Das geschockte und verwundbare Kabinett Rutte IV bereitet sich auf eine parlamentarische Debatte vor

Das geschockte und verwundbare Kabinett Rutte IV bereitet sich auf


Von links nach rechts: Kajsa Ollongren (Verteidigungsministerin), Wopke Hoekstra (Außenministerin), Sigrid Kaag (Finanzministerin) und Premierminister Mark Rutte.Bild Sem van der Wal / ANP

Allein die Tatsache, dass Premierminister Mark Rutte am Dienstag im Repräsentantenhaus über die Folgen der jüngsten Wahlen debattiert, zeigt, wie sehr sein Kabinett geschwächt ist. Die Koalition blockierte die Debatte zunächst, musste aber schnell zurück, als der Rest der Opposition empört reagierte. Es war eine erste Verbeugung vor der neuen politischen Realität: Rutte IV. kann es sich nicht mehr leisten, die Opposition durch die dramatisch reduzierte Sitzzahl im Senat unnötig zu verärgern.

Durch den umstrittenen Stickstoff-Deal am vergangenen Freitag hat sich die Spannung in der Debatte weiter verschärft. Die CDA will den Koalitionsvertrag – langfristig – aufbrechen, D66 aber nicht: Es ist eine Konstruktion, die es in der jüngeren Parlamentsgeschichte noch nie gegeben hat. Die Koalition wird sich um eine Verteidigungsstrategie bemühen müssen. Sicher ist, dass jedes falsche Wort den fragilen Waffenstillstand innerhalb von Rutte IV gefährden kann.

Neuverhandlungen der Stickstoffpolitik

Ministerpräsident Rutte geriet am vergangenen Freitag in die Enge, als er versuchte, den Stickstoff-Kompromiss zu erklären. Der Premierminister versicherte mit großer Souveränität, dass die Stickstoffpolitik nun beschleunigt wird, obwohl es zu gegebener Zeit Neuverhandlungen über dieselbe Politik geben wird. Die Opposition riecht Blut, denn noch weiß niemand, was Ruttes Beschleunigung mit sich bringt.

Nicht nur der Ministerpräsident, auch die Vorsitzenden der Regierungsparteien müssen sich auf die Debatte einstellen. D66 wird von links vorgeworfen, dass die einst so ehrgeizigen Naturziele bereits in Gefahr sind. Je härter D66-Parteivorsitzender Jan Paternotte widerspricht, desto schwieriger wird es für D66, Kompromisse einzugehen, wenn der CDA in einigen Monaten eine Änderung des Koalitionsvertrags fordert.

Auch die CDA bleibt in einer schwierigen Lage. Was genau an der Regierungspolitik geändert werden muss, will die Partei noch nicht sagen: Es muss erst klar werden, worauf sich die Länder geeinigt haben. Schon jetzt wird der Partei vorgeworfen, die eigentliche Arbeit in die Provinz zu verlagern.

Der VVD hat ein ähnliches Problem: Selbst die größte Regierungspartei scheut sich, beim Stickstoff-Dossier Flagge zu zeigen. Das liegt zum Teil an der internen Spaltung: Einige Unterstützer wollen vor allem, dass der Bau weitergeht, aber es gibt auch viele VVD-Mitglieder, die mit den Bauern sympathisieren. Hinzu kommt noch etwas anderes: Wenn der VVD Stellung bezieht, könnte Ruttes Kabinett in Gefahr sein. Durch den Kompromiss hofft der VVD, sowohl Wopke Hoekstra als auch Sigrid Kaag an Bord zu halten.

Feuerprobe für Van der Plas

Die Koalition will am Dienstag vor allem betonen, dass es um mehr geht als nur um das Stickstoff-Dossier. In vielen anderen Bereichen – Klima, Wohnen, Wirtschaft – können es sich die Niederlande laut den Regierungsparteien nicht leisten, bis zu Neuwahlen wieder alles abzuschalten. Eine Kabinettskrise wäre unverantwortlich. Nicht umsonst betonte Ministerpräsident Mark Rutte in seinem Schreiben an das Repräsentantenhaus am Freitag, dass sein Kabinett noch immer voller Ehrgeiz sei und „weitere Verbesserungen in allen wichtigen Fragen zeigen will“.

BBB-Chefin Caroline van der Plas hat da kein Vertrauen mehr. Unmittelbar nach den Provinzratswahlen kam sie zu dem Schluss, dass Rutte IV besser zurücktreten sollte, weil die Unterstützung unter den Wählern verschwunden sei. Auch aufgrund dieser harten Position kann sich der BBB-Spitzenreiter am Dienstag auf eine Feuerprobe einstellen. In der Vergangenheit haben andere Parteien Van der Plas weitgehend ignoriert, aber diese Zeiten sind vorbei. Auch politische Gegner werden ihre Pläne nun stärker angreifen.



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