Die südwestchinesische Stadt Chengdu in der Provinz Sichuan ist wegen eines Ausbruchs des Coronavirus abgeriegelt. Innerhalb von vier Tagen wollen die lokalen Behörden alle 21 Millionen Einwohner der Stadt und des Umlandes auf das Virus testen. Chengdu ist die größte Stadt, die geschlossen wurde, seit die zweimonatige Sperrung in Shanghai Anfang dieses Jahres endete. Wie lange der Lockdown andauern wird, ist derzeit noch unklar.
In jedem Haushalt in Chengdu darf täglich eine Person einkaufen gehen, allerdings muss sie einen negativen Test vorweisen können, der nicht älter als 24 Stunden ist. Der Beginn des neuen Schuljahres wurde verschoben, und nicht unbedingt erforderliche Mitarbeiter müssen von zu Hause aus arbeiten. 70 Prozent aller Flüge wurden an den Flughäfen von Chengdu gestrichen.
Der öffentliche Nahverkehr in der Stadt läuft noch. Nach Angaben lokaler Behörden können Anwohner ihre Häuser oder sogar die Stadt verlassen, wenn sie die Notwendigkeit nachweisen können, beispielsweise für Krankenhausbesuche. China-Korrespondentin Leen Vervaeke nimmt solche Botschaften mit Vorsicht. „Offiziell waren Ausnahmen in Shanghai möglich, aber in der Praxis hat es sich als sehr schwierig herausgestellt, eine zu bekommen.“
Parteitag
Chengdu ist die größte und wichtigste Stadt im Südwesten Chinas und die fünftgrößte Stadt des Landes. Es ist ein Wirtschaftszentrum und beherbergt die Autofabriken Toyota und Volkswagen sowie die Technologieunternehmen Foxconn und Intel.
Der aktuelle Ausbruch hat bisher zu rund tausend registrierten Infektionen in der Metropole geführt, davon 157 am Mittwoch. Weil die chinesische Regierung weiterhin an der strikten Null-Covid-Politik festhält, sind solch niedrige Infektionszahlen auch Grund, in einer Großstadt einen Lockdown auszurufen.
Chinas Präsident Xi Jinping tut dies, weil er sich vor dem Parteitag im Oktober, auf dem er für eine historische dritte Amtszeit nominiert werden will, keine Überraschungen leisten kann. Ob die Politik nach diesem Kongress plötzlich deutlich lockerer wird, bleibt abzuwarten, so Vervaeke. „Xi hat seinen eigenen Status, der mit der Null-Covid-Politik verbunden ist, sodass man nicht plötzlich sagen kann, dass es vorbei ist. Außerdem haben die Chinesen wenig natürliche Immunität aufgebaut. Wenn also die Null-Covid-Politik nachsichtiger wird, wird dies sehr allmählich geschehen.“
Wirtschaft
Auch andere chinesische Städte haben in den vergangenen Tagen ihre Corona-Maßnahmen verschärft. Sperrungen wurden auch in Dalian im Nordosten und Shijazhuang in der Nähe von Peking verhängt. In der südlichen Stadt Shenzhen in der Nähe von Hongkong haben viele Stadtteile Großveranstaltungen abgesagt und Beschränkungen für Gaststätten und Unterhaltungsstätten auferlegt.
Die wiederkehrenden Lockdowns fügen der chinesischen Wirtschaft immer mehr Schaden zu, aber das hat noch nicht zu einer Lockerung der Maßnahmen geführt. „Die chinesische Regierung sagt oft, dass sie ein Gleichgewicht zwischen der Wirtschaft und Null-Covid aufrechterhalten möchte“, sagt Vervaeke. “Aber wenn es hart auf hart kommt, steht null Covid an erster Stelle.”