Millionen-Dollar-Schiff, von dem angenommen wird, dass es Putin gehört, erregt viel Aufmerksamkeit an der toskanischen Küste

Millionen Dollar Schiff von dem angenommen wird dass es Putin gehoert erregt


Die italienische Guardia di Finanza segelt in Richtung Scheherazade.Bild AFP

„Komm schon“, der stark tätowierte Bootsvermieter Andrea („Bitte nenne meinen Nachnamen nicht“) winkt drei Touristen ans Ende seines Stegs. „Von hier aus kann man es besser sehen.“ Als die Familie Cipelli mit suchendem Blick den Steg betrat, verstand der Bootsvermieter, worauf sie hinauswollten.

Nico (76), sein Sohn Michele (46) und seine Tochter Camilla (20) leben in Parma, aber die Familie hat einen Zweitwohnsitz an der toskanischen Küste. Bei ihrem Mittagsausflug in die Küstenstadt Marina di Carrara durfte ein Blick auf die Jacht, die sie im Fernsehen gesehen hatten, nicht fehlen, sagt Michele fröhlich.

Sie sind nicht die ersten, die kommen und sich umsehen, so die Routine, mit der Andrea auf die weißen Kugeln auf dem Dach der Jacht Scheherazade (geschätzter Wert rund 650 Millionen Euro) zeigt. Auf dem sechsstöckigen (stöckigen) Schiff überragen sie die anderen Luxusboote, die nicht gerade klein sind. Seit dem 6. Mai ist das Schiff offiziell von der Guardia di Finanza beschlagnahmt und darf daher nicht mehr fahren.

Die 140-Meter-Yacht wird höchstwahrscheinlich von Wladimir Putin hergestellt Die New York Times März angekündigt. Das betont auch das Team des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny seit Beginn des Krieges in der Ukraine. Darin heißt es unter anderem, dass ein Großteil der Schiffsbesatzung vom russischen Sicherheitsdienst FSO stammte, der mit dem Schutz des Präsidenten beauftragt ist.

Es gibt keinen Schwarz-Weiß-Beweis dafür, dass die Jacht Putin gehört, wie es bei den meisten Vermögenswerten des russischen Präsidenten der Fall ist. Doch jeder in der kleinen Marina neben der Werft habe schon lange vor Kriegsbeginn davon gewusst, sagen Bootsvermieter Andrea und seine Freundin Veronica.

Sommer in Sotschi

Das Gerücht, der russische Präsident sei der wahre Eigner, kursiert in der kleinen Küstenstadt, seit das Schiff im September zur Arbeit auf die Werft kam. Der Koloss ist Made in Germany und wurde 2020 ausgeliefert. In den Sommern jenes Jahres und des vergangenen Jahres segelte es laut Seeverkehrsdaten nach Sotschi, wo Putin einen Rückzugsort auf dem Land hat.

Die italienische Zeitung La Stampa Der Russe identifizierte Eduard Yurievich Khudaynatov im März über eine Briefkastenfirma auf den Marshallinseln als offiziellen Eigentümer. Khudaynatov, der frühere Direktor des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, steht nicht auf der EU-Sanktionsliste. Dennoch beschlagnahmte die Guardia di Finanza Anfang Mai das Schiff auf der Grundlage eines Ministerialerlasses.

In der begleitenden Pressemitteilung sagte Italien, es habe Beweise dafür, dass der Eigentümer „Verbindungen zu prominenten Mitgliedern der russischen Regierung und anderen Personen auf der Sanktionsliste“ habe. Khudaynatov, dessen eigene 25-Millionen-Dollar-Villa in Portofino noch nicht beschlagnahmt wurde, ist vielleicht selbst nicht dabei, aber er steht dem Milliardär Igor Setshin nahe, dessen Name auf der schwarzen Liste steht.

In Marina di Carrara kümmert sich niemand darum, welcher Rechtsweg eingeschlagen wurde. Es ist Krieg, also Eile, sagt Barkeeper Daniele Ciccotti (46) mit einem Achselzucken. Die Terrasse seines Cafés überblickt die Werft von The Italian Sea Group, die die Yacht verwaltet.

Neben großer Geheimhaltung herrscht auch vor allem Resignation im Büro von The Italian Sea Group. In der Lobby voller schwarzglänzendem Marmor, Spiegeln und extravaganten modernen Skulpturen wünscht sich ein Marketingmitarbeiter nicht mehr, als dass das Unternehmen „voll und ganz mit den Behörden kooperiert“.

Und die italienischen Behörden zeigen gerne, dass sie bei der Beschlagnahme russischer Vermögenswerte entschlossen sind. Anfang April gab die Regierung bekannt, dass sie bereits fast eine Milliarde Euro in hauptsächlich Häusern und Booten beschlagnahmt habe.

Die Beschlagnahme der Scheherazade folgte letzte Woche direkt auf eine Nachricht von – wieder – Die New York Times† Laut der amerikanischen Zeitung stand das Boot kurz vor dem Auslaufen, was auch in den italienischen Medien für Unruhe sorgte und die Regierung das Dekret blitzschnell heraufbeschwor.

Hohe Wartungskosten

Die Seebrücke des toskanischen Küstenortes ist heute vor allem Treffpunkt von schrumpligen Männern, die im Schritttempo Rad fahren, jungen Eltern mit Kinderwagen und Rentnerpärchen. Die meisten blicken nicht auf die Werft, sondern umgekehrt auf den malerischen Meerblick.

Nur Elisa Castellini (73) und ihr Mann Gabriele bleiben am Tor stehen, um die Scheherazade zu bestaunen, als wäre sie ein Exot. Das Rentnerehepaar aus Mailand findet die Beschlagnahme gut, macht sich aber auch Sorgen über die Folgen der harten Politik für die italienischen Steuerzahler.

So ist zum Beispiel noch nicht klar, wer für die hohen Wartungskosten der Yacht aufkommt. Zeitung La Nazione berichtet, basierend auf anonymen Regierungsquellen, dass der Besitzer von Scheherazade weiterhin selbst zahlt, aber offiziell sollte der Staat die Rechnung übernehmen. Laut dem Mitarbeiter von The Italian Sea Group ist noch keine Entscheidung gefallen.

Und diese hohen Wartungsrechnungen sind nicht nur ein Problem bei Scheherazade. Auch die russischen Villen am Comer See, eine Megayacht im Hafen von Triest und die vielen anderen beschlagnahmten Waren verursachen hohe Kosten.

Da die Kosten schnell steigen, arbeitet Italien jetzt an einem Erlass, der es ermöglichen soll, Waren (teilweise) zu verkaufen, nur um Wartungs- und Verwaltungskosten zu decken.

„Gut, dass sie das Boot beschlagnahmt haben“, sagt Gabriele Castellini am Pier, aber er würde es vorziehen, wenn Italien das Boot enteignen und komplett verkaufen würde, und nicht nur für Wartungskosten. Seine Frau nickt zustimmend. „Lasst sie die Erlöse für den Wiederaufbau der Ukraine geben.“



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