Undichte Verschlüsse, die nicht repariert werden, fehlende oder kaputte Sensoren und Mitarbeiter, die ohne angemessenen Schutz in gefährliche Situationen geschickt werden. Irgendwann kommt der Punkt, an dem aus einer Reihe von Schlampereien ein beunruhigendes Muster wird. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft (OM) wurde dieser Punkt im Industriegebiet Chemelot in Limburg ausführlich geklärt.
Nach jahrelangen Ermittlungen leitete die Staatsanwaltschaft deshalb ein Mega-Strafverfahren ein, das er Castor taufte. Grund war eine Reihe von Zwischenfällen zwischen 2015 und 2019. Dabei traten nicht nur gefährliche und umweltschädliche Gase aus, sondern es wurden auch Menschen verletzt und sogar eine Person starb. Auf der Anklagebank sitzen vier Chemieunternehmen sowie Chemelot Site Permit, der Genehmigungsinhaber für den Standort in der Nähe von Geleen.
Bereits vor fünf Jahren zog der niederländische Sicherheitsrat harte Schlussfolgerungen zur Sicherheitspolitik bei Chemelot, wo die Wartung der Anlagen und die Anweisungen für die Mitarbeiter viel zu wünschen übrig ließen. Anschließend erstellten die Unternehmen einen Verbesserungsplan. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist jedoch auch ein Strafverfahren erforderlich, und sei es nur, um ein Exempel zu statuieren. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ist es nicht hinnehmbar, dass in einem Chemie-Industriegebiet mit giftigen und brennbaren Stoffen flüchtig umgegangen wurde, wie die Staatsanwaltschaft meint.
Über den Autor
Niels Waarlo ist Wirtschaftsreporter für de Volkskrant. Er schreibt unter anderem über Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Waarlo arbeitete zuvor in der Wissenschaftsredaktion und schrieb über Technik.
Am Montag, während der dritten von neun Anhörungen, äußerte die Staatsanwaltschaft vor dem Gericht in Den Bosch ihre Klage gegen das wichtigste der Unternehmen: das saudische Petrochemieunternehmen Sabic.
Die Justiz verlangt von dem multinationalen Unternehmen eine Geldstrafe von 25 Millionen Euro wegen vorsätzlicher Fahrlässigkeit in vier Vorfällen. Normalerweise würde die Forderung höchstens mehrere Millionen Euro betragen, angesichts des weltweiten Jahresumsatzes von Sabic (50 Milliarden Euro) hält die Staatsanwaltschaft dies jedoch für zu wenig. Da dringend erforderliche Risikoanalysen und Maßnahmen unterblieben seien, geht der Beamte auch davon aus, dass es sich dabei um bewusstes Handeln handelte.
Brennbar
Laut Staatsanwaltschaft sei Sabic immer wieder „durchs Nadelöhr gegangen“, wenn es um die Sicherheit von Mitarbeitern und der Umwelt gehe. Anhand von vier Vorfällen versuchte die Staatsanwaltschaft, das Bild eines Unternehmens zu zeichnen, das Sicherheitsvorschriften nicht genau beachtet und nicht aus Unfällen lernt.
Nehmen Sie den schwerwiegendsten Vorfall: das tödliche Feuer, das 2016 in einer Naphtha-Crackerei ausbrach. Hier wird das Erdölprodukt Naphtha so verarbeitet, dass es unter anderem zu Kunststoff verarbeitet werden kann. Beim Öffnen einer Schleuse wurden zwei Mitarbeiter unerwartet mit einer brennbaren Flüssigkeit besprüht, die Feuer fing. Ein Augenzeuge beschrieb ein „Feuermeer“, einer der Männer konnte aufgrund der Verbrennungen nur auf seiner Uhr erkannt werden. Beide mussten ins Krankenhaus gebracht werden, wo einer von ihnen seinen Verletzungen erlag.
Fahrlässigkeit
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist im Vorfeld alles schief gelaufen. So erwiesen sich beispielsweise Systeme, die brennbare Stoffe abdichten sollten, als undicht. Und obwohl es bereits bei früheren, kleineren Vorfällen Hinweise darauf gab, dass etwas nicht stimmen könnte. Dennoch wurde die Schwere des Problems nicht untersucht.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft liegt auch eine Fahrlässigkeit darin vor, einen Deckel auf einen 15 Meter hohen Tank voller Naphtha zu kippen. Aufgrund von Verformungen im Tank war der Deckel seit 1971 nicht mehr richtig angebracht, wodurch relativ viel Gas austrat. Als Sabic 2015 Wasser auf den Tank sprühte, um Geruchsbelästigungen zu bekämpfen, wurde der Deckel durch das Gewicht des Wassers schief. Mitarbeiter, die „ohne jeglichen Schutz“ ermittelten, gerieten in Gefahr: Es bestand Explosionsgefahr.
Ein weiteres Sicherheitsproblem trat zwischen dem 19. und 22. Februar 2016 auf, als brennbares Isobutan aufgrund von Korrosion in einer Pipeline austrat. Obwohl schon seit drei Tagen klar war, dass es irgendwo ein Leck gab, wurde die Fabrik erst am 22. Februar stillgelegt. Und im Jahr 2019 erlitt ein Mitarbeiter bei Wartungsarbeiten an einem Naphtha-Cracker schwere Verbrennungen. Er sei angeblich nicht ausreichend über die Risiken seiner als „Routinearbeit“ bezeichneten Aufgabe aufgeklärt worden.
Amateurhaft
Der Staatsanwalt wies darauf hin, dass Sabic ein „führendes Chemieunternehmen“ sei. Doch anstatt ein Exempel zu statuieren, verhielt sich das Unternehmen nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Bezug auf Sicherheitsprotokolle „amateurhaft“.
Daan Doorenbos, Sabics Anwalt, nannte die Geldstrafe von 25 Millionen Euro „empörend“. „Es ist eine Menge, die mich zum Nachdenken brachte: Der Finger blieb zu lange auf der Tastatur hängen.“ Ihm zufolge zeichnet die Staatsanwaltschaft ein unvollständiges und einseitiges Bild, das auf einer geringen Anzahl von Vorfällen basiert, die „höchstens oberflächliche Ähnlichkeiten aufweisen“. Sicherheit habe für Sabic oberste Priorität, sagt der Anwalt.
Er betont, dass es seit 2019 keinen Vorfall vergleichbarer Schwere gegeben habe. Sabic bestreitet nicht, dass bei den genannten Vorfällen etwas schief gelaufen ist. Sie würden jedoch auf eine Kultur hinweisen, in der die Sicherheit lax ist. Selbst wenn die Sicherheitsprotokolle strikt eingehalten würden, könne es zu Unfällen kommen, sagte der Anwalt, der einen Freispruch fordert. „Sie sollten nicht passieren, Sie wollen nicht, dass sie passieren, aber die Realität ist, dass diese Dinge passieren.“