Unter dem Einfluss eines Scharlatans lässt Gerard Sanderink sein IKT-Imperium weiter zerfallen

Unter dem Einfluss eines Scharlatans laesst Gerard Sanderink sein IKT Imperium


Gerhard SanderinkStatue Guus Dubbelman / de Volkskrant

„Ich möchte nur zeigen, dass ich mehr zu bieten habe, als meine Mitmenschen je für möglich gehalten hätten. Okay, ich habe mich schon bewiesen. Aber es ist so tief, diese Ängste und Minderwertigkeitsgefühle.‘ Zu Wort kommt der damals 50-jährige Gerard Sanderink, 1999 in der Regionalzeitung Tubantia† Sanderink hat Recht: In diesem Moment hat er sich bewährt. Er besitzt eine Reihe von IKT-Unternehmen und hat ein beträchtliches Vermögen aufgebaut.

Letzteres sei aber keine Motivation, erzählt er noch im selben Jahr de Volkskrant† Der Bauernsohn aus dem Weiler Lemselo in Twente ist im Geschäft, um sich zu beweisen. Das vierte Kind einer sechsköpfigen Familie fühlte sich lange missverstanden. „Mein Vater mochte mich nicht so sehr. Er mochte mich weniger als meinen Bruder. Das ist nicht förderlich für das Selbstbewusstsein.“

Es sieht nicht danach aus, als würde Sanderink (73) in keinem Bereich lange erfolgreich sein. Mitte der siebziger Jahre gibt niemand einen Cent für seine Zukunft, schreibt Angelique Kunst in ihrer dieses Jahr erschienenen Biografie über das exzentrische „Kuscheltier“. „Ungewissheit und Angst beherrschten seinen Geist, Anorexie zerstörte seinen Körper. Vater ärgert sich über die Schwächen seines Sohnes, zeigt ihm regelmäßig, dass er ihn nicht für selbstverständlich hält.“

Wohnung Twente

Seine schulische Laufbahn gestaltet sich in allen Bereichen schwierig. Sanderink spricht nur flach Zwanzig, wenn er in die Grundschule geht und ist seit Jahren der Schwächste in der Klasse. Er wird gemobbt. Als er mit 16 Jahren in Bolsward ein Studium der Lebensmitteltechnologie beginnt, sind auch seine Leistungen zunächst schlecht. Doch dann fällt der Groschen und sein Ehrgeiz blüht auf. Er schreibt sich an der Technischen Hogeschool in Twente ein und macht in kurzer Zeit seinen Abschluss in Elektrotechnik.

Seine Mutter ist anders als sein Vater und sieht die Sorgen ihres jüngsten Sohnes, auch nachdem er seine Ausbildung längst abgeschlossen hat. Sie zieht es vor, ihren jüngsten Sohn (einen „getrennten“) den ganzen Tag unter ihrer Fittiche zu behalten. „Er kann sich absolut nicht um sich selbst kümmern“, schreibt Kunst. Kein Wunder also, dass der junge Sanderink, der immer denselben Anzug, dasselbe Hemd und dieselben Schuhe trägt, noch lange bei seiner Mutter lebt.

„Was getan werden muss, muss getan werden“

Dennoch nahm sein Leben in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre eine positive Wendung. Sanderink kann gut programmieren und ist bei einem Automatisierungsunternehmen angestellt. Er mag jenseitig sein, aber sein Talent sticht hervor. 1978 gründete er mit einem Kollegen sein erstes Unternehmen mit dem langweiligen Namen ICT Automatisering. Seit den frühen 1990er Jahren geht es schnell voran. Sanderink scheint ein Gespür dafür zu haben, scheiternde Unternehmen aufzukaufen und sie dann zu reorganisieren. Mit viel Mitleid müssen die Gefeuerten nicht rechnen. „Was getan werden muss, muss getan werden. Die Emotionen sind in diesem Moment tatsächlich verschwunden“, sagt er Tubantia† Es verursacht ihm jedoch Stress und gesundheitliche Probleme, die durch Nächte mit nur vier Stunden Schlaf noch verstärkt werden.

unbeholfen

Geschäftspartner unterschätzen ihn manchmal. IKT-Magazin Berechenbar beschreibt ihn in jenen Jahren als „einen schüchternen kleinen Kerl, der Schwierigkeiten hat, seine Worte herauszubringen“. Mit „gekrümmten Schultern und einem fast misstrauischen Blick“ wartet er auf seine Gesprächspartner. „Aber so tollpatschig er sich auch benimmt, dieser Unternehmer aus Twente verhandelt so schlau“, schreibt das Magazin. „Seine Gegner neigen dazu, sich immer wieder in seiner Intelligenz zu irren.“

Das Ergebnis all dessen ist beeindruckend. Sanderink hat im Alleingang ein Imperium aufgebaut, zu dem neben Centric auch das Bauunternehmen Strukton (gekauft 2010) und das Ingenieurbüro Antea gehören. Sein Privatvermögen wird auf mehr als 500 Millionen Euro geschätzt, seine Unternehmen erwirtschaften zusammen Milliarden. Centric ist eines der größten IT-Unternehmen in unserem Land und liefert Systeme an Regierungen und große Unternehmen.

Melba-Toast

Dort hätte es enden können. Sanderink wäre als Erfolg in die Geschichte eingegangen. Ein Mann, der auch nach außen hin eine komische, exzentrische Kante hat: der extrem reiche Nerd, der jahrelang in einem verstaubten alten Audi 80 herumfährt und abends mit seiner Mutter ein trockenes Melba-Toast knabbert.

Doch als Sanderink 2018 auf Rian van Rijbroek trifft, ändert sich alles. Über diesen Cybercharlatan ist viel geschrieben worden. Sie ist Geheimagentin, weiß alles über Finanzen, kennt die geheimen Uranlagerstätten des Iran und ist eine Superhackerin. Zumindest: in ihrer eigenen Fantasiewelt. Van Rijbroek schreibt zusammen mit dem ehemaligen Minister Willem Vermeend ein Buch, das zusammen und nach einem desaströsen Auftritt gestohlen wurde Nachrichtenstunde als Trickexperte demontiert. Dann schreibt sie ein weiteres Buch über „den Cyber“, eine seltsame Mischung aus Wikipedia-Fakten und wirren Fantasien. Aber Sanderink ist verzaubert und verehrt sie. Das Ergebnis ist das, was der Biograf Kunst eine „umwerfende Metamorphose“ nennt. Der Mann misstraut allem und jedem, außer Van Rijbroek.

Seitdem gerät das stabile und solide Imperium ins Wanken und wird geplagt von endlosen Streitereien mit Abgängen von Top-Managern, verlorenen Kunden (zuletzt DNB), Umsatzeinbußen in zweistelliger Millionenhöhe und vor allem einer skurrilen Prozesskette mit Sanderinks Ex-Geliebter Brigitte van Egten, mit deren Frau er 2002 von einem Freund verkuppelt wird. Aufgrund dieses Konflikts trat diese Woche der gesamte Vorstand von Centric zurück. Van Rijbroek scheint an jeder Entscheidung beteiligt zu sein, die Sanderink seit 2018 getroffen hat. Und nicht nur das: Centric und Strukton sind es bereits teilweise in ihren Händen

Dreimal Sanderink

Bemerkenswerterweise kann Gerard Sanderink, der in der Automatisierung aufgewachsen ist, nicht mit modernen Geräten wie Smartphones umgehen. Sein Telefon wird von Van Rijbroek verwaltet. Auch das Versenden einer E-Mail fällt ihm schwer.

Wenn Sanderink noch das Tagesgeschäft führt, trifft er sich gerne jeden Samstagmorgen in einem AC-Restaurant mit der Spitze. Es ist sein Lieblingsplatz: Die zweite Tasse Kaffee ist gratis.

Sanderink kommt regelmäßig mit Journalisten aneinander. Dies wird 2019 mit de Volkskrant geschehen, wenn die Zeitung im Amstelhotel auf Einladung an der Buchpräsentation von Van Rijbroek teilnimmt. „Du bist ohne Einladung an einem privaten Abend aufgetaucht und hast auf meine Kosten mit Accessoires zu Abend gegessen“, schreibt Sanderink, der mit rechtlichen Schritten droht.



ttn-de-23

Schreibe einen Kommentar