Wir müssen die EU-Fiskalregeln stärken, nicht verwässern

Wir muessen die EU Fiskalregeln staerken nicht verwaessern


Der Autor ist Bundesfinanzminister

Gesunde öffentliche Finanzen sind eine Grundvoraussetzung für Wirtschaftswachstum in der EU. Wir müssen sicherstellen, dass wir fiskalische Puffer für potenzielle künftige Krisen haben. Dies gilt insbesondere nach den vergangenen Jahren, in denen alle Mitgliedstaaten finanzielle Anstrengungen unternommen haben, um zunächst die Pandemie und dann die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zu bewältigen.

Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt hat die bisher in ihn gesetzten Hoffnungen nicht ausreichend erfüllt. Wir brauchen klare finanzpolitische Regeln, die solide öffentliche Finanzen in der EU gewährleisten, und wir müssen ihre Durchsetzung verbessern. Derzeit führen wir Gespräche über die künftige Ausgestaltung des gemeinsamen europäischen finanzpolitischen Rahmens. Unser Ziel ist es, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu stärken, nicht ihn zu schwächen. Wir brauchen mehr Rechenschaftspflicht.

Die Europäische Kommission hat im November erste Ideen zu einer möglichen Reform vorgelegt. Aber diese Ideen definieren noch nicht ausreichend klare Anforderungen, um Defizite und Schuldenquoten zu reduzieren oder auf ausreichend niedrigem Niveau zu halten. So schlägt die Kommission beispielsweise die Einführung bilateraler Verfahren zwischen ihr und den Mitgliedstaaten vor, wenn es um Entschuldungspläne geht.

Auf der Grundlage einer sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse würde die Kommission den Ausgabenpfad eines Mitgliedstaats für die nächsten vier Jahre als Grundlage für weitere bilaterale Gespräche vorschlagen. Solche Analysen reagieren jedoch sehr sensibel auf Änderungen der zugrunde liegenden Verschuldungsannahmen und würden die Frage des Schuldenabbaus letztlich zum Gegenstand politischer Verhandlungen machen.

Statt bilateraler Verfahren und Verhandlungen brauchen wir ein funktionierendes Fiskalregelwerk, das zu einer Gleichbehandlung aller Mitgliedsstaaten führt. Der multilaterale Charakter der EU-Finanzüberwachung muss beibehalten werden. Nur so kann im Block ein gemeinsames Verständnis von soliden Staatsfinanzen gewahrt werden.

Gemeinsame Haushaltsregeln müssen einen raschen und ausreichenden Abbau von Defiziten und hohen Schuldenquoten sicherstellen und gleichzeitig die notwendigen öffentlichen und privaten Investitionen ermöglichen. Die Verbesserung der Qualität der öffentlichen Finanzen durch Priorisierung der Ausgaben bleibt von entscheidender Bedeutung.

Um diesen Zielen gerecht zu werden, müssen die im Vertrag von Maastricht erstmals festgelegten Referenzwerte von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Defizitquote und 60 Prozent des BIP für die Schuldenquote unangetastet bleiben. Das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit im Falle eines Verstoßes gegen das 3-Prozent-Defizitkriterium war in der Vergangenheit unser wirksamstes Durchsetzungsinstrument. Es darf sich nicht ändern.

Wir sind davon überzeugt, dass nachvollziehbare und gemeinsam vereinbarte Kennzahlen eine Mindestvoraussetzung sind, um sinkende Verschuldungsquoten und Gleichbehandlung zu gewährleisten. Wir brauchen eine einfache und transparente Ausgabenregel für den Defizitabbau, die die Ausgaben auf der Grundlage des wirtschaftlichen Wachstumspotenzials eines Mitgliedstaats begrenzt. Darüber hinaus sind Schutzbestimmungen erforderlich, um sicherzustellen, dass die Schuldenquoten jedes Jahr tatsächlich über den Maastricht-Referenzwerten liegen. Wir brauchen auch weitere Maßnahmen, um die Einhaltung durch die Mitgliedstaaten sicherzustellen, sowie weniger Ermessensspielraum bei der Auslegung und Anwendung der Regeln.

Die Kommission hat „nationale Eigenverantwortung“ für den fiskalischen Rahmen zu einem ihrer Reformziele gemacht. Dies kann aber nur gelingen, wenn sich alle Mitgliedsstaaten mit seinen Kernelementen identifizieren. Die Reform muss die Regeln klarer machen. Darüber hinaus sind die Durchsetzung sowie die Regelsetzung von entscheidender Bedeutung. Das Regelwerk kann kein Papiertiger sein. Auf dieser Grundlage wird Deutschland die Gesetzesvorschläge der Kommission bewerten, die wir sehr bald erwarten.

Die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts darf kein Selbstzweck sein. Es ist nur akzeptabel, wenn wir den Rahmen erheblich verbessern. Andernfalls wäre eine Änderung der Regeln nicht ratsam.



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