Stundenweltrekord nach einer Frostnacht: Auf der Überschall-Eisbahn in Winterswijk ist das möglich

Stundenweltrekord nach einer Frostnacht Auf der Ueberschall Eisbahn in Winterswijk ist


Bart Vreugdenhil auf der Eisbahn in Winterswijk, während er seinen Stundenweltrekord aufstellt.Bild Marcel van den Bergh / de Volkskrant

Das kann nicht sein, denkt sich Eismeister Hendrik van Prooije, als er in der Nacht zum Montag um kurz vor 2 Uhr einen Anruf erhält. Am Eisroboter der Winterswijkse IJsvereniging leuchtet ein orangefarbenes Licht, genau wie der Vorbau für Rot an einer Ampel. Und das in der Nacht vor dem Tag, an dem alle Augen auf seine Überschall-Eisbahn in Winterswijk gerichtet sein sollten.

In derselben Nacht schläft Marathon-Skater Bart Vreugdenhil (27) bereits im Haus der Sekretärin des Eislaufklubs. Er kam nach Winterswijk, um am Dienstagmorgen den Stundenweltrekord auf Natureis anzugreifen. Ein inoffizieller Rekord aus dem Jahr 1928, als der Franzose Leon Quaglia im französischen Chamonix 32 Kilometer und 970 Meter in einer Stunde zurücklegte. Ein Rekord, der immer noch Bestand hat, denn danach wandte sich die Aufmerksamkeit den Rekorden auf Hallen- oder anderem Kunsteis zu.

Gehweg über das Eis

Um die Liebe zum Natureis anzuregen, schien der Eislaufverband KNSB auf niederländischem Boden einen Stundenweltrekord aufzustellen. Aber dann muss es weitergehen. Nachdem Eismeister Van Prooije die Stromversorgung des Eisroboters wieder herstellen konnte, ist er wieder gestresst, als er nach Hause zurückkehrt. Es ist dann 6.45 Uhr, weniger als zwei Stunden, bevor Vreugdenhil seinen Rekordversuch starten muss, und der Steg ist immer noch über dem Eis.

Die Brücke über die Eisbahn in Winterswijk.  Bild Marcel van den Bergh / de Volkskrant

Die Brücke über die Eisbahn in Winterswijk.Bild Marcel van den Bergh / de Volkskrant

Das wecke Erinnerungen an die letzte Ausgabe der Elfstedentocht, räumt er ein. 1997 wuchs das Eis unter den friesischen Brücken so langsam, dass das Volksfest beinahe abgesagt worden wäre. Um die Mindestdicke von 15 Zentimetern Eis unter die Brücken zu bekommen, mussten Eisbrocken von anderer Stelle verwendet werden. Aber mit 14 Millimeter Eis, einer erforderlichen Spiegelbahn und weniger als zwei Stunden bis zum Rekordversuch bietet eine solche „Eistransplantation“ in Winterswijk keine Lösung.

Die Brücke wird eilig abgebaut, und bei minus 8,1 Grad sieht es um 7.15 Uhr gut aus für die Eisbahn und Vreugdenhil, der dann mit seinem Flachssack von Albert Heijn ins Vereinsgebäude spaziert. Proviant: zwei Bananen, sechs Johannisbeerbrötchen und Lutschtabletten mit Honig-Zitrone-Geschmack, falls die vier Pfannkuchen – ohne Sirup, weil vergessen – morgens nicht reichen. Er ist bereit für das, was er „die härteste Stunde seines Lebens“ nennt.

Eine Frostnacht und die Eisbahn kann öffnen

Die Winterswijkse IJsvereniging wurde nicht zufällig ausgewählt. Seit zwei Jahren gibt es hier eine Natureisbahn, die ihresgleichen sucht. Bei einer Nacht mit Frost kann die Strecke am nächsten Tag geöffnet werden. Das geschah dieses Jahr bereits am 20. November, ein Rekord. Damit kann theoretisch sechs Monate im Jahr auf Natureis gefahren werden, denn im April war es auch ein Hit in Winterswijk, wo der Eisclub traditionell jährlich antritt, um den ersten Marathon auf Natureis zu organisieren.

In Zusammenarbeit mit der Universität Twente fand der Eislaufclub eine ziemlich einfache Lösung, um früh im Jahr aufs Eis zu kommen: Bodenisolierung. „Erdwärme verlangsamt das Eiswachstum enorm“, sagt Professor für Energietechnik Gerrit Brem, der an der Strecke in Winterswijk von der Universität Twente beteiligt ist. „Aber 15 Zentimeter Schaumbeton voller isolierender Luftblasen und eine möglichst dünne Asphaltschicht – damit möglichst wenig Wärme aufgenommen wird – scheinen gut zu funktionieren.“

Bart Vreugdenhil sprengt seine Schlittschuhe im Clubgebäude des Eisclubs.  Auf dem Bildschirm im Hintergrund Informationen über den Eisboden und das Wetter.  Bild Marcel van den Bergh / de Volkskrant

Bart Vreugdenhil sprengt seine Schlittschuhe im Clubgebäude des Eisclubs. Auf dem Bildschirm im Hintergrund Informationen über den Eisboden und das Wetter.Bild Marcel van den Bergh / de Volkskrant

Bei einsetzendem Nachtfrost werden in Winterswijk nicht nur die Schlittschuhe am Vorabend aus dem Fett geholt, sondern der Eiscreme-Verband setzt auch die zweite Innovation ein: den Eiscreme-Roboter. Indem alle zwanzig Minuten mit einer Art Teleskoparm eine Wasserschicht über die gesamte Breite der Strecke gesprüht wird, wächst das Eis um 1 bis 2 Millimeter pro Runde.

„So gut wie Kunsteis“

Im Clubhaus brennt der Holzofen, als Vreugdenhil um 8.30 Uhr Wärme in seine Schlittschuhe bläst. Über ihm hängt ein Bildschirm mit den Temperaturen des Eises. Nach seinen ersten Aufwärmrunden: „So schöne Eislaufszenen erlebe ich nicht oft“, sagt er. In der dunstigen, windstillen Landschaft steigt die Sonne nur knapp über die Baumgrenze entlang der Eisbahn. „Das Eis verhält sich genauso gut wie Kunsteis.“

Nach einiger Verzögerung aufgrund von Zeitproblemen fährt Vreugdenhil um 9.00 Uhr seine erste Runde. Es war kein Zufall, dass der Eislaufverband ihn bat, den Rekord in Winterswijk anzugreifen. Vreugdenhils Trainer Casper Helling verbesserte 2007 als Eisläufer den Stundenweltrekord auf Kunsteis in Salt Lake City. Hellings damaliger Trainer: der Eismeister in Winterswijk, Hendrik van Prooije.

So fühlt es sich an, entlang der ovalen Eisbahn in Winterswijk – die seit 1942 auch den niederländischen Kälterekord (-27,4 Grad Celsius) hält – sich der Kreis zu schließen. 6,5 Minuten vor Schluss hat Vreugdenhil die Distanz von 1928 zurückgelegt. Nach einer Stunde und einigen Berechnungen ertönt der letzte Stundenrekord aus dem Lautsprecher: 36 Kilometer, 717 Meter und 82 Zentimeter. Vreugdenhil ist zufrieden, gibt aber nach Anhörung seiner Distanz auch zu: „Ich hatte auf 38 Kilometer gehofft. Aber es ist wirklich kalt. Und auch bei Kunsteis gibt es einen Unterschied.“

Ein Leben lang im Skating-Fieber

Auf der Eisbahn wimmelt es bereits von Gestalten mit engen Hosen, die nicht unbedingt wegen Vreugdenhil auf die Eisbahn gekommen sind. So wie Danny Pampiermole (51), der sich einen Tag vom Sägewerk frei genommen hat, um nach Vreugdenhil so schnell wie möglich aufs Eis zu gehen.

„Ich bin hier im hinteren Teil von Pelkwijk aufgewachsen, wo wir im Winter eine Eisbahn gebaut haben, indem wir die Abflüsse auf einem Parkplatz geschlossen haben“, sagt er. Unter seiner Wikingermütze scheint die Sonne in seine kindlich strahlenden Augen. „Ich hatte mein ganzes Leben lang Eislauffieber.“



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