Mit der Verhaftung des „Fast Guy“ Frank V. in dieser Woche kehrt der Skandal um die sogenannte Dividendenkürzung in den Schoß der Niederländer zurück. Auch die Rolle von ABN Amro wird untersucht.
Sie sind eine Art umgekehrter Robin Hood, die in Oxford und anderen hochqualifizierten Steuerbetrügern, die in den letzten zwei Jahrzehnten in glänzenden Büros und über der Öffentlichkeit erhaben Milliarden von armen Steuerzahlern erbeutet haben, um sich zu bereichern. „Vom 32. Stock unseres Hochhauses in der Frankfurter Innenstadt schauten wir auf das Gewimmel unten auf der Straße“, sagt einer von ihnen in der deutschen Fernsehsendung 2018 Panorama. „Und dann dachten wir, wir sind die Klügsten, die Genies, und ihr seid alle so dumm.“
Die Insider, wie der mit Silikonmaske, Brille und Perücke verkleidete Anwalt genannt wird, war jahrelang in den wohl größten Steuerbetrug aller Zeiten verwickelt. Als Partner der amerikanischen Firma Sherman & Sterling verkaufte er wohlhabenden Kunden tatsächlich einen Teil der Staatskasse. Er sagt, er habe damit etwa 50 Millionen Euro verdient.
Er war einer von vielen. In den letzten zwanzig Jahren wurden westeuropäische Länder wie Deutschland, die Niederlande, Belgien, Frankreich und Dänemark von einer Bande aus Hunderten von Bankern, Steuerspezialisten, Anwälten und Vermittlern um geschätzte 150 Milliarden Euro beraubt. In den letzten Jahren wurden in Deutschland die ersten dafür verhaftet und verurteilt. Das scheint erst der Anfang zu sein.
Diese Woche kehrte der Skandal in den Schoß der niederländischen Mutter zurück. Der 53-jährige Frank V., der am Dienstagmorgen verhaftet wurde, ist der selbsternannte „Mastermind“ eines komplizierten, aber doch recht einfachen Prinzips. Seine Firma in Haarlem, seine Villa in Aerdenhout und das Büro seines Steuerberaters wurden vom Ermittlungsdienst Fiod durchsucht. Mit der Festnahme dieses ersten niederländischen Tatverdächtigen scheint es auch hier ernst zu werden.
CumEx und CumCum
„Ich war trotzdem überrascht“, sagt Eric Smit von der Rechercheplattform Follow the Money, der V. 2006 zu seiner „Arbeit“ interviewte und den Betrugsfall seit 2017 wieder intensiv verfolgt – und gewissermaßen sogar aufgesetzt hat die Karte. „Ich dachte, es handele sich um ein Rechtshilfeersuchen aus Deutschland, aber die Staatsanwaltschaft selbst ermittelt jetzt. Das ist ein großer Schritt.‘
V., ein schneller Junge mit einer Zeitschrift Zitieren Ein geschätztes Vermögen von 170 Millionen und eine finanziell attraktive philanthropische Stiftung, mit der er während Corona die Mitarbeiter seines südafrikanischen Wildparkhotels unterstützte, „die ihr Einkommen verloren haben, weil sie kein Gehalt mehr erhalten“, gilt als einer der Erfinder des sogenannte CumEx- und CumCum-Manöver, zwei leicht pornografische Bezeichnungen für Möglichkeiten, das Finanzamt auszuziehen. Mit diesen Formen des „Dividend Stripping“ können Sie Steuern zurückfordern, auf die Sie eigentlich keinen Anspruch haben.
Zusammen mit dem derzeitigen Abgeordneten Olaf Ephraim (Van Haga-Gruppe) verdiente V. um die Jahrhundertwende als Leiter der Abteilung Global Securities Lending & Arbitrage (GSLA) von Fortis Millionen an Boni. Im Jahr 2005 wurden die beiden von Fortis entlassen, kurz nachdem der Whistleblower Stefan Stanciu die Spitze der Bank über nicht akzeptable Transaktionen bei GSLA informiert hatte. Doch die Compliance-Abteilung der Bank kam innerhalb weniger Tage zu dem Schluss, dass an diesen Transaktionen nichts falsch war. Sowohl der Whistleblower als auch die beiden Bosse mussten daraufhin das Feld verlassen.
„Die Spitze von Fortis wollte uns nur wegen unserer Bonusprogramme loswerden“, sagt Ephraim jetzt de Volkskrant über seine Entlassung. „Aber nach meinem Geschmack haben wir uns immer an die Regeln gehalten und das wurde auch von zahlreichen internen und externen Vorgesetzten überprüft.“ Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt nie von der Justiz angesprochen worden, sagt er. „Nachdem Fortis den Finanzsektor verlassen hat, geschieht das, was andere danach getan haben, auf ihre Kosten und ihr Risiko.“
Der goldene Hühnerstall
Diejenigen, die weitermachten, waren Fortis und Frank V., wenn auch jeder seinen eigenen Weg ging. Dass V. tatsächlich mit CumEx-Konstruktionen gearbeitet hat, sagt er selbst in dem Interview, das Smit Ende 2005 mit ihm geführt hat.
Die Begriffe cum und ex beziehen sich auf Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Normalerweise funktioniert das so: Sie besitzen eine Aktie, einen Anteil am Eigentum eines Unternehmens, und wenn dieses Unternehmen einen Gewinn macht, erhalten Sie einen Teil des Gewinns: die Dividende. Darauf muss man Steuern zahlen, in den Niederlanden 15 Prozent. Diesen können Sie dann auf die Einkommensteuer anrechnen lassen und zurückfordern, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Einige Parteien müssen jedoch keine Dividendensteuer zahlen, können diese jedoch zurückfordern. Wenn rund um den Dividendentermin nicht ganz klar ist, wem die Aktien zu welchem Zeitpunkt genau gehörten, kann dies sinnvoll unter einen Hut gebracht werden.
Mit CumEx wird Dividendensteuer zurückgefordert, die noch nicht einmal gezahlt wurde, oder Dividendensteuer wird mehrmals zurückgefordert, wenn sie nur einmal gezahlt wurde.
Bei CumCum hat der Aktionär selbst keinen Anspruch auf Rückerstattung, sondern er verleiht die Aktie an eine andere, eigens dafür gegründete Partei, beispielsweise eine ausländische Pensionskasse, die eine Rückerstattung beanspruchen kann.
Der Insider beschreibt die Situation einfacher. „Stellen Sie sich die Staatskasse wie einen Hühnerstall vor, der jedes Frühjahr (wenn Dividenden ausgezahlt werden) Hrsg.) ist weit geöffnet. „Wir waren die Füchse, die damals rund um den Stall bereitstanden und versuchten, so viele Hühner wie möglich mitzunehmen.“
Anne Brorhilker
Die Niederlande sind den CumEx-Praktiken nicht zum Opfer gefallen. Obwohl es nach den Pionieren V. und Ephraim genügend Investoren, Banker und Anwälte in der Zuidas und Umgebung gab, die sich mit CumEx beschäftigten, ist eine Rückerstattung der Dividendensteuer hier nur möglich, wenn man nachweisen kann, dass man tatsächlich Dividenden gezahlt hat. In Deutschland, Belgien und Dänemark gab es eine solche Anforderung nicht.
In Deutschland konzentrierte sich die gerichtliche Aufmerksamkeit bisher auf CumEx. Zum Gesicht im Kampf gegen diesen Betrug ist die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker geworden, die 2013 die Akte aufnahm, weil ein Kollege keine Zeit dafür hatte und niemand wusste, worum es ging. Sie brachte einige Schlüsselakteure für lange Zeit hinter Gitter (Hanno B., ein Finanzstar in Deutschland, wurde zweimal zu acht Jahren Gefängnis verurteilt) und ermittelt immer noch gegen 1.500 Personen. Das journalistische Recherchekollektiv Correctiv, zu dem auch Follow the Money gehört, war einer der Treiber der öffentlichen Meinung.
Der Fall gegen Frank V. hingegen dreht sich um CumCum, was in den Niederlanden möglich ist. Es ist einer von drei Fällen, die die Staatsanwaltschaft eingeleitet hat. Eine Untersuchung von ABN Amro (in der Fortis fusioniert ist) und Morgan Stanley konzentriert sich ebenfalls auf CumCum. Die Financial Times berichtete, dass in diesem Fall namens „Harley“ nun Banker von ABN Amro befragt werden. Der Zeitung zufolge will die Fiod vor allem wissen, welche der höchsten Manager an den Transaktionen beteiligt waren. Zum dritten Fall kann die Staatsanwaltschaft keine weiteren Angaben machen.
150 Milliarden Euro
CumCum ist eine einfachere Form des Dividenden-Strippings. Der Eigentümer verleiht seine Anteile rund um den Dividendentermin an einen ausländischen Pensionsfonds, da dieser von der 15-prozentigen Dividendensteuer befreit ist. Dieser Fonds fordert dann Steuern zurück, auf die er keinen Anspruch hat. Es ist eine Konstruktion, die drei Gewinner hat. Der Kreditgeber, die Pensionskasse und alle Steuerfachleute und Banker, die das CumCum ermöglichen, teilen sich den 15-prozentigen Erlös. Es gibt einen Verlierer: den Staat, der weniger Geld für Schulen, Straßen oder Sozialleistungen übrig hat.
Dass die Niederlande jetzt an CumCum arbeiten, ist aus zwei Gründen spannend. Erstens ist der Betrug durch CumCum viel größer. Untersuchungen von Christoph Spengel von der Universität Mannheim zeigen, dass die Dividendenkürzung zwischen 2000 und 2020 Steuerzahler aus elf Ländern 150 Milliarden Euro gekostet haben könnte. CumCum macht davon 90 Prozent aus. Der Schaden für die Niederlande wird auf 8 bis 26 Milliarden geschätzt. Damit sind die Niederlande eines der am stärksten betroffenen Länder.
Zudem galt diese Form des Dividenden-Strippings lange Zeit als rechtlich zulässig. Steuerberater wie Allen & Overy erstellten sogenannte „Rechtsgutachten“, die den Anwälten die „streitbare Position“ verschafften, dass die Manöver legal seien. Die Idee war, dass es im Steuerrecht Lücken gäbe und man diese daher nutzen könne. „Aber der deutsche Richter hat Hackfleisch daraus gemacht“, sagt Smit von Follow the Money, der bei mehreren Anhörungen anwesend war. „Wenn der Nachbar die Hintertür offen lässt, darf man den Fernseher auch nicht mit nach draußen nehmen.“ Das bleibt Diebstahl.“
Kaum Rechtsprechung
Davon scheint auch der OM überzeugt zu sein. Vor zwei Jahren hat das Financial Expertise Center unter anderem der Steuer- und Zollverwaltung ein umfangreiches Dokument erstellt, das als Grundlage für die Strafverfolgung angesehen werden kann. Wenn nachgewiesen werden könne, dass alle möglichen „listigen Tricks“ oder „Fälschungen“ angewandt worden seien, um das Geld zurückzufordern, handele es sich um Betrug, schreiben die Autoren. Doch sie warnen: „Leider gibt es hierzu derzeit kaum Rechtsprechung.“
Neben der Kriminalität stellt sich nun auch die Frage, wie weit die Staatsanwaltschaft gehen will. Nachdem V. Fortis verlassen hatte, gingen die Übungen dort wie gewohnt weiter. Der frühere Staatssekretär Joop Wijn (CDA) war später Leiter der Dividendenabzugsabteilung bei ABN Amro, und möglicherweise wusste auch der ehemalige Minister Gerrit Zalm (VVD), langjähriger Vorstandsvorsitzender von ABN Amro, davon Praktiken Methoden Ausübungen.
Ein Sprecher von ABN Amro äußert sich nicht dazu, sondern verweist auf den aktuellen Jahresbericht. Darin heißt es: „Wir können nicht ausschließen, dass die Bank oder Tochtergesellschaft durch die Dividendenkürzung finanzielle Konsequenzen erleiden wird.“ Dies kann Geldstrafen und andere zivil- oder strafrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen.“
Über den Autor
Michael Persson ist Wirtschaftsreporter und Kommentator von de Volkskrant, mit Schwerpunkt auf dem Krieg in der Ukraine. Als Amerika-Korrespondent gewann er den Tegeler Journalistenpreis.