Sachen auf einem Flohmarkt für mehrere hundert Euro. „Ich stehle nicht. Ich räume auf“, heißt es. Im Strafrecht mag das stimmen – es sei denn, der Arzt war bereits altersbedingt gebrechlich.

2.841.000 Leistung

Erdnüsse jedoch im Vergleich zu den anderen. Eine Untersuchung der Financial Information Processing Unit, die mit der Untersuchung verdächtiger Finanztransaktionen im Zusammenhang mit Geldwäsche beauftragt ist, kommt zu dem Schluss, dass „der Verdacht besteht, dass Tom das Vermögen seines Vaters lange Zeit gestohlen hat“. Dieser Fall ist noch anhängig.

Es handelt sich um einen Betrag von rund 930.000 Euro. Allein in den letzten drei Monaten vor seinem Tod sponsert der Arzt gegen seinen Willen – Tom hat Vollmachten – über 100.000 Euro. Der Vollständigkeit halber hat der Angeklagte ein Nettovermögen von 2.841.000. Das liegt fast ausschließlich auf Wertpapierdepots, an denen sein Vater das Nießbrauchrecht hat.

Vorsitzender Tony Boyen
Vorsitzender Tony Boyen © Fotonachrichten

Tom hat in den letzten Monaten auch bei Hoog Mosscher die Regeln festgelegt. „Tür schließen. Führerbefehl!“, steht mit dickem schwarzem Filzstift an der Tür. Mit ein paar Sprachfehlern und einem Hakenkreuz.

Vorsitzender Boyen: „Was ist das, Herr Debaillie?“

Angeklagter: „Das soll lustig sein, nicht wahr, Herr Vorsitzender.“

Vorsitzender: „Findest du das lustig? Besondere Art von Humor.“

Angeklagter: „Entschuldigung.“

Vorsitzender: Damit zerstören Sie einen Teil des Schlosses, nicht wahr?“

Debaillie: „Oh, das ist am Diensteingang. Nicht in der Mitte des Hauses.“

Vorsitzender: „Finden Sie das angemessen in einem Haus, dessen Geschichte Sie kennen? (Hoog Mosscher wurde am Passionssonntag 1944 nicht von der Luftwaffe, sondern von der Royal Air Force bombardiert, Anm. d. Red.)

Debaillie: „Das werde ich nicht beantworten. Es sollte nicht wehtun.“

„Chronik eines angekündigten Todes“, nannte eine der drei Schwestern des Angeklagten den Tatvorlauf. Auch ein grausamer Tod, so der Bericht der Rechtsmediziner Werner Jacobs und Babette Van Rafelghem. „Erstickungsgefahr und Atemnot durch die vielen Rippenbrüche.“ Der Arzt hatte auch eine eingeschlagene Nase und einen Unterkiefer.

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© Fotonachrichten

Hätten diese Tatsachen vermieden werden können? Nach Aussage des Angeklagten ja. „Ich selbst habe nie daran gedacht, mich führen zu lassen“, sagte Debaillie auf Nachfrage des Vorsitzenden. „Das mag das Schade in meiner Akte sein. Dass ich nicht früher aufgenommen werden musste. Nach meinen schwersten Vergehen (eine Schlägerei auf dem Bahnhof Kortrijk, bei der das Opfer zwanzig Tage im Koma lag und bleibende Verletzungen davontrug, Anm. d. Red.) hätte ich ein paar Jahre in der Psychiatrie verbringen sollen. Mit manchen Menschen muss man einfach etwas härter umgehen.“

Tom Debaillie war zum Tatzeitpunkt gerade erst freigelassen worden. Wenige Stunden zuvor hatte ihn die Polizei im Zusammenhang mit einer möglichen Brandstiftung auf einer mobilen Baustellentoilette festgenommen und verwaltungstechnisch vernommen. Während der Vernehmung bestritt der Angeklagte, etwas mit der Brandstiftung zu tun zu haben. Bei der Suche, die bis kurz vor neun Uhr abends dauerte, wurde nichts gefunden. Tom Debaillie durfte daher darüber verfügen. Wenige Stunden später war ihr Vater tot.

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