Abgesehen von einer (hoch-)adligen Familiengeschichte hat Georg Friedrich von Preußen, Ururenkel des letzten deutschen Kaisers, nichts mit Prinz Heinrich XIII., Spross des Königshauses Reuß, gemeinsam. Dennoch distanzierte sich Georg Friedrich nach seiner Verhaftung in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit dem vereitelten Staatsstreich der rechtsradikalen Reichsbürgerbewegung, die Heinrich zum König einer deutschen Autokratie hätte krönen wollen, umgehend von Heinrich.
Mitglieder der weitläufigen Reuss-Familie machten deutlich, dass sich der künftige König bereits vor Jahren als schwarzes Schaf in ihrem Kreis disqualifiziert hatte. Vertreter monarchistischer Organisationen – Vereine mit veralteten Websites und einer kleinen, alternden Mitgliederzahl – versicherten, dass sie der Reichsburger Bewegung nicht angehörten.
Kurz: Die deutschen Freunde der Monarchie fürchten den Imageschaden, den ihnen der Thüringer „Putschprinz“ zugefügt haben soll.
Infizierte Vergangenheit
Und dieses Bild ließ zu wünschen übrig. Georg Friedrich von Preußen, der 46-jährige Häuptling des Hauses Hohenzollern, hat in den letzten Jahren mit Versuchen, die von der ehemaligen DDR nach 1945 beschlagnahmten Burgen und Ländereien wieder in Besitz zu nehmen, für viel Unmut unter seinen Landsleuten gesorgt. Dieses Thema hat sich für die ehemalige Kaiserfamilie zu einem PR-Desaster entwickelt. Politiker und Journalisten erinnerten daran, dass die Bundesrepublik und zuvor die Weimarer Republik den Verlust an beweglichem und unbeweglichem Vermögen bereits großzügig entschädigt haben. Der TV-Satiriker Jan Böhmermann, das deutsche Pendant von Arjen Lubach, hat der vermeintlichen Gier von Georg Friedrich fast eine ganze Sendung gewidmet.
1918, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, wurden Kaiser Wilhelm II. und seine faktischen „Subunternehmer“ – die Oberhäupter von Dutzenden von Fürstentümern – entthront. Anders als in Russland, wo der Zar und seine Familie von den Bolschewiki ermordet wurden, wurde während dieser Revolution kein Blut vergossen. Der Kaiser ließ sich in den Niederlanden nieder – wo er zunächst in bequemen Verhältnissen in Amerongen, später in Doorn lebte. Die anderen deutschen Fürsten ließen sich ohne nennenswerten Widerstand zu Beamten degradieren, manchmal – aber nicht immer – unter Verlust ihres Stammsitzes.
Mit der Forderung nach Rückgabe der Angehörigen hat sich die Familie Hohenzollern einer schmerzhaften historischen Recherche ihrer NS-Vergangenheit ausgesetzt. Nur wenn nachgewiesen werden kann, dass die Familie Hitler nicht „erheblich unterstützt“ hat, können sie die Herausgabe beschlagnahmten Eigentums verlangen. Den meisten Medien ist jedoch klar, dass die Familie Hohenzollern diesem Tugendmaßstab nicht entspricht. Mit dieser Schlussfolgerung sind inzwischen mehrere Bücher erschienen. Ein anderes Ergebnis einer laufenden Untersuchung ist nicht zu erwarten.
Angriff auf Hitler
Jahrelang hat die Familie versucht, sich über die Beteiligung von Louis Ferdinand von Preußen, dem Großvater von Georg Friedrich, am gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 lustig zu machen, aber dieses Kunststück – soweit es sich bewährt hat historische Forschung – droht durch den schlechten Leitungsstatus einiger Verwandter (darunter Kronprinz Wilhelm, der Vater von Louis Ferdinand, und sein Bruder August Wilhelm) zunichte gemacht zu werden. Historiker sind sich immer noch uneins über den Platz Wilhelms II. im Spektrum zwischen richtig und falsch.
Georg Friedrich, das heutige Familienoberhaupt, verzichtet klugerweise darauf, sich auf diese Diskussionen einzulassen. Auch verzichtet er klugerweise auf Äußerungen, die darauf hindeuten könnten, dass er die Wiederherstellung der Monarchie in Deutschland anstrebe. Er sieht sich allein als Hüter des kulturellen Erbes Preußens, jenes Staates, der bis 1918 den Kern des Zweiten Deutschen Reiches bildete und 1947 als vermeintliche Brutstätte des deutschen Militarismus aufgelöst wurde.
Die Nachkommen der Monarchen, die mit der Gründung der Weimarer Republik 1919 ihre Throne und Adelstitel verloren haben, streben selten (offen) nach der Wiederherstellung der Monarchie – in welcher Form auch immer. Das überlassen sie, mehr aus Gefälligkeit denn aus tiefer Überzeugung, Bürgern, denen eine Republik zu gewöhnlich ist. So fungiert im ehemaligen Königreich Sachsen der pensionierte Antiquitäten- und Waffenhändler Klaus Przyklenk als Agent für die Nachkommen des letzten Königs (Friedrich August III.), der im Laufe der Jahre das Tor des Stammschlosses in Dresden geschlossen haben soll Deutsche Revolution von 1918 mit den Worten: ‚Dann möge doch euern Dreck allein‘, mit anderen Worten: „Dann finden Sie es selbst heraus“.
Gegenseitige Wendungen
Die meisten Nachkommen der ehemaligen Königsfamilie (Wettin) leben nicht einmal im heutigen Bundesland Sachsen, sie sind in Streitereien verwickelt und einige wollen nicht einmal in ihrem Stammesland beerdigt werden. Das hindert Agent Przyklenk jedoch nicht daran, sich der Erinnerung an die monarchische Vergangenheit Sachsens zu widmen. Er vermittelt zwischen streitenden Verwandten und verbringt glanzvolle Kneipentage in der Dresdner Hofkirche. Ein Holzchalet in seinem Hinterhof, randvoll mit Erinnerungsstücken aus dem untergegangenen Königreich, dient als Zentrum der sächsischen Monarchie. Als Anerkennung für seine Bemühungen verlieh ihm der Chef des Hauses Wettin das Privileg, seinem Nachnamen das begehrte Präfix „von“ hinzuzufügen.
Ein König soll Sachsen – eines der „neuen Bundesländer“ Deutschlands, das 1990 wiedervereint wurde – vor dem Abstieg in den Flügel der Gier bewahrt haben Wessis (Westdeutsche, ed.), sagte Przyklenk 2008 de Volkskrant. „Ein weiser König hätte eine inkompetente Regierung rechtzeitig zur Ordnung gebracht. Monarchien werden im Allgemeinen besser regiert als Republiken.‘ Diese Ansicht wird auch von Tradition und Leben vertreten, der mit rund dreihundert Mitgliedern ältesten und größten monarchistischen Organisation Deutschlands. Sie bezieht sich auf die konstitutionellen Monarchien – einschließlich der Niederländer – in Europa. Obwohl Wilhelm II. „kein idealer Monarch“ war, räumte der Vorsitzende von Tradition und Leben (TuL) vor einigen Jahren ein, habe er sich nach den Maßstäben seiner Zeit nicht ungünstig von anderen (gewählten und gekrönten) Staatsoberhäuptern unterschieden. Der größte Fehler der deutschen Monarchisten, so TuL, sei, dass sie sich zu sehr mit dem Konservatismus identifiziert und deshalb den Anschluss an die Massen versäumt hätten.
Ewigkeitsklausel
Dennoch sollen weitaus mehr Deutsche dem Monarchismus verpflichtet sein, als sich aus der (bescheidenen) Größe monarchistischer Organisationen ableiten lässt. Diese Haltung können sie laut TuL aber nicht äußern, weil die sogenannte Ewigkeitsklausel im Grundgesetz die Vergabe von Ämtern nach Geburt verbietet. Das ist auch der Grund, warum sich TuL, um Probleme mit der deutschen Justiz zu vermeiden, nicht der Wiederherstellung der Monarchie verpflichtet fühlt, sondern nur der Verbreitung „der monarchistischen Idee“.
Über die Empfänglichkeit der Deutschen für diese monarchistische Idee gehen die Meinungen auseinander. Einerseits zeigen sie ein schier unerschöpfliches Interesse an den Wechselfällen der Königshäuser im In- und Ausland. Gelegentlich überraschen sie sich mit Umfragen, die zeigen würden, dass Deutschland eine Republik mit vielen (heimlichen) Monarchisten ist. Aber niemand scheint ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass die Unzufriedenheit mit der parlamentarischen Demokratie in Deutschland oder mit der institutionellen Dumpfheit des präsidialen Staatsoberhauptes zur Restauration der Monarchie führen könnte. Obwohl die Abschaffung der Monarchie damals bei den Deutschen wenig Begeisterung hervorrief, waren sie auch von ihrer Wiederherstellung nicht begeistert – schon deshalb, weil sich kein Sterblicher an einen deutschen König oder Kaiser erinnern kann. Der Monarchismus wurde auf die Folklore der Bogenschützen und Fahnenschwinger reduziert. Doch Heinrich XIII. Reuss zu Köstritz bezweifelte mit seinen noch so ungeschickten Putschplänen die Unschuld dieser Folklore.