Die Teilung ist eine schmerzhafte Niederlage für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Anfang dieses Monats kündigte sie mit großem Tamtam das sechste Sanktionspaket an. Sie schlug unter anderem vor, sich in diesem Jahr komplett vom „schwarzen Gold“ aus Russland zu verabschieden.
Das wird nicht passieren. Ausnahmen dürften diplomatischen Kreisen zufolge für Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Kroatien gelten. Aus Kommissionskreisen wurde berichtet, dass nun ein Vorschlag auf dem Tisch liegt, dieses Jahr nur noch Importe auf dem Seeweg zu verbieten. Die Hälfte dieses Ölimports geht über den Rotterdamer Hafen.
„Für Öl aus der Druschba-Pipeline wird es eine vorläufige Ausnahmeregelung geben“, tönt es in Brüssel. Diese Pipeline führt unter anderem nach Ungarn und in die Slowakei. Wie „vorläufig“ die Ausnahmeregelung für Ungarn ist, bleibt jedoch ein Rätsel. Laut einem hochrangigen EU-Diplomaten wurde allein mit diesem Land kein Enddatum vereinbart. Im Gegenzug für diese Ausnahme müsste das Land mit dem Bau einer neuen Pipeline zur Adria beginnen. Brüssel will dieses Projekt für alternative Öllieferungen sponsern.
Gleiches Spielfeld
Mehrere Mitgliedsstaaten fordern zudem eine Garantie, dass Rohöl aus Russland nicht über Ungarn als Diesel oder Benzin ins übrige Europa raffiniert wird. Das würde den gleichen Wettbewerbsbedingungen für Hafenländer wie die Niederlande, Belgien und Italien schaden, warnt eine EU-Quelle.
„Die Verhandlungen gehen in die richtige Richtung“, sagt ein etablierter Diplomat hoffnungsvoll. „Aber es ist noch unklar, ob Ungarn zustimmen kann. Sie wollen nicht, dass die Energiesicherheit in irgendeiner Weise gefährdet wird. Sie fordern so viele Gewissheiten, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.“
Das sechste Sanktionspaket, das auch Maßnahmen gegen russische Banken und Immobiliengeschäfte umfasst, kann nur eingesetzt werden, wenn alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban droht seit Wochen mit einem Veto. Er hat letzte Woche sogar angedeutet, dass er das Thema beim EU-Gipfel nicht diskutieren wolle. Trotzdem werden die Regierungs- und Staatschefs am Montag darüber beraten, doch die Chance auf eine politische Einigung scheint minimal.
Ermutigte
Während des zusätzlichen Gipfels werden die Staats- und Regierungschefs der EU vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj digital ermutigt. Der Europäische Rat wird auch über Pläne zur finanziellen Unterstützung der ukrainischen Regierung, den Wiederaufbau des von Putins Armee zerstörten Landes und die Vorschläge von EU-Kommissar Frans Timmermans nachdenken, um schnell unabhängig von russischem Erdgas zu werden.
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi wird erneut auf die hohen Energiepreise aufmerksam machen. Er wünscht sich eine europäische Preisobergrenze für Erdgas. Aber unter anderem die Niederlande und Deutschland halten dies für unklug.