Die Uferschnepfe-Küken quieken erschrocken in der aus dem Nest gefilmten Eröffnungsszene Uferschnepfe! Die Reise unseres Nationalvogels† Logisch: Etwas weiter auf der Wiese verrichtet eine überdimensionale Mähmaschine ihren Dienst. Das bedrohliche Knurren des Kolosses, das näher und lauter kommt, übertönt die Küken. Und dann mäht die Maschine knapp am Nest vorbei. Dem Schrecken entronnen. Gijs Scholten van Aschat, der sympathische Erzähler des neuen Naturfilms des Ökologen und Filmemachers Ruben Smit (u.a Die neue Wildnis), verwöhnt den Betrachter ruhig und väterlich mit dem nötigen Uferschnepfen-Wissen.
Es ist unser Vogel: Mehr als drei Viertel der nord- und westeuropäischen Population brüten hier, im holländischen Polder. Die Watvögel bewegten sich im Tempo der Völker: Als der Torfmoor gerodet war, sah die Uferschnepfe ihre Chance. Denn warum soll man ein Sumpfvogel bleiben, wenn man auch ein Wiesenvogel sein kann? Die Belastung erreichte in den 1960er und 1970er Jahren ihren Höhepunkt. Jetzt ist nur noch ein Viertel davon übrig; der Lebensraum ist durch globale Erwärmung, Dürre und Intensivierung der Landwirtschaft bedroht.
Gedreht in sieben Ländern Uferschnepfe! folgt der jährlichen Reise des Langschnabelvogels, der bei einer Vogelschutzwahl 2015 vor der Amsel und dem Haussperling zur nationalen Vogelart erklärt wurde. Wir sehen majestätische Luftaufnahmen von der Migration: Die Uferschnepfe verlassen ihr Winterziel im Senegal, wo die Reiskornpickvögel von Landwirten als Plage angesehen werden. Sie fliegen kilometerweit hoch über Westafrika, bevor sie im portugiesischen Tejo-Delta ihren ersten europäischen Stopp einlegen.
Hier und da wiederholt sich die Doku: Ein weiterer Raubvogel kreist über den Uferschnepfen, wieder mit der üblichen musikalischen Untermalung, den drohenden Trommeln. Aber Filmemacher Smit geht auch eine originelle erzählerische Spur, indem er sein Uferschnepfen-Porträt mit Bildern der holländischen Landwirtschaft verknüpft. Uferschnepfe! ist ein alarmierender Film, in dem die Ausweitung der Landwirtschaft ein großes Übel ist; Nirgendwo verschlechtert sich die Biodiversität so wie auf Ackerland. Darüber hinaus hat der Film auch ein Auge auf die kleineren, sympathischen Viehzüchter, wie Bauer Piet und Bauer Wim, die alles tun, um die Vögel zu schonen. Bei Bedarf spritzen sie Grabenwasser auf, um ihr Grasland während der Brutzeit ausreichend feucht zu halten. Sein Film zeigt auch, wie sich die Uferschnepfe im immer wärmer werdenden und immer grüner werdenden Island immer mehr senang fühlt: Unsere Nationalvogelart ist nicht allzu sehr an Landesgrenzen gebunden.
Ruben Smit hauchte dem holländischen Naturfilm 2013 mit dem Publikumshit neues (Kino-)Leben ein Die neue Wildnis, in dem die Oostvaarderplassen in einer BBC Earth-würdigen Weise dargestellt wurden. Er drehte den Film mit seinem Regisseurkollegen Mark Verkerk, woraufhin sich ihre Wege nach einigen Reibereien trennten. Die beiden bilden nun zwei etwas konkurrierende Säulen innerhalb des Naturgenres, das (weltweit) mit dem Aufkommen größerer Fernseher und kleinerer Kameras aufstieg und auch in den Niederlanden seit Jahren einen Boom erlebt. Smit leitete unter anderem Wad: Überleben an der Grenze von Wasser und Landunterschrieb Verkerk Holland: Natur im Delta plus den urbanen Naturfilm Die wilde Stadt† Derzeit arbeitet er an einem Kinofilm über die Natur von Aruba, Bonaire und Curaçao.
Inzwischen scheint die gesamte Natur in den Niederlanden erobert worden zu sein, insbesondere wenn sie auch aufgrund von Covid nach dem Sommer verschoben wurde Wolf In die Kinos kommt der Dokumentarfilm von Cees van Kempen über die Rückkehr unseres größten Raubtiers mit der Erzählung von Matthijs van Nieuwkerk.
Nein, sagt der Ökologe und Filmemacher Smit entschieden am Telefon. „Für Naturfilmer in den Niederlanden gibt es noch viel zu tun. Arten verschwinden. Ich würde sehr gerne einen Film über den Mikrokosmos machen, so etwas haben wir in den Niederlanden noch nie gedreht: ein toller Kinofilm über Insekten.“ Smit denkt dabei nicht automatisch an die gefährdete Honigbiene. „Diese Biene wird immer erwähnt. Aber was halten Sie von Milben? Oder Springschwänze, das sind eine Art kleine Käfer. Oder der Regenwurm? Und in diesem Film möchte ich zeigen, was Menschen tun: die Wirkung von Gift. Entsetzlich!‘
Smit (51) musste Dreharbeiten für einige Jahre drastisch einschränken, nachdem er schwer von der Borreliose betroffen war, nachdem er sich vermutlich während seiner Arbeit einen Zeckenstich zugezogen hatte. Jetzt ist er erleichtert Uferschnepfe! ist endlich in den Kinos, in mehr als siebzig Leinwänden. Und auch etwas frustriert. „In den Niederlanden einen Naturfilm zu veröffentlichen, ist fast unmöglich. Vom Filmfonds bekomme ich keine Unterstützung, habe ich nie. Beim Filmfonds werden Naturfilme nicht als vollwertige Produktionen angesehen (der Filmfonds sagt, er sei offen für alle Arten und Genres, „einschließlich Naturdokumentationen“). Also habe ich mich hoffnungslos hoch verschuldet, eine weitere Hypothek auf mein Haus. Uferschnepfe! könnte mein letzter Film sein.“
Uferschnepfe! Die Reise unseres Nationalvogels von Ruben Smit läuft seit letzter Woche in den niederländischen Kinos
Der wilde Hafen
Ebenfalls Wild Port of Europe: die neue Wildnis 2.0, ein Dokumentarfilm über die Natur im Rotterdamer Hafengebiet, kommt noch in diesem Jahr in die niederländischen Kinos. Produzent ist Ignas van Schaick, auch bekannt für Die neue Wildnis und die Solofilme des Naturfilmers Mark Verkerk. „Es ist ein Film vor dem Hintergrund der Industrie. Zwischen dieser enormen Infrastruktur gibt es auch eine Fülle von Leben, für einige Arten ist das Hafengebiet ein ideales Biotop.“