Fisch im Anzug läuft flott über den Kai: Was macht diese Klimaschutzaktion so reizvoll?

Fisch im Anzug laeuft flott ueber den Kai Was macht


Die Nachrichtenagentur Reuters hat dieses Foto mit einer sachlichen und objektiven Bildunterschrift versehen, wie es sein sollte: „Ein Aktivist der Ocean Rebellion geht zu der Demonstration gegen das, was Demonstranten als ‚Krieg gegen die Fische‘ in Lissabon bezeichnen.“Bild Pedro Nunes / Reuters

Am 27. Juni lief ein Fisch an der Kaag in Lissabon entlang, in der Nähe des Pavillons, in dem gerade die Ozeankonferenz der Vereinten Nationen stattfand. Der Fisch trug einen eleganten Anzug und polierte Schuhe. In der rechten Hand hielt er einen toten Kongener, in der linken trug er eine schwarze Aktentasche, auf der in weißen Lettern stand: „War on fish“. Bei näherer Betrachtung war der Fisch verletzt: Sein Kopf schien brutal abgeschlagen worden zu sein, seine Eingeweide hingen am Rücken heraus. Doch hier ging er stolz und entschlossen den Kai entlang, als wäre er der Anwalt der Fische, der Berater des Meereslebens, und trug zweifellos in seiner Aktentasche eine vernichtende Anklage gegen den zermürbenden Menschen.

Was für ein Bild. Fotografiert hat es der portugiesische Fotograf Pedro Nunes, der für die Nachrichtenagentur Reuters arbeitet. Reuters beschriftete es in etwa so: „Ein Aktivist der Ocean Rebellion geht zu der Demonstration gegen das, was Demonstranten als ‚Krieg gegen die Fische‘ in Lissabon beschreiben.“ Sachlich und sachlich, wie es sein sollte.

Und ja natürlich: Wir sehen hier auch einen Mann mit einem selbst gebastelten Fischkopf auf dem Kopf. Doch trotz aller Realität konnte diese Szene nicht umhin, ein wundersames Bild hervorzubringen. Das haben sie auch bei Reuters gesehen; Auf der Website wurde es unter der Überschrift „verrückteste Fotos der Woche“ zusammengefasst. Ich selbst hatte mich für „bezaubernd wirksam“ entschieden. Denn selten ist ein Nachrichtenfoto so überzeugend anders, eine so glaubwürdige Verschmelzung von Realität und Imagination. Als wäre es ganz natürlich, dass ein Fisch vorübergehend an Land geklettert ist, um sich von denen zu erholen, die seinen natürlichen Lebensraum stören.

Das war natürlich genau die Absicht der Aktivisten. Ocean Rebellion ist eine 2020 aus Extinction Rebellion hervorgegangene Gruppe von Klimaaktivisten, die mit gewaltfreien Demonstrationen und Guerillaaktionen auf Überfischung, Tiefseebohrungen und andere menschliche Handlungen aufmerksam machen, die das Leben und die Artenvielfalt in den Ozeanen stören. Gründer sind die Briten Rob Higgs und Sophie Miller, beide Künstler. So ist es kein Zufall, dass die Demonstrationen von Ocean Rebellion oft so aussehen, als würden sie durch einen Ring bzw. eine Fotokamera gehen.

Beispielsweise waren früher (während des G7-Gipfels im Jahr 2021) an den Strand gespülte blaue Meerestiere in Fischernetzen und einem niedlichen hölzernen Wikingerschiff verwickelt, auf dem der Text „As the sea dies we die“ stand. Später stand dasselbe Schiff in Flammen und im Vordergrund wurde ein Geld werfender Boris Johnson von dem Fossil Fuel Fool geritten, einem Mann mit einem Kanister für den Kopf.

„Alle unsere Aktionen sind kreativ und theatralisch“, sagte Miller letzte Woche einem portugiesischen Zeitungsreporter Expresso† Der „performative Aktivismus“ von Ocean Rebellion soll so schöne und störende Bilder produzieren, dass sich die Menschen emotional mit dem Thema beschäftigen.

Bei diesem resoluten Fisch ist es mir jedenfalls gelungen. Obwohl ich mich nicht mehr von der Schwere der Klimakrise überzeugen lassen muss, schaue ich immer noch eher weg von Fotos von schmelzenden Eiskappen, Plastiksuppe und extremer Dürre. Ihr journalistischer Wert ist unbestritten, doch wirken sie meist lähmend und mutlos. Was soll ich damit machen, was kann ich dagegen tun?

Der Feenfisch mit der Aktentasche voller Papiere gab mir einen gezielten Knall nach meinen Kanis. Der Elan, die Wut – ich war genauso berührt wie vor acht Jahren, als Julia Roberts Mutter Natur in einem Kurzfilm eine Stimme gab und sich an die erschreckend überlegene Menschheit wandte: „Ihre Taten werden Ihr eigenes Schicksal bestimmen, nicht meins.“ . Ich bin bereit, mich zu ändern. Und du?‘

Das war auch nicht echt, nein. Aber so effektiv.



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