Mehr arbeiten, kaum mehr verdienen: Sorge vor hohem „Grenzdruck“

Mehr arbeiten kaum mehr verdienen Sorge vor hohem „Grenzdruck


Parlamentarische Konsultation zum Steuerplan 2023, rechte Staatssekretärin für Finanzen Marnix van Rij.Bild ANP

Ein eher abstrakter Steuerbegriff ist plötzlich ein beliebtes Thema bei den Finanzsprechern im Abgeordnetenhaus. Während der Gesetzgebungskonsultationen zum neuen Steuerplan forderten mehrere Fraktionen, darunter CDA und PvdA, das Kabinett auf, den „Grenzdruck“ zu verringern. Die ChristenUnie und PVV hatten zuvor schriftliche Fragen dazu an Staatssekretär Marnix van Rij für Finanzangelegenheiten gerichtet.

Die Abgeordneten sind sehr schockiert über eine Tabelle, die das Finanzministerium jedes Jahr mit dem Steuerplan liefert. Diesmal lässt sich festhalten, dass der Grenzdruck für Alleinverdiener mit Kindern ab einem Einkommen von 34.000 Euro im nächsten Jahr stark steigen wird. Ein Ernährer, der jährlich 45.000 Euro brutto verdient, steht in dieser Tabelle mit einem Randdruck von 87 Prozent am schlechtesten da. Von jedem zusätzlichen Euro, den er verdient (z. B. durch Mehrarbeit, Beförderung oder Gehaltserhöhung), bleiben ihm im nächsten Jahr nur noch 13 Cent nach Steuern übrig.

Für diese Gruppe lohnt es sich daher finanziell kaum, mehr Stunden zu arbeiten. Der Anstieg des Grenzdrucks für mittlere Einkommen im Jahr 2023 ist eine direkte Folge des großen Pakets von Kaufkraftmaßnahmen für niedrige Einkommen, das das Kabinett am Haushaltstag angekündigt hat. Die Freibeträge und „festen“ Steuergutschriften werden im nächsten Jahr erhöht, aber um diese Unterstützungsmaßnahmen zu finanzieren, lässt das Kabinett diese Leistungen über einer bestimmten Einkommensgrenze auslaufen. Personen, die knapp über dieser Unterstützungsgrenze liegen, verlieren einen Teil ihrer Freibeträge und Abgabenermäßigungen, sobald sie mehr verdienen. Infolgedessen bringt ein zusätzlicher Euro nur sehr geringe Nettorenditen.

Ökonom Coen Teulings machte letzte Woche mit Der Telegraph Treibstoff der überaus großzügigen Kaufkraftunterstützung, die das Kabinett – unter starkem Druck des Repräsentantenhauses – für das kommende Jahr zugesagt hat. Diese Einkommensstützung, die inklusive der Preisobergrenze für Energiekosten mit mehr als 40 Milliarden Euro budgetiert ist, schadet in den Augen von Teulings mehr, als dass sie nützt. „Es gibt eine Grenze für den Levelaufstieg, und diese Grenze wurde in den Niederlanden erreicht“, sagt der ehemalige Direktor des Zentralen Planungsbüros. Er prognostiziert, dass der hohe Grenzdruck das Funktionieren des Arbeitsmarktes behindern werde, weil sich (mehr) arbeiten in den Niederlanden einfach zu wenig lohne.

Relativ kleine Gruppe

Bei all dieser politischen Empörung und Aufregung bleibt einiges unterbelichtet. Erstens: Dank des Kaufkraftpakets für 2023 sinkt im nächsten Jahr der Grenzdruck für Alleinverdiener unter 34.000 Euro. So bleibt ihnen von jedem zusätzlich verdienten Euro bald mehr übrig, aber niemand redet wirklich darüber. Zweitens: Die besorgniserregende Tabelle im Steuerplan betrifft Alleinverdiener mit Kindern, eine relativ kleine Gruppe Niederländer. Drittens: Eine hohe Grenzbelastung darf nicht mit einer hohen Steuerbelastung verwechselt werden. Viertens: Der hohe Margendruck ist nichts Neues, denn er ist seit vielen Jahren ein Merkmal des niederländischen Steuersystems.

Auf parlamentarische Anfragen weisen Van Rij und Finanzministerin Sigrid Kaag die besorgten Fragesteller darauf hin, dass die Alleinverdiener aus der umstrittenen Tabelle nicht sehr repräsentativ für den durchschnittlichen Steuerzahler seien. Für 98 Prozent der Niederländer wird der Randdruck im nächsten Jahr unter 80 Prozent liegen, berichten sie dem Repräsentantenhaus. Bei Einkommen zwischen 40.000 und 75.000 Euro liegt der Druck im Schnitt bei rund 55 Prozent. Bei Zweiverdienerpaaren ist der Grenzdruck für den am wenigsten verdienenden Partner im Durchschnitt deutlich geringer als aus der sensationellen Tabelle im Steuerplan.

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Außerdem zahlen viele Niederländer dank des Kaufkraftpakets im nächsten Jahr weniger Steuern. Eine hohe Steuer auf eine Euro-Lohnerhöhung kann mit einer geringen Steuerbelastung des Gesamteinkommens einhergehen. Schließlich geht es beim Grenzdruck nur um den Lohn, den jemand bekommt, aber dank der höheren Freibeträge und Steuergutschriften zahlen viele Niederländer 2023 weniger Steuern auf die Euro, die sie bereits davor verdient haben. Die Finanzminister schreiben an das Haus: ‚Einige Maßnahmen des aktuellen Kaufkraftpakets erhöhen den Margendruck, sorgen aber gleichzeitig dafür, dass den Haushalten mehr übrig bleibt.‘

Anreiz zur Arbeit

Aufgrund der Kaufkraftstützung verschiebt sich der höchste Grenzdruck im nächsten Jahr in etwas höhere Einkommensgruppen (siehe auch Grafik), aber die Tatsache, dass einige Einkommenskategorien einem Grenzdruck von 80 Prozent oder mehr ausgesetzt sind, war der Fall viele Jahre. Auch das Problem, dass dadurch der Anreiz zur Mehrarbeit sinkt, ist seit langem bekannt. Hierzu wurden unter anderem 2017 und 2019 Forschungsberichte veröffentlicht, die an das Repräsentantenhaus versandt wurden.

Das Problem ist jedoch nicht einfach zu lösen, wie Kaag und Van Rij erneut schreiben, weil es in unserem Steuersystem verankert ist. Dieser ist seit der letzten großen Steuerreform 2001 mit allerlei Abgabenermäßigungen (Allgemeiner Abgabenermäßigung, Einkommensabhängiger Kombinationsermäßigung, Seniorenabsetzbetrag, Erwerbstätigenabsetzbetrag) und Freibeträgen (Pflege, Miete, Kinderbetreuungsgeld) ausgeschmückt und kinderbezogenes Budget) für alle Arten von Einkommensgruppen. Dadurch ist eine Art Einkommens-Klippe in das System eingebaut worden: Wer über diese Kante stürzt, verliert so viele Rabatte und Zulagen, dass Mehrarbeit wenig lohnend ist.

Es gibt keine einfachen Lösungen. Eine Möglichkeit, den Grenzdruck zu verringern, besteht darin, die Einkommensbeihilfen zu kürzen, aber das Haus hat dies gerade wegen der drohenden Energiearmut durchgesetzt. Die andere Möglichkeit besteht darin, die gleiche Einkommensbeihilfe in den gesamten Niederlanden bereitzustellen. Letzteres kostet wahnsinnig viel Geld und ist daher nicht realistisch. Die einzig wirkliche Lösung ist eine große Steuerreform. Die Politik spricht seit Jahren darüber, aber aufgrund grundlegender Meinungsverschiedenheiten zwischen den Koalitionsparteien über die Einkommenspolitik ist es einfach nie dazu gekommen. Dieses Kabinett hat auch die Steuerreform ad acta gelegt, für die sich fast alle Ökonomen seit Jahren einsetzen.

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