Das vor Wochen von der Nato gewarnte Szenario hat sich bewahrheitet: Die Russen haben ihren Fokus auf den Donbass verlagert und führen nun einen schweren Artilleriekrieg. Die Ukraine erleidet schwere Verluste und fleht den Westen um mehr Waffen an. Ein Berater von Präsident Selenskyj teilte kürzlich auf Twitter eine Wunschliste mit Tausenden moderner schwerer Waffen.
Kritischer Moment
„Die Ukraine steht vor einem entscheidenden Moment auf dem Schlachtfeld“, räumte US-Verteidigungsminister Austin (Verteidigung) am Mittwochabend in Brüssel ein. „Wir müssen das Engagement für die Ukraine weiter verstärken.“
Unter Führung der Amerikaner trafen sich Verteidigungsminister aus 49 Ländern zur sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe. Dieser Club agiert bewusst außerhalb der NATO, um eine direkte Verwicklung des Bündnisses in den Konflikt mit Russland zu vermeiden. Bei den Treffen werden vor allem militärische Anfragen und Liefermöglichkeiten abgestimmt. Die Gruppe ist jetzt größer als nur NATO-Mitglieder, Ecuador trat zum ersten Mal bei. Obwohl die NATO formell nicht beteiligt ist, fand das Treffen im Hauptquartier der Westallianz in Brüssel statt.
Während des Gipfels kündigten die Amerikaner eine Erhöhung der Militärlieferungen um eine Milliarde Dollar an. Dazu gehören 18 gepanzerte Haubitzen, Schiffsabwehrraketen, Artillerie und Munition. Washington hat bereits HIMARS-Raketensysteme zugesagt. Die Briten haben in Brüssel angekündigt, eine unbekannte Zahl vergleichbarer Langstrecken-Raketensysteme zu liefern, Deutschland verspricht drei MARS-II-Systeme.
Kostbarer Zeitverlust
Die Ukraine begrüßt die Versorgung mit moderneren und schwereren Waffen, hat aber einen Nachteil für die Schlacht. Die Soldaten auf dem Schlachtfeld arbeiten oft mit alten russischen Waffen und müssen erst vom Westen trainiert werden, um zum Beispiel mit den Panzerhaubitzen arbeiten zu können. Dadurch entstehen wertvolle Zeitverluste und Lieferverzögerungen. So sind beispielsweise die fünf holländischen Panzerhaubitzen wegen der fast abgeschlossenen Ausbildung noch immer nicht in der Ukraine eingetroffen.
Die Niederlande wurden während der Pressekonferenz von den Amerikanern für das Engagement gelobt. Dem Abgeordnetenhaus geht es noch nicht gut, die Koalition fordert mehr Waffenlieferungen und will notfalls die Vorratskammer leeren.
Minister Ollongren (Verteidigung) sieht es als Ermutigung und will gemeinsam mit anderen Ländern Vereinbarungen mit Herstellern treffen.
Bei der Bestandsaufnahme ist sie konservativer: „Die NATO muss sich verteidigen, und wir müssen unseren Teil dazu beitragen. Dazu müssen unsere Soldaten trainieren können und dafür brauchen wir Nachschub. Gleichzeitig kann Russland diesen Krieg niemals gewinnen. Daher ist es entscheidend, dass die Ukraine den Kampf fortsetzen kann.“