Zadie Smith ist der große Star bei Crossing Border, dem Haager Festival für Literatur und Musik

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Zadie Smith (links) im Gespräch mit Aldith Hunkar (rechts).Bild Jassir Jonas

Vom Korzo-Theater in Den Haag, wo in diesem Jahr die meisten Aktivitäten von Crossing Border stattfinden werden, sind es etwa 12 Minuten zu Fuß zum Spiegelzelt auf Lange Voorhout, das speziell für das Festival aufgebaut wurde. Zum Glück bleibt es am Samstagabend trocken, dann bildet sich bereits eine große Schlange vor diesem Festivalstandort.

Es ist 9 Uhr, in einer halben Stunde wird hier die englische Autorin Zadie Smith interviewt. Bei dem Gespräch, das Karin Amatmoekrim mit Astrid Roemer führen wird, bleiben die meisten Anwesenden sitzen. Drinnen wird es schnell sehr geschäftig und stickig.

Es ist klar: Zadie Smith ist der große Star von heute und vielleicht von ganz Crossing Border. Und sie macht es möglich. Smith (48) gibt selten Interviews; das vom letzten Samstag de Volkskrant war eine Ausnahme und erfolgte auf Drängen des Autors per E-Mail.

Naaz beim Grenzübertritt.  Bild Jassir Jonas

Naaz beim Grenzübertritt.Bild Jassir Jonas

Aber bei Crossing Border freut sie sich darauf. Begeistert spricht sie mit Interviewerin Aldith Hunkar über ihr neues, gerade erschienenes Buch Der Betrug (übersetzt als Scharlatan). Ihr erster historischer Roman, in dem die meisten Figuren (wie Charles Dickens) tatsächlich existierten. Hunkar beherrscht nicht nur die Thematik des Buches gut, ihr Englisch ist auch ausgezeichnet. Das hilft. Zwischen den beiden besteht eine gute Verbindung, die auch dann bestehen bleibt, wenn Hunkar die nicht enden wollende Frage stellt, wie ihr Arbeitstag aussieht. „Ich bringe meine Kinder zur Schule, schreibe und hole sie von der Schule ab.“

Smith ist auch nicht mit Hunkars Vorstellung von der Schädlichkeit von TikTok einverstanden. Sie hat überhaupt kein Problem damit, dass ihre Kinder lieber auf TikTok sind, als ein Buch zu lesen. Und das ist nicht die Antwort, die der Interviewer hören möchte. Will Smith ihrer 13-jährigen Tochter nicht helfen, diese Sucht loszuwerden? „Nein, und ich wüsste auch nicht wie. Ich kann einem Heroinsüchtigen auch nicht helfen, weil ich selbst kein Heroin konsumiere.‘

„Wunderbares Gespräch“, sagt Zadie Smith, der das relativ junge Publikum, darunter viele Leute in den Zwanzigern, jedes Wort ans Herz legt. In den letzten Jahren hatten es Schriftsteller bei Crossing Border, dem Festival für Musik und Literatur in Den Haag, leichter als Musiker. Es gab Jahre, da standen Pop-Fans Schlange für damals hochkarätige Bands wie Fleet Foxes, The National oder Spoon. Doch auch in diesem Jahr setzt das Festival den Trend fort, dass Literatur die wichtigste Säule ist.

Annahstasia beim Crossing Border Festival.  Bild Remco Koers

Annahstasia beim Crossing Border Festival.Bild Remco Koers

Am Samstag gibt es sogar ein Tagesprogramm mit international bekannten Schriftstellern wie Teju Cole, für das Tickets separat erworben werden müssen. Ein toller Erfolg, aber schade für das Angebot beim regulären Festival, wo Coles Programm dem etwas schwachen Freitag durchaus Auftrieb gegeben hätte.

An beiden Abenden wird deutlich, dass das Publikum nicht mehr wegen der Musik, sondern wegen der Autoren kommt. Schön, wenn jemand wie der Amerikaner Jim White beide Handwerke so gut beherrscht, aber schade, dass eine spannende Band wie die Engländerin Caroline am Samstag mit ihrem wunderbaren Mix aus Prog-Rock und Folk nur ein paar Dutzend Besucher anlockt.

Es lässt auch das Schlimmste am Samstag für Naaz befürchten, die niederländische Sängerin kurdischer Abstammung, die dieses Jahr mit ihr einen großen Eindruck hinterlassen hat Album Ich habe noch nie. Man kann sehen, wie das Publikum nach Zadie Smith denkt: Den ganzen Weg zurück nach Korzo, wo Naaz bereits am Abschlusslied arbeitet, oder nach Hause gehen? Schön zu sehen, dass sich der Saal langsam füllt und der Sänger mit einer bezaubernden Intensität Azadi bringt ihren jetzt besonders aktuellen Ruf nach Freiheit zum Ausdruck.

Wilfried de Jong mit Gitarrist Cok van Vuuren bei Crossing Border.  Bild Remco Koers

Wilfried de Jong mit Gitarrist Cok van Vuuren bei Crossing Border.Bild Remco Koers

Ein musikalischer Höhepunkt bei diesem Crossing Border, bei dem kaum Grenzen zwischen Musik und Literatur überbrückt werden. Einmal, im Jahr 1997, las Lou Reed seinen Text dazu vor und wir erfanden die Musik dafür. Unvergesslich war auch der Auftritt sieben Jahre später des englischen Schriftstellers Nick Hornby mit der amerikanischen Rockband Marah.

Der Einzige, der dieses Jahr mit seinen Texten wirklich etwas Besonderes macht, ist der Autor und Programmmacher Wilfried de Jong. Am Freitag wird er zwei Auszüge aus seiner Sammlung lesen Schwung für, die vom Gitarristen Cok van Vuuren wunderschön begleitet werden. Diese beißenden Bluesnoten, während De Jong in Nashville die traurige Geschichte über Ava liest Steh zu deinem Mann singt, schwingt lange nach.

Eigentlich möchte man nach den viel zu kurzen zwanzig Minuten alle Liedtexte loswerden Schwung Du denkst, dass du so geführt werden solltest, wenn du den Spaziergang zu Tommy Wieringa im Spiegelzelt unternimmst. Er erzählt witzig über seine eigene Karriere und den vergeblichen Versuch im Jahr 1996, auf das Festivalprogramm zu kommen.

Genau wie Zadie Smith hat auch Wieringa einen (teilweise) historischen Roman geschrieben, Nirwana. Und genau wie Smith betonte Wieringa, dass der Beruf des Schriftstellers selbst hauptsächlich langweilig sei. Von der Arbeit der Autoren sei nichts zu sehen, weshalb die meisten Buchprogramme scheitern, fügt Wieringa hinzu. Möglicherweise, aber es stellt sich heraus, dass es eine Freude ist, Autoren zuzuhören, die über ihr Handwerk sprechen. Dafür gehen wir zu Crossing Border.

Zurück zum Royal Theatre

Nachdem Crossing Border mehrere Jahre lang hauptsächlich in den Sälen von Korzo stattfand, wird es nächstes Jahr wieder ins Königliche Theater in Den Haag zurückkehren. Laut Festivalleiter Michel Behre bietet die größere Halle mehr Wachstumschancen. Allerdings wird sich das Programm noch stärker auf Schriftsteller und Literatur konzentrieren und die größeren Räumlichkeiten daher nicht für die Installation größerer Musikattraktionen genutzt werden.



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