Es sei höchste Zeit für eine europäische Verteidigungsindustriepolitik, sagen die Kommissare Margrethe Vestager (Wettbewerb), Thierry Breton (Binnenmarkt) und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Der russische Angriff auf die Ukraine zeige, dass die Zeit der „Friedensdividende“ definitiv hinter uns liege, sagt Breton.
Die Verteidigungsstrategie, die die Kommission am Dienstag vorgelegt hat, soll Flickenteppiche und Notmaßnahmen überflüssig machen, etwa das Versprechen, noch in diesem Jahr eine Million Granaten nach Kiew zu liefern.
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Marc Peeperkorn ist EU-Korrespondent von de Volkskrant. Er lebt und arbeitet in Brüssel.
Der begleitende Investitionsplan, den die Kommission mit der Strategie vorgibt, erscheint bescheiden. Dies beläuft sich auf 1,5 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre (2025–2027). Breton stimmte zu, dass langfristig 100 Milliarden Euro nötig seien, um die europäische Verteidigung auf den neuesten Stand zu bringen. Die nächste Kommission muss dieses Geld im nächsten europäischen Mehrjahreshaushalt (2028-2034) finden.
Ehrgeizig
Die Ziele, die die Kommission für wünschenswert hält, sind dennoch ehrgeizig. So sollen die EU-Staaten bis 2030 mindestens 40 Prozent ihrer militärischen Ausrüstung gemeinsam kaufen. Mittlerweile passiert das bei weniger als 20 Prozent. Der gemeinsame Einkauf gibt den Waffenherstellern Sicherheit und senkt die Preise.
Die Kommission ist außerdem der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten mehr Waffen und Munition in Europa kaufen sollten. Derzeit landen 15 Prozent der Verteidigungsausgaben bei europäischen Unternehmen, bis 2030 soll dieser Anteil auf mindestens 35 Prozent steigen. Um dies zu erreichen, müssen die Länder deutlich mehr Verträge mit europäischen Unternehmen abschließen. „Wir müssen gemeinsam und auf europäischer Ebene mehr, besser investieren“, sagte die Kommission. Vestager betonte, dass sonst das Geld der europäischen Steuerzahler überwiegend an amerikanische Waffenhersteller fließen würde.
Die 1,5 Milliarden Euro, die der Kommission zur Verfügung stehen, stammen aus dem zusätzlichen finanziellen Spielraum, den die Regierungschefs Anfang dieses Jahres nach zwei schwierigen EU-Gipfeln zur Verfügung gestellt haben. Mehr ist vorerst nicht drin. Nach Ansicht der beteiligten Diplomaten ist dies nicht notwendig. Der Großteil der Verteidigungsinvestitionen kommt von den Mitgliedstaaten, die alle ihre Verteidigungsbudgets erhöhen. Den Diplomaten zufolge sei nicht das Geld das Problem, sondern der schnelle Aufbau zusätzlicher Kapazitäten zur Waffenproduktion sei der Engpass. Dafür sind geeignete Standorte, Genehmigungen und Personal erforderlich.
Die 1,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt sollen als Schmiermittel dienen, auch um den gemeinsamen Waffeneinkauf auf die Beine zu stellen. Das Gleiche tat die Kommission auch für die Herstellung von Impfstoffen gegen Covid, was ein Erfolg war.
Katalog
Die Kommission möchte außerdem, dass sich die Mitgliedstaaten stärker über ihre geplanten Einkäufe beraten, um Engpässe und Engpässe zu vermeiden. Die Kommission will außerdem einen Katalog, aus dem hervorgeht, wo welche Waffen in europäischen Ländern hergestellt werden. Mittlerweile kaufen die Mitgliedstaaten auch außerhalb Europas ein, weil sie nicht genau wissen, was innerhalb der EU hergestellt wird.
Vestager, Breton und Borrell versicherten nachdrücklich, dass die Strategie der Kommission nicht darauf abziele, den EU-Ländern Befugnisse zu entziehen. Sie kaufen die Waffen, nicht die Kommission. Die Strategie ist auch kein Auftakt zu einer europäischen Armee.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass eine europäische Industriepolitik für Rüstungsunternehmen ein zentraler Punkt ihres politischen Programms sein wird, wenn sie ein zweites Mandat erhält. Sie möchte einen eigenen Verteidigungskommissar in der nächsten Kommission. Die scheidende Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren begrüßte die Pläne der Kommission.
2013 legte die damalige Barroso-Kommission ähnliche Vorschläge auf den Tisch, doch die EU-Länder hatten damals kein Interesse daran. Die russische Invasion in der Ukraine hat das geändert. „Wir stehen vor einer existenziellen Bedrohung.“ Es geht darum, unsere Bürger zu schützen“, sagte Breton.