Was sucht Aleksandr Lukaschenko in Peking?
Schöne Propagandafotos mit chinesischen Führern, die helfen, die belarussische Wirtschaft aus der Flaute zu ziehen. Lukaschenko wird die Fotos sicherlich bekommen, neue wirtschaftliche Unterstützung wohl nicht.
Jahrelang haben lyrische Artikel in den belarussischen und chinesischen Staatsmedien verschwiegen, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Praxis nur sehr langsam an Fahrt gewinnt. Inzwischen sei die Begeisterung auf chinesischer Seite verflogen, schlussfolgern Politikwissenschaftler des Forschungszentrums Eurasische Staaten im Wandel (Ost) in Polen. Selbst für eine einfache Kalimine, in der Rohstoffe für Düngemittel gewonnen werden, werden chinesische Kredite eingefroren.
Über diesen Autor
Marije Vlaskamp schreibt über Chinas Stellung in der Welt. Sie verfolgt auch die Entwicklungen anderswo in Asien. Sie war 18 Jahre Korrespondentin in Peking.
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zwischen Peking und Minsk begannen mit westlichen Sanktionen gegen Weißrussland, nachdem Lukaschenko 2020 hart gegen Proteste gegen sein Regime vorgegangen war. Nachdem Lukaschenko auch Russland reichlich Spielraum gegeben hatte, um von seinem Territorium aus in die Ukraine einzumarschieren, sieht selbst der größte Optimist vorerst nicht, dass sich Belarus zu einer logistischen Drehscheibe zwischen Europa und Fernost entwickelt.
Wie hätte Peking Weißrussland wirtschaftlich aufwerten wollen?
Die Tinte auf Chinas wirtschaftspolitischem Masterplan für die Welt, der Belt Road Initiative (BRI), war gerade vor zehn Jahren getrocknet, als Lukaschenko ihn als eines der ersten Staatsoberhäupter unterzeichnete. Laut Statistiken aus Minsk fuhren 80 Prozent der chinesischen Züge mit Exportprodukten für den europäischen Markt durch Weißrussland, sodass sich Weißrussland mithilfe chinesischer Milliardeninvestitionen zu einem internationalen Logistikstar entwickeln würde.
Sogar Duisburg, der deutsche Binnenhafen, der sein Schicksal mit BRI verbunden hatte, wurde 2018 Anteilseigner von Grote Steen, einem über 90 Quadratkilometer großen chinesisch-belarussischen Industriepark in Weißrussland. Nun ist der Traum vom hypermodernen Cluster von Unternehmen aus aller Welt ausgeträumt. Unternehmer, die sich noch zurückziehen konnten, sind weg. Der Rest wartet auf bessere Zeiten.
Zum Trost kauft China jetzt mehr Holz, Fleisch und Milchprodukte aus Weißrussland und China wird nicht sofort alle Kredite einstellen. Der chinesische Präsident Xi Jinping und Lukaschenko tun so, als ob die glorreiche Zukunft von Big Stone unmittelbar bevorstehe, aber Weißrussland ist im Moment von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung für Peking.
Warum lässt Peking dann Lukaschenko kommen?
Aus politischen Gründen. Chinesische Staatsmedien platzieren seinen Besuch als ersten einer Reihe geplanter Besuche europäischer Politiker in diesem Frühjahr. In der Propaganda scheinen sich alle möglichen Europäer nach Peking zu drängen, damit die chinesische Charme-Offensive Früchte trägt.
Chinesische Diplomaten bombardieren Brüssel seit kurzem mit Vorschlägen zur gleichzeitigen Aufhebung der Sanktionen, die China und die EU gegeneinander verhängt haben. Nach diesem Schritt kann das Ratifizierungsverfahren eines chinesisch-europäischen Investitionsabkommens wiederbelebt werden.
Ein herzliches Willkommen von Lukaschenko ist auch ein Ärgernis für die Vereinigten Staaten. Die US-Administration wertet den Besuch Lukaschenkos als Signal, dass Peking seine Beziehungen zu Russland weiter vertiefen wolle, nachdem die USA vergangene Woche behaupteten, China stehe kurz davor, Moskau mit Waffen, insbesondere Munition, zu beliefern.
Deshalb beobachten die Amerikaner den Besuch Lukaschenkos mit Argwohn auf weitere Anzeichen einer chinesisch-russischen Annäherung. Xi betont gemeinsam mit Lukaschenko gerne, dass China am Freitag einen schönen Friedensplan für die Ukraine vorgelegt hat und dass Washington und die Nato die Hauptschuldigen in dem Krieg sind.
Welche Rolle spielt Russland?
Lukaschenko hat sich Moskau ergeben, um sein Regime über Wasser zu halten, aber der internationale Paria sucht verzweifelt nach Kontakt mit China, um Moskau zu zeigen, dass er mehr Möglichkeiten hat.
Auf militärischem Gebiet kooperiert Peking bereits mit Weißrussland: Ursprünglich sollen chinesische Raketen auf weißrussischen Raketenwerfern montiert werden. Weißrussland hat auch chinesische Hightech-Überwachungssysteme, um die Bevölkerung im Auge zu behalten. Diese Zusammenarbeit kann jetzt erheblich ausgebaut werden, da Weißrussland offiziell der Shanghai Cooperation Organization (SCO), einem von China dominierten Sicherheitsrat, beitritt.
Russland ist auch Mitglied der SCO, hauptsächlich um zu verhindern, dass China in Zentralasien zu dominant wird, wo ehemalige Sowjetrepubliken sowohl der BRI als auch der SCO beigetreten sind. Der russische Präsident Wladimir Putin steht dieser Ausweitung des chinesischen Einflusses misstrauisch gegenüber, aber mit Xi als Kriegspartner kann sich Putin selbst einer größeren Abhängigkeit von China nicht mehr entziehen.
Bereits kurz vor seiner Abreise nach Peking forderte Lukaschenko Weißrussland, Russland und China zu einer gemeinsamen Industriepolitik auf. Weißrussland, das in der Vergangenheit oft übertriebene Erwartungen an eine Zusammenarbeit mit China hegte, erwartet nun, dass die autoritäre Achse Minsk-Moskau-Peking im Industriepark Grote Steen bald wirtschaftliche Gestalt annehmen wird.
Nach Angaben des Managements des Parks haben seit vergangenem Sommer plötzlich russische Drohnen- und Helikopterhersteller Interesse an einer Ansiedlung auf dem Gewerbegebiet bekundet. Lukaschenkos Besuch in Peking zeigt beispielsweise auf subtile Weise, wie sich die Beziehungen zwischen Russland und China verändern.