Bei Ajax ist das Wort Krise mal wieder abgestaubt; Groß und zwingend ist die Verwirrung im Club

Bei Ajax ist das Wort Krise mal wieder abgestaubt Gross


Kudus hält einen Ball hoch, Tadic hält die Hände vors Gesicht, Berghuis sieht enttäuscht aus, es steht 5:1 für Napoli. Ajax musste am Dienstagabend ein weiteres Gegentor hinnehmen.Statue Guus Dubbelman / de Volkskrant

Ajax ist es gewohnt, groß aufzutreten, sei es wegen des Golddrucks auf den Trikots oder durch die Anhebung der Gehälter für Topspieler auf 4, manchmal 5 Millionen Euro. Die Führung setzte diese Hochlohnpolitik im Jahr 2018 um, nicht um RKC zu schlagen, sondern um Meister zu werden und zu bleiben, und noch mehr, um erfolgreich in der Champions League zu bestehen; das Niveau, zu dem Ajax glaubt, dass es gehört.

Teil 1 der Mission war erfolgreich. Ajax sammelt aufgrund der fast permanenten Teilnahme in den letzten Jahren normalerweise zweistellige Millionenbeträge ein. Teil 2 erscheint bis auf Ausnahmen als Illusion. Es ist, als würde Ajax durch ein Teleskop in den Sternenhimmel starren und die Perspektive nicht scharf bekommen.

Ajax ist ein Handelshaus und in einem Jahr gedeihen die Waren besser als im anderen. Trainer Alfred Schreuder wehrte sich kurz vor Börsenschluss aufs Äußerste gegen den Verkauf von Antony. Am Ende ging der Brasilianer für rund 100 Millionen Euro. Logisch. Positionsverbesserung. Nach Intervention des Aufsichtsrats kam Lucas Ocampos nicht als Millionenkauf, sondern als Söldner. Er durfte am Dienstag nicht einmal hereinkommen. Dusan Tadic war statisch, wo Antony einmal herumwirbelte und die Rote Karte bekam. Das ist nur ein Aspekt der Transferpolitik, bei der mehr als doppelt so viel eingenommen wie ausgegeben wurde (200 bis 100 Millionen). Die Auswahl ist weniger hochwertig.

Von euphorisch bis nervig

So euphorisch die Stimmung in den letzten Jahren teilweise in der Johan-Cruijff-Arena war, so ärgerlich war sie am Dienstag mit triefenden „Erfolgsanhängern“. „Wir hatten sehr schöne Abende, aber jetzt ist es anders“, sagt Steven Berghuis. Das sagt viel aus. So ist Sport, so soll Sport sein. Erkenne, dass jemand anderes besser ist.

Schreuder analysiert weiter, während Unterstützer nach seinem Kopf schreien. Erinnern sie sich noch, wie das erste halbe Jahr von Vorgänger Erik ten Hag gelaufen ist? Antwort: sehr moderat. Sie wollen andere Spieler. Andere Rechnungen. Ein anderer Trainer. Daley Blind und Dusan Tadic, die Führer der neuen Politik im Jahr 2018, hinken nun hinterher, was Konsequenzen für die Hierarchie hat, sicherlich in den Köpfen. Alle sind Kapitän Tadic gefolgt, als er auch in berufsethischer Hinsicht die besten Zahlen vorlegte. Jetzt, wo er zeitweilig ausfällt, nehmen seine Worte („wir haben viele Fehler gemacht, wir haben viele neue Spieler, das darf nicht passieren“) ein hohes Maß an Pathetik an.

Schreuder sagte, dass sie bei Napoli besser und weiter sind. Steven Bergwijn und Jurriën Timber hielten klugerweise den Mund, aus Angst, ihre Beziehungen zu zerstören. Timber spielte sein wenigstes Spiel seit über einem Jahr. Vor allem Ajax konnte gegen den extremen Druck der Italiener nichts ausrichten, wie schon Liverpool und AZ im Kampf gegen Ajax.

Getrennt

Ein Ergebnis wie 1-6, das kann mal passieren. Vier Spiele in Folge ohne Sieg sind für Ajax schon etwas Besonderes. Oder nicht ganz? Nachdem Calvin Bassey bereits zum Kult-Fußballer erklärt wurde, entpuppt er sich als nicht so gut wie Lisandro Martinez. Tadic ist nicht Anthony. Kenneth Taylor ist noch nicht Ryan Gravenberch. Berghuis kann gut Fußball spielen, aber wenn sie ihm nahe stehen, fällt es ihm schwer, auf höchstem Niveau zu spielen, auch körperlich. Stürmer Sébastien Haller erzielte in der vergangenen Saison zehn Tore in der Gruppenphase, jetzt weiß der Trainer nicht, wen er in Führung bringen soll. Kudus von Brobbey. Rensch ist nicht Mazraoui, der wie Gravenberch zum FC Bayern gegangen ist, und so kann man weitermachen. Steven Bergwijn war Reserve bei den Spurs und muss nun der Star des Teams sein.

Der Abgang von Fußball-Geschäftsführer Marc Overmars aufgrund regelwidrigen Verhaltens und seiner schnellen Nachfolge durch das unerfahrene Duo Huntelaar-Hamstra verlief alles andere als reibungslos, wie es regelmäßig in der Vereinsführung rumort, auch in Sachen Kommunikation. Insgesamt hat sich die Auswahl jedenfalls nicht verbessert, was vielleicht nicht möglich ist, wenn man hundert Millionen mehr einnimmt als man ausgibt.

Fakt ist, jetzt, wo die Wortkrise schon abgestaubt ist: Ajax hat in dieser Saison nur gegen Fortuna, den FC Groningen, Sparta, den FC Utrecht, Cambuur und Heerenveen sowie die Rangers in der Champions League gewonnen. Am Samstag wartet Volendam, ein Klub mit ehemaligen Ajax-Mitarbeitern, die auf Revanche aus sind, darunter auch Trainer Wim Jonk. Sie arbeiten nach der Cruijff-Philosophie, aber in kleinem Rahmen. Sie flachsen im Fischerdorf in einem mutigen Akt, um Ajax ein wenig kleiner zu machen.



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