An Selbstbewusstsein mangelt es Christine Lambrecht (56) offenbar nicht. Als die SPD-Politikerin im Dezember 2021 ihr Amt als Teil der neuen Bundesregierung antrat, tat sie dies mit den Worten „wer mich kennt, weiß, dass ich große Herausforderungen mag“. Seitdem ist Lambrecht von Fiasko zu Fiasko gegangen, nach einem außerordentlich heftigen Angriff der Wochenzeitung des Spiegels†
Lambrecht habe sich gegen umfangreiche Briefings gewehrt oder sie abgesagt, die die Verteidigungsspitze für sie vorbereitet habe, schreibt sie des Spiegels† Trotz wiederholter Bitten hat sie die meisten der sechs obersten Militärführer noch immer nicht getroffen. Sie kann militärische Ränge nicht anhand von Insignien identifizieren. Sie ist jeden Tag nur kurz im Dienst. Aus Verteidigungskreisen geht sogar das Gerücht um, Lambrecht habe ein Treffen mit ihrem britischen Amtskollegen wegen eines Friseurtermins abgesagt, sehr zum Ärger des britischen Ministers.
All das hätte privat vielleicht wieder repariert werden können, wäre Lambrecht Anfang dieses Monats nicht auch Ziel öffentlicher Wut geworden. Kurz vor Ostern besuchte sie mit einem Bundeswehrhubschrauber deutsche Soldaten im Norden des Landes. Mit an Bord: ihr erwachsener Sohn. Das war praktisch, denn dann machten sie Urlaub auf der nahe gelegenen Watteninsel Sylt. Einen Monat später hat mein Sohn Fotos von der Reise auf seinen Instagram-Account hochgeladen, und seitdem ist ganz Deutschland über Lambrecht gefallen.
Auch wenn es nicht streng gegen die Regeln verstößt, wird für ihre Tontaubheit verantwortlich gemacht: Es ist Krieg in Europa, aber die Lambrechts fahren mit einem Armeehubschrauber in den Urlaub. Lambrecht sagt, sie werde die Mehrkosten für ihren Sohn übernehmen, wobei noch unklar ist, wie das genau funktioniert. Die Ministerin goss Öl ins Feuer, indem sie betonte, dass sie nichts falsch gemacht habe – außer vielleicht bei der Darstellung – und dass sie Wert auf ein gutes Verhältnis zu ihrem Sohn lege.
Kritik abweisen
Es ist typisch für die gestandene Regisseurin Lambrecht: Sie handelt nach eigener Einsicht und ist stolz darauf. Normalerweise weist sie Kritik zurück. Eine Haltung, die schon während ihrer Zeit als SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag (2013-2017) und als Staatssekretärin für Finanzen (2018-2019) und für Aufsehen gesorgt hat regelrechte Unruhe in ihre Zeit als Justizministerin (2019-2021). Aber mit der Verteidigung hat Lambrecht zur Zeit des russischen Krieges gegen die Ukraine den wohl schwierigsten Ministerposten in der jüngeren deutschen Geschichte inne. Sie ist unter einer Lupe.
Lambrecht beaufsichtigt nicht nur ein Ministerium mit 265.000 Mitarbeitern, von denen mehr als 180.000 Soldaten aufgefordert werden, ihr Leben zu riskieren, sondern steht vor einer historischen Aufgabe: der Generalüberholung der – wie sie sagt – „kaputten“ Bundeswehr. Mit einem zusätzlichen Budget von 100 Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre soll die Bundeswehr zu einer der stärksten nichtnuklearen Armeen der Welt ausgebaut werden.
Jetzt ist es Bendlerblock, das Berliner Verteidigungshauptquartier, eine berüchtigte Schlangengrube. Die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium stöhnen – verständlicherweise – unter chronischer politischer Fehleinschätzung. Viele antretende Minister waren mit erbittertem innerem Widerstand konfrontiert. Die Kritik an ihr ist also nicht ihre Schuld, Lambrecht gegenüber der Nachrichtenseite T-Online† „Wenn ich mir ansehe, was über meine Vorgänger geschrieben wurde, habe ich nicht den Eindruck, dass die Unruhen mit meiner Person zu tun haben. Leider gibt es einige Leute, die die Medien mit Gerüchten, Verleumdungen und Klatsch am Arbeitsplatz füttern.‘
Sabotage
Allerdings ist die Unzufriedenheit mit Lambrecht ungewöhnlich groß, angetrieben von einer tödlichen Kombination aus Vorwürfen: Ignoranz und Desinteresse. Auf einer Pressekonferenz etwa, auf der Lambrecht ankündigte, Deutschland werde JSF-Kampfflugzeuge kaufen, schien sie mit dem Begriff zu kämpfen Kämpfer der nächsten Generation† Dann suchte sie in ihren Notizen nach dem Namen des Mannes in der blauen Uniform neben ihr, des Oberbefehlshabers der Luftwaffe. „Wer heutzutage jemanden aus Verteidigungskreisen nach Lambrechts Statur im Ministerium fragt“, schreibt er des Spiegels‚wird oft Dieses Video (aus der Pressekonferenz, rot.) als Antwort gesendet.‘
Lambrechts fehlende Selbstkritik verstärkt den Eindruck des Desinteresses. Und sie startete bereits mit einem 0:1-Rückstand: Die SPD-Politikerin wäre bekanntlich viel lieber Innenministerin geworden. Besonders schmerzhaft war der folgende Fauxpas, der verdächtig nach einem als Unterstützungsbekundung verpackten Sabotageversuch aussah.
Gleich gefragt T-OnlineInterview zu dem Gerücht, dass die Wollte Innenministerin Nancy Faeser ihr Amt im Tausch gegen die hessische SPD-Spitze vorzeitig abgeben, ging Lambrecht noch einen Schritt weiter. „Ich gehe davon aus, dass sie (in Hessen, rot.) wird nicht nur vorangehen, sondern dort auch die erste Premierministerin werden!‘ Prompt musste sich Faeser auch in deutschen Medien gegen Vorwürfe wehren, ihre Interessen lägen woanders als in der von ihr geleiteten Abteilung.
CDU-Chef Friedrich Merz – jetzt Oppositionsführer – zog Anfang dieses Monats gegen Lambrecht in den Krieg. „Dieser Minister wird das Vertrauen der Militärs in die Bundeswehr nicht mehr gewinnen“, donnerte Merz in einer Bundestagsdebatte gegen Kanzler Olaf Scholz, Parteifreund von Lambrecht. „Herr Scholz: Trennen Sie sich so schnell wie möglich von diesem Minister. Sie werden es irgendwann in den kommenden Wochen oder Monaten tun. Also mach es bald.†
Die Kanzlerin bleibt vorerst hinter dem Minister. Und Lambrecht selbst habe nicht die Absicht, nachzugeben, sagte sie T-Online† „Ich habe das Amt des Verteidigungsministers übernommen“, sagt Lambrecht. „Und wer mich kennt, weiß, dass ich meine Pflichten erfülle.“